Hebräer-12: Dem Anfänger und Vollender nachfolgen

Christus ist besser als der alte Bund

 

 

 I.   Im geistigen Wettlauf (Verse 1-3)

Vers 1: Hier wird erneut ein „Darum“ eingesetzt, das auf das Vorhergesagte Bezug nimmt und eine Schlussfolgerung zieht.
Es ist das drittletzte „Darum“, von insgesamt 17 Ansagen (Gliederung & Überblick). Die zwei weiteren „Darum“ befinden sich in Vers 12 und 28.

Wir besitzen eine grosse Wolke (νέφος) von Zeugen (μάρτυς). Das Leben aller Glaubenshelden, von denen wir im AT lesen, gibt uns Mut und stärkt unseren Glaubenskampf (nicht bloss die erwähnten in Kapitel 11): Römer 15,4. Es sind nicht wenige, sondern eine ganze Menge, die sich wie eine grosse und unübersehbare Wolke über uns ausstrecken. Ihr Beispiel dient uns, damit wir nicht träge werden im Glauben (6,12; 2Tim 4,7).

Unser Glaubensleben wird mit einem Wettlauf (ἀγών) verglichen (1Kor 9,24-27). Dieser Wettlauf, griech. Agon, bedeutet auch Kampf (Phil 1,30; Kol 2,1; 1Tim 6,12). Agonia ist der stärkste griechische Ausdruck für Leiden. Agonia bedeutet auch Leidenskampf, Todeskampf, Angst (Lk 22,44). Das Englische „agony“ oder „agonize“ bedeutet ein fortwährender Leidenskampf. Die Nachfolge Jesu gleicht nicht einem gemütlichen Spaziergang, sondern stellt die höchsten Ansprüche an uns (Lk 13,24 = Agonie!). Diesen Wettlauf gilt es nach Vorschriften zu beenden (2 Tim 2,5).

Die Last der Sünde soll abgelegt werden, die uns wie ein Rucksack mit Steinen niederdrücken kann (Lk 21,34). Das Wichtigste ist, so schnell wie möglich mit der Sünde aufzuräumen (1Joh 1,9). Die Sünde ist wie ein Krebsgeschwür; je früher es erkannt und behandelt wird, desto eher besteht Hoffnung auf Überleben. Die Sünde ist wie ein Feuer; je schneller es bekämpft wird, desto eher besteht die Möglichkeit, etwas zu retten (Ps 32,4-5).

Um das Ziel nicht zu verfehlen, ist es wichtig, das Ziel immer vor Augen zu halten (Phil 3,13-14). Wer das Ziel aus den Augen verliert, läuft umher wie ein Läufer in einem Orientierungslauf, ohne Kompass und wird wie ein Schiff von den Meereswellen hin und her geworfen (Jak 1,6). Vor allem, was uns hindert im Wettlauf des Glaubens, sollen wir fliehen (1Kor 6,18; 10,14; 1Tim 6,10-11; 2Tim 2,22; Jak 4,7).

Die Sünde kann uns leicht umgarnen. Sie ist wie eine Schlingpflanze im See, die uns unter Wasser ziehen kann. Sie ist eine Schlinge, die wie eine Fangfalle für Tiere, unter den Blättern des Waldes vom Feind versteckt wird (2Tim 2,25-26). Sie schnappt zu, wenn wir nichtsahnend in sie hineintreten. Deshalb gilt es, wachsam zu sein und nicht einzuschlafen (Mt 26,41).

Nur wer mit Ausdauer (ὑπομονή) läuft, wird als Sieger im Ziel ankommen (Röm 2,6-7). Das bedeutet unermüdlicher Kampf, zähe Beharrlichkeit, Verzicht und grosse Selbstdisziplin (Röm 5,3-4). Wenn Gottes Geist unseren Geist erfüllt, dann sind wir fähig, den Leib zu zügeln und zu „traktieren“ (1Kor 9,27; Gal 5,16-18). Zum Fleisch zählen auch Verstand, Wille und Gefühl. Alles was sich dem Geist Gottes widersetzt, ist hinderlich im Wettlauf.

Schlussfolgerungen:
Wir können dem Kampf des Glaubens nicht ausweichen. Er wird uns von Gott verordnet, damit wir wachsen im Glauben. Entweder wachsen wir oder wir nehmen ab; Stillstand bedeutet den Tod!

Was heisst das konkret? Persönliche Anfechtungen bestehen, seien es körperliche oder seelische Nöte. Beziehungsprobleme akzeptieren und nach Lösungen suchen. Es ist falsch, wenn wir meinen, es dürfe in der örtlichen Gemeinde, in der Familie usw. nie Spannungen und Probleme geben! Wo Menschen zusammenkommen gibt es Probleme (Gal 5,14-15). Kein Mensch denkt und handelt in allem gleich wie der Andere (Phil 4,8).

Das Glaubensleben enthält einige Hindernisse, die überwunden werden müssen (10,36). Jede Last ablegen kann bedeuten – Hindernissen auszuweichen, Hindernisse zu beseitigen, vor Hindernissen „Rechtsumkehrt“ zu machen. Wer aufgibt und den Wettlauf nicht vollendet, erhält nichts. Im Gegensatz zur Welt, wo jeweils nur einer einen Siegeskranz erhält, zählt in Christus Jesus jeder zum Sieger, der den Wettlauf vollendet (Gal 6,9-10).

Vers 2a: Das allerwichtigste in unserem Glaubenskampf ist, dass wir auf Jesus schauen! Damit ist nicht gemeint, dass wir auf ein hölzernes Kreuz schauen oder ein Gemälde an der Wand betrachten, von Jesus am Kreuz. Es bedeutet vielmehr, dass wir wegschauen von den Problemen des Lebens und nicht verzagen wie Petrus, der auf die Wellen schaute, statt auf Jesus (Mt 14,30). Es bedeutet, sich nicht ablenken zu lassen von dem geraden Weg, indem wir nach links oder nach rechts schauen (Lk 9,62; Spr 4,25).

Die grössten Ermutigungen kommen von Jesus. Jesus ist der Anfänger (ἀρχηγός) des Glaubens! Arché (ἀρχή) bedeutet Anfang (Joh 1,1), das heisst; Jesus hat uns den Glauben an den lebendigen Schöpfergott auf die Erde gebracht und vorgelebt. Archegos (ἀρχηγός) bedeutet Herrscher, Anführer, Urheber (Apg 3,15). In einer englischen Bibel (RSV) wird von „pioneer“, deutsch Pionier gesprochen. (die RSV ist eine Überarbeitung der American Standard Version.) Jesus ist uns im Glauben in allem vorangegangen und wir folgen nun seinen Fussspuren (1Petr 2,21).

Jesus ist der Vollender (τελειωτής) des Glaubens! Teleiosis (τελείωσις) bedeutet Vollkommenheit, Vollendung. Teleiotes (τελειωτής) bedeutet Vollender. Viele beginnen irgendetwas im Leben, ohne es zu vollenden. Doch Jesus hat nicht nur angefangen, sondern auch im Glauben vollendet! Deshalb ist sein Leben für uns zum vollkommenen Vorbild geworden, dem wir mit grossen Erwartungen folgen (Joh 13,15). Jesus schaute auf die Freude, die vor ihm lag (V. 2b). Egal was auch passiert, Jesus wird uns zur Vollendung führen, wenn wir festhalten an IHM und seinem Vorbild (Hebr 10,14; Phil 1,6). Wenn wir die Ziellinie überqueren, steht Jesus bereit und setzt uns die Siegeskrone auf (Offb 2,10). Diese ewige Freude machte ihn stark, so dass er das Kreuz erdulden konnte. Die himmlische Freude schenkt auch uns viel Hoffnung und grosse Kraft!

Vers 2b: Jesus achtete die Schande gering. Das ist eine merkwürdige Ausdrucksform, denn wir würden eher etwas Hochwertiges geringachten, wie z. B. Mose das tat (11,24-26). Der Fluch des Kreuzes konnte Jesus nicht abschrecken (vergl. NGÜ). Die Kreuzigung ist eine Schande und ein Fluch, der nur den schlimmsten Verbrechern vorbehalten war (Dtn 21,22-23; Gal. 3,13). Selbst, als Jesus am Kreuz hing, wurde er noch verspottet (Mt 27,43). Sein ganzes Leben war geprägt von Demütigungen und Erniedrigungen (Phil 2,5-8). Weil Jesus bereit war, diese Schande über sich ergehen zu lassen, wurde er von Gott erhöht und durfte sich zur Rechten auf den Thron setzen (Phil 2,9-11).

Schlussfolgerungen:
Jesus legte jede Last auf die Seite, die ihn am himmlischen Ziel hindern konnte. Er liess sich von der Schlinge der Sünde nicht einfangen. Deshalb wurde er für uns zum vollkommenen Vorbild, d. h. zum Anfänger und Vollender unseres Heils.

Weil unser vollkommener Herr Jesus das alles vorbildlich ertrug, können auch wir loslassen von weltlicher Ehre und Ruhm (Lk 23,31). Wir müssen uns nicht schlecht fühlen, wenn wir erniedrigt werden (1Petr 3,14). Wir brauchen uns nicht zu fürchten vor den Menschen (Mt 10,28). Jesus kennt unsere Werke und sieht alles, was wir bereit sind für den Glauben zu ertragen (Offb 2,2.9.13.19; 3,1.8.15).

Wer auf Jesus schaut, sieht einen vollkommenen Menschen, dem viel Unrecht und Leid zugefügt wurde, das motiviert und stärkt uns im Glauben. Wer auf Jesus schaut, sieht einen liebenden Menschen, der abgelehnt, verschmäht, gehasst, geschlagen, verlassen, gefangengenommen, verleumdet, falsch angeklagt, ja sogar gefoltert und getötet wurde.

Vers 3: Wer auf Jesus schaut, der wird nicht müde und mutlos im Glauben. Denn Jesu Sieg ist unser Sieg! Was wir anschauen, gewinnt Macht über uns. Einen grösseren Widerspruch und eine grössere Schande als Jesus werden wir wohl nicht erleiden müssen (Apg 28,22). Jesus war ohne Sünde und wurde als gemeiner Verbrecher verurteilt. Wir sind voller Sünde und trotzdem müssen wir nicht sterben für unsere Sünde. Die Hochsprunglatte wurde so hoch übersprungen, damit diese Leidenskapazität kaum übertroffen werden kann. Den Christen damals musste dies alles erneut bewusst gemacht werden, damit sie ihr Vorrecht begriffen für ihren Glauben, an Christus zu leiden. Die olympischen Spiele sind unwichtig und unbedeutend im Vergleich zum Wettlauf des Glaubens, wo es um den ewigen Siegespreis geht. Denn das Endziel unserer Leiden ist Freude, Ehre und Herrlichkeit.

 

 II.   In der Züchtigung als Söhne und Töchter (Verse 4-11)

Vers 4: Züchtigungen müssen angenommen werden! Die Leser des Hebräerbriefs standen mitten in Anfechtungen gegen die Sünde. Deshalb wollen wir lernen, die Anfechtungen des Lebens als Züchtigung Gottes zu verstehen und anzunehmen wie Jesus das tat (Hebr 5,8). Es ist falsch zu meinen, dass der christliche Wettlauf ohne Anfechtungen, Bedrängnisse und Züchtigungen vollendet werden könne!

Verse 5-6: Züchtigungen müssen erwartet werden! Die heiligen Schriften lehren, dass Züchtigungen kommen werden. Hatten die Empfänger des Briefs vergessen was in den Schriften stand? (Spr 3,11-12): „Verachte nicht, mein Sohn, die Unterweisung durch den Herrn und sei nicht unwillig, wenn er dich ermahnt. Denn wen der Herr liebt, den weist er zurecht, und er ist ihm zugetan wie ein Vater dem Sohn.“ Fleischliche Menschen werden vom Stolz beherrscht und lassen sich nichts sagen (Hebr 3,7-11). Sie lehnen sich auf, gegen jede Form der Erziehung und Veränderung. Sie wehren sich mit Händen und Füssen, wenn sie in Bedrängnis geraten. Einige laufen davon, statt sich den Herausforderungen zu stellen. Viele verfallen dem Selbstmitleid und meinen, dass sie alleine ein schwereres Los zu tragen haben, als alle andern. Wieder andere finden in den Leiden die Bestätigung, dass es keinen liebenden Gott gibt oder klagen ihn an, dass er es nur schlecht mit ihnen meint.

Geistliche Menschen schalten ihre Ohren auf Empfang (Kol 1,10). Sie schauen auf die Glaubenshelden im AT, die viele Züchtigungen über sich ergehen lassen mussten (Hebr 11). Jesus und die Glaubenshelden sind unsere grossen Vorbilder. Deshalb wollen auch wir die Züchtigungen unseres kurzen Lebens als Erziehung Gottes annehmen und nicht verachten. Gott lässt uns keine sinnlosen Tränen vergiessen. Alles hat seinen Sinn und dient uns zum Besten.

Züchtigungen sind Zeichen der Liebe Gottes für seine Kinder. Unsere fleischliche Natur wurde so geschaffen, dass sie Züchtigungen braucht. Der Hauptgedanke beim Gesagten ist, dass wir nicht aufgeben sollen, wenn wir in Bedrängnis geraten. Denn alle, die ein frommes Leben führen wollen, werden besondere Züchtigungen und Verfolgungen erdulden müssen (2Tim 3,12).

Verse 7-8: Züchtigungen sind den Söhnen vorbehalten! Mit andern Worten: „Kinder ohne Züchtigungen, werden nicht geliebt!“ Wenn wir auf die göttlichen Unterweisungen hören, dann gehorchen wir nicht einem Menschen, sondern Gott! Es muss unterschieden werden zwischen: Züchtigungen als Strafe (Ps 39,12). Züchtigungen als Bewährung und Läuterung (Hiob, 1Petr 1,6-7). Züchtigungen zur Verherrlichung Gottes (Joh 9,3; 11,4). Gottes Züchtigung in unserem Leben ist also die Bestätigung dafür, dass wir echte und geliebte Kinder Gottes sind!

Verse 9-11a: Züchtigungen dienen zum Guten! Das griechische Wort für Züchtigung (παιδεία) bedeutet auch Erziehung, Bildung, Unterweisung (Offb 3,19). Wenn die Kindererziehung früher oft zu streng und zu übertrieben war, so ist sie heute zu weich und zu lau. Doch jeder Mensch braucht klare Führung und eine liebevolle Erziehung! In unseren Versen wird gesagt, dass Leiden ein Erziehungsmittel in der Hand Gottes ist, um uns für die kommende Herrlichkeit vorzubereiten. Der Herr lässt uns oft durch andere Menschen züchtigen und erziehen (1Kor 11,32; Hebr 13,7). Unsere leiblichen Väter haben uns oft nach ihrem Gutdünken erzogen und nicht immer die richtigen Mittel angewandt. Trotzdem lässt der Herr es zu, dass wir ungerecht behandelt werden und lässt uns sagen, dass dies zu unserem Besten dient.

Bei den alten Griechen übernahm der „Paidagogos“ die Erziehung vom 7. bis zum 18. Lebensjahr. Er begleitete das Kind zur Schule und brachte ihm gute Sitten, gutes Benehmen und eine gesunde Moral bei. Ein „Paidagogos“ war eine Mischung zwischen einem Kindermädchen, einem Diener, Beschützer und einem Hauslehrer. (Siehe griech. Begriffe1, #25.) Vermutlich konnten sich nur die Reicheren einen „Paidagogos“ leisten. Im Neuen Testament wird nun das Gesetz als einen solchen Paidagogos (Zuchtmeister) verstanden (Gal 3,24-25). Doch nun ist die Menschheit sozusagen erwachsen geworden und soll sich vom Geist Gottes leiten lassen und nicht mehr vom Zuchtmeister. Wenn wir angewiesen werden auf unsere weltlichen Zuchtmeister zu hören, wie vielmehr sollten wir dann heute auf Gottes Unterweisungen hören? Denn wer sich Gott unterordnet, der hat wahres Leben! Gott ist der „Vater der Geister“, d. h. der Schöpfer und Herrscher aller Menschenseelen (Mt 6,9; Joh 20,17; Röm 8,15-16; Gal 4,6). Wenn wir sterben dann, wird unser Lebensgeist zurückkehren zu Gott, der ihn uns gab (Koh 12,7).

Gottes Erziehung dient immer zum Guten, d. h. zum Besten für uns! Gottes Erziehungsziel ist, dass wir das ewige Leben ererben! (Hab 2,4; Hebr 10,38). Darum wollen wir nicht feig zurückweichen, sondern dankbar sein und uns freuen, wenn unser Glaube auf die Probe gestellt wird und wir in mancherlei Bedrängnis geraten! (Jak 1,1).

Vers 11b: Züchtigungen bringen eine köstliche Frucht hervor! Die friedliche Frucht der Gerechtigkeit! Gott erzieht uns zur Gerechtigkeit! Sein Ziel ist die Heiligung unseres Lebens (Röm 6,22; Phil 1,11; Jak 3,18). Gott erwartet von seinen Kindern eine Frucht (Ps 1,3; Jer 17,8; Joh 15,1-8). Mit andern Worten: Gottes Züchtigungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der Erziehung zu unserem Heil! Schliesslich ist die Frucht dazu da, um weitergegeben zu werden, damit sie andern Menschen zum Segen wird.

Mit den Züchtigungen des Lebens werden also drei Zwecke erfüllt: Sie helfen uns Fehler zu korrigieren! Sie stärken unseren Glauben! Sie machen uns reif für das ewige Leben! Züchtigungen tun uns so viel Gutes, dass wir eigentlich täglich den Herrn bitten müssten gezüchtigt zu werden! (Siehe detailliertere Kommentare im zusätzlichen Dokument: Gottes Züchtigungen.)

 

 III. Im Ruf zum Ausharren (Verse 12-17)

Vers 12a: Das zweitletzte „Darum“ wird hier auf die Tatsache bezogen, dass Züchtigungen und Leiden zum Erziehungsplan Gottes gehören. Sie bringen eine Frucht des Friedens und der Gerechtigkeit hervor. Sie dienen uns zur Heiligung.

Vers 12b: Der Heilige Geist ruft die Gläubigen damals und heute auf, sich durch die Prüfungen und Leiden des Lebens nicht lähmen zu lassen. Dabei benutzt er einen wunderschönen Gedanken des Propheten Jesaja (Jes 35,3). Jesaja sprach ebenso von schlaffen Händen und weichen Knien, die als Symbol für Unglaube und Glaubenszweifel stehen. Auf der Wüstenwanderung wollte das Volk lieber wieder nach Ägypten zurück, zu den Fleischtöpfen (Ex 16,3). Ebenso mussten sich die Rückkehrer aus der babylonischen Gefangenschaft überwinden, den langen Weg durch die Wüste nach Jerusalem zurück zu wandern.

Jesaja sagt voraus, dass die Zeit kommen wird, wenn niemand mehr müde und kraftlos sein wird. Es ist die Zeit, wenn der Messias in die Welt kommt. Alle werden sich freuen, ja sogar die Steppe wird jauchzen und jubeln, denn das trockene Land wird wie von Wasser überflutet.

Dieselben Worte sollten Johannes den Täufer im Gefängnis aufrichten (Mt 11,4-6). Den Menschen, die blind waren für Gott, werden durch das Evangelium die Augen aufgetan. Menschen, die Taubstumm waren, werden wieder Hören und Sprechen können. Menschen, die gelähmt waren, werden herumspringen, wie der Hirsch. Dies alles geschah durch Jesus in zweifacher Weise: Durch physische Heilungen (Mt 4,23-25; 15,29-31). Durch seelische Heilungen (Mt 9,5-6; Joh 8,30). Johannes sollte sich nicht entmutigen lassen durch seine Gefangenschaft, denn die sehnlichst erwartete Zeit erfüllte sich mit dem Kommen Jesu (Gal 4,4).

Ebenso sollen sich die Hebräer und auch wir nicht entmutigen lassen durch die Leiden und Prüfungen des Lebens, denn sie dienen uns zum Heil. Leiden oder Züchtigungen können uns manchmal ganz schön zusetzen. In unserer Verzweiflung neigen wir dazu, uns fallen zu lassen (Jer 6,24). Doch wir sollen uns im Glauben nicht entmutigen lassen! (Ps 19,8).

Den Hebräern wird mit andern Worten gesagt: „Lasst euch nicht gehen!“ „Lasst euch wieder aufrichten!“ (ἀνορθόω)

Vers 13: In Vers 13 geht der Schreiber noch einen Schritt weiter, indem er vom Lahmen spricht, das mit Fürsorge umgeben werden soll, damit es nicht vom Weg abkommt (Spr 6,24-25). Damit sind die Stärkeren angesprochen, die den Schwächeren beistehen und helfen sollen in der Gemeinde (Röm 15,1). Deshalb ist es wichtig, dass alle sich gegenseitig ermutigen im Glauben (Heb. 10,25). Wir sind füreinander verantwortlich im Glauben! (Joh 15,12.17; 1Kor 12,25; Gal 5,13).

Wer vom Weg abkommt, der zieht sich Verletzungen zu durch Dornen, Disteln, Verrenkungen usw. Niemand kann so geheilt werden (Jes 6,10; Mt 13,15; Joh 12,40; Apg 28,27). Wir befinden uns auf dem Weg zur Besserung, zur Heilung. Wir befinden uns auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem (V. 22).

Manchmal sieht es aus, als ob es einfacher wäre den Glaubensweg zu verlassen, doch das Gegenteil ist der Fall (1Tim 1,6; 5,15; 6,10.20). Nur der Weg mit Gott wird mit der Zeit leichter (Mt 11,28-30). Der Weg, den Gott uns zeigt, ist zwar eng, aber er führt ins ewige Leben (Mt 7,14).

Vers 14: Jagt dem Frieden und der Heiligung nach. Es wird vom „Jagen“ (διώκω) gesprochen, d. h. wir sollen wie Jäger sein, die Tieren nachspüren (1Thess 5,15). Jäger können Spuren lesen und stundenlang diesen Spuren folgen, übertragen heisst das, dass wir das Ziel klar vor Augen haben und nicht ziellos umherirren. Jäger können auch geduldig warten auf ihre Beute, übertragen heisst, das dass wir wachsam und bereit sind.

Wie Jäger sollen wir dem Frieden (εἰρήνη) nachjagen (1Petr 3,11; Ps 34,15). Christen sind friedliebende Menschen (nicht aufbrausend oder zickig) und setzen sich gegenseitig für den Frieden und die Erbauung ein (Röm 14,19). In Jesus Christus haben wir inneren Frieden gefunden von der Sünde, von Hass und Bosheit (Joh 16,33; Röm 5,1). Gott ist die Quelle des Friedens (Hebr 13,20) und deshalb müssen wir den Frieden nicht schaffen, sondern bloss festhalten, den Christus uns gebracht hat (Lk 2,14; Joh 14,27; Eph 2,14). Wir stehen im Krieg gegen die Sünde, aber nicht gegen Menschen (Eph 6,12).

Wie Jäger sollen wir der Heiligung (ἁγιασμός) nachjagen (1Tim 6,11). Wir werden „Heilige“ genannt (Kol 1,12; 1Petr 2,9). Unser ganzes Leben haben wir dem Herrn geweiht (Röm. 12,1). Deshalb sondern wir uns ab von der Welt und ihrer Lust (1Petr 1,15-16). Wenn unser Leben in Christus nicht anders ist als das eines Ungläubigen, können wir seinen heiligen Tempel nicht betreten (Ez 44,9; Kol 2,11-12).

Der Gedanke vom Frieden stiften und heilig sein kommt im NT oft zusammen vor (Mt 5,8-9). Das sind Kennzeichen des ewigen Lebens in uns, d. h., dass wir Gott schauen werden. Wir können nicht heilig sein, wenn wir uns von fleischlichen Lüsten dauernd einnehmen und gefangen lassen (Röm 6,19). Wir können nicht Frieden haben, während wir mit andern Menschen im Dauerstreit stehen (Röm 12,18). Es versteht sich von selbst, dass es nicht darum geht, um jeden Preis Frieden zu halten, d. h. auf Kosten der Wahrheit und des Heiligen Geistes in uns (Mt 10,34).

Vers 15: Wir sollen achtgeben aufeinander, dass niemand hinter der Gnade zurückbleibt. Wir sind nicht nur für uns selbst verantwortlich, sondern auch für unsere Glaubens-geschwister! (Gal 6,2) Es ist offensichtlich, dass wir aus der Gnade fallen können (Gal 5,4). Der Teufel wird immer wieder versuchen, uns Gläubige auseinanderzutreiben wie eine Viehherde, damit er sich die abseits stehenden wie ein Raubtier erbeuten kann (1Petr 5,8-10). Deshalb soll die ganze Gemeinde wachsam sein wie die Erdmännchen, die ihre Wachposten haben und einander bei Gefahr warnen. Wir können nur wachsam sein, wenn wir treu teilnehmen an den regelmässigen Versammlungen und anderen Aktivitäten der Gemeinde.

Wie kann jemand hinter der Gnade zurückbleiben? Durch ein böses und ungläubiges Herz (Hebr 3,12). Durch bittere Galle und die Fänge des Unrechts (Apg 8,23). Durch Götzendienst (Dtn 29,17-19). Durch falsche Lehren (Gal 1,6ff). Durch Streitigkeiten und Abfall vom Glauben (2Tim 2,24; Hebr 6,4-10).

Verse 16-17: Esau trachtete nicht nach der Heiligung. Er nahm das Vorrecht seines Erstgeburtsrechts nicht ernst und tauschte es ein, gegen eine einzige Mahlzeit (Gen 25,29-34). Das missfiel Gott und deshalb liess der Herr es auch zu, dass Jakob seinen Vater mit dem Segen überlisten konnte (Gen 27,30-40). Alle Tränen nützten nichts (Gen 27,34). Esau hatte den Segen Gottes verspielt. Es ist, wie mit dem Erstgeburtsrecht der Juden, die ihren Segen und ihr Vorrecht in Jesus Christus nicht erkannten (Mt 20,16).

Schlussfolgerungen:
Auch wir können unser Heil verspielen, wenn wir uns durch die Probleme des Lebens ermüden lassen! Auch wir können unser Heil verspielen, wenn wir nicht dem Frieden und unserer Heiligung nachjagen! Auch wir können unser Heil verspielen, wenn wir unser Vorrecht nicht erkennen und es gegen vergängliche Dinge des Lebens eintauschen!

 

 IV. Auf dem Weg zum Berg Zion (Verse 18-24)

Mit welchem Berg machten die Israeliten eine furchterregende Erfahrung? Es war der Berg Sinai, an dem Gott dem Volk seine Macht demonstrierte (Ex 19,16-19), durch Feuer, Rauch, Finsternis, Sturm, Posaunenschall und eine donnernde Stimme und durch ein Erdbeben, d. h. der ganze Berg zitterte heftig (Ex 19,18c).

Mose musste eine Grenze ziehen um den Berg, damit niemand den Berg berührte (Ex 19,14). Weder Menschen noch Tiere durften den heiligen Berg berühren, sonst mussten sie sterben (Ex 19,15). Das Volk musste sich heiligen und ihre Kleider waschen (Ex 19,10). Dann verschwand Mose in der dunklen Wolke voller Blitze und Donner. Er stieg auf den rauchenden Berg, wo der Herr im Feuer auf den Gipfel herabkam und ihm die zehn Gebote gab (Ex 20). Die Israeliten kamen zu einem Berg, den man zwar sehen aber nicht berühren durfte.

Sie hörten zwar Gottes Stimme, aber sehen konnten sie ihn nicht (Dtn 4,11-12). Sie fürchteten sich sehr und zitterten (Ex 19,16b; 20,18-19). Sie hörten den lauten Posaunenschall und Gottes Stimme so „dass sie inständig baten, kein weiteres Wort mehr hören zu müssen“ (Hebr 12,19: NGÜ). Später erkannten sie, dass Gott mit Menschen reden konnte, ohne dass sie sterben mussten (Dtn 5,24).

Diese folgenden Worte zitiert nur der Hebräerbrief: Mose sagte, als er das erste Mal die Stimme des Herrn hörte (alte Zürcher Übersetzung): „Ich bin voll Furcht und Zittern“ (bezieht sich auf Ex 3,6; Apg 7,32). Nachdem Mose die Tafeln des Bundes auf dem Boden zerschmetterte, hatte er abermals Angst vor dem Zorn und Grimm des Herrn (Dtn 9,19).

Weshalb machte Gott seinem Volk Angst? Gott wollte dem Volk Ehrfurcht beibringen vor IHM und seinem Gesetz, damit sie nicht sündigten, sondern gehorchten (Ex 20,20). Kein Wunder, weshalb der alte Bund „Dienst des Todes“ genannt wurde (2Kor 3,7). Damit versuchte Gott dem Volk einzuschärfen, dass die Folge der Sünde der Tod ist (Röm 6,23). Sein Gericht über die Sünde ist schrecklich und macht Angst. „Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Hebr 10,31).

Damit wird einmal mehr die Schwäche des alten Bundes gezeigt. Gott demonstrierte dem Volk seine überwältigende Macht. Gott war seinem Volk unnahbar weit weg. Sie mussten sich fürchten vor dem lebendigen Gott.

Wie ganz anders, d. h. überlegener ist doch der neue Bund (sagt der Hebräerschreiber). Wir Christen folgen unserem Anfänger und Vollender des Glaubens, Jesus. Wir sind „hingetreten“ (griech. προσέρχομαι, plural, perfekt). Proserchomai ist vom selben Stamm wie das Wort Proselyt (= Hinzugetretener Heide, der sich zum Judentum bekehrte). Wir müssen keine Angst haben von der Nähe Gottes, denn wir sind reingewaschen worden in der Taufe, durch das Blut Jesu, von aller Sünde (1Kor 6,11). Wir dürfen uns Gott nahen (Eph 2,13; Jak 4,8; Hebr 7,19; 11,6). Wir werden aufgerufen zum Thron Gottes hinzuzutreten (Hebr 4,15-16). Wir dürfen Gott unseren Abba (Vater, Papi) nennen (Röm 8,15). Wir befinden uns auf dem Weg zum Berg Zion im Gegensatz zum Berg Sinai. Sinai steht für das Gesetz und Zion für Gnade. Auf dem Berg Zion wurden Jerusalem und der Tempel gebaut. Zion war Gottes heiliger Berg, wo das irdische Heiligtum aufgerichtet wurde (Ps 2,6). Im NT steht Zion für die himmlische Stadt Jerusalem (Offb 3,12; 21,2; Gal 4,26). Der Hebräerbrief spricht nirgends von einer irdischen Stadt.

Wer sich zu Christus bekehrt, der tritt in seine heilige Gemeinde und somit in die himmlische Stadt Jerusalem. Sie ist zwar nicht sichtbar, aber dafür fest, unerschütterlich, ewig. Sie ist der Ort, wo der lebendige Gott wohnt. Sie bietet genügend Platz für alle Gläubigen und ist wunderschön. Sie ist das neue Jerusalem, das wie eine Braut zur Vermählung bereit ist (Offb 21,2). Alle Gläubigen, die sich in der Gemeinde befinden, sind Teil des Leibes Christi (Eph 1,22-23), befinden sich auch im Reich Gottes (Mt 3,2; 4,17; 10,7; Mk 9,1; Kol 1,13; Hebr 12,28), sind nun Bürger der himmlischen Stadt (Phil 3,20; Eph 2,12). Unsere Namen stehen im Buch des Lebens (Lk 10,20; Phil 4,3; Offb 21,27).

Wir sind zur festlichen Versammlung im Himmel hingetreten, wo zehntausende von Engeln mit uns den Sieg Christi feiern (Offb 5,11-12). Diese Engel dienen uns als Erben des Heils (Hebr 1,14). Engel sind unsichtbar, aber sie sind uns ganz nah und freuen sich über jeden Sünder, der umkehrt (Lk 15,7.10).

Wir sind zur Gemeinde der Erstgeborenen hinzugetreten. Im AT musste jede Erstgeburt Gott geweiht werden (Ex 13,11ff.), sowie die Erstlingsfrucht der Ernte (Ex 23,16). In Israel war der Erstgeborene der Haupterbe und erhielt die Hauptverantwortung über die ganze Familie (Lk 2,23). Im alten Bund war das Erstgeburtsrecht ein grosses Vorrecht mit grosser Verantwortung. Israel war Gottes „erstgeborener Sohn“ (Ex 4,22). Leider missachtete das Volk sein Erstgeburtsrecht und verschenkte es, wie Esau das tat (Mt 23,37-38; 20,1-16; 21,43; Röm 11,17-24). Im Neuen Testament wird Jesus Christus als Gottes „Erstgeborener“ der ganzen Schöpfung verkündet (Kol 1,15). Jesus ist der Herrscher, der als Erstgeborener verheissen wurde (Ps 2,6-7; 89,28). Die Gläubigen haben nun durch Christus „den Geist der Erstlingsgabe“ empfangen (Röm. 8,23). Als Erstgeborene im Geist sind sie rechtmässige Erben (Gal 3,29), die zur Herrschaft berufen wurden (Offb 22,5). Wir Gläubigen bilden die Gemeinde der Erstgeborenen, die zur Herrschaft berufen wurde (1Kor 6,2; Offb 20,4ff.).

Wir sind zu Gott hingetreten. Gott ist nicht nur Schöpfer, sondern auch Richter aller Menschen (2Kor 5,10). Wir Gläubigen dürfen dem Tag des Gerichts mit Zuversicht entgegensehen (1Joh 4,17). Dieses Endgericht hat der Vater dem Sohn übergeben (Joh 5,22).

Wir sind zu den Geistern der vollendeten Gerechten hingetreten. Das könnten sehr gut die Gläubigen des alten Bundes sein, die starben, ohne die Verheissung erlangt zu haben (Hebr 11,39), die nun mit uns zur Vollendung geführt werden (Hebr 11,40). Sie wurden vollendet, vollkommen gemacht (τελειόω) durch das Blut Christi (Hebr 9,15; 10,14; 11,40; Offb 7,14-17).

Wir sind zu Jesus gekommen oder hingetreten. Wenn Jesus hier zuletzt erwähnt wird, heisst das nicht, dass er weniger wichtig ist. Im Gegenteil! Allein Jesus ist dieser neue und viel bessere Bund zu verdanken. Jesus ist der vollkommene Mittler des neuen Bundes (Hebr 9,15-17). Durch Jesus wurde diese neue Beziehung zu Gott überhaupt möglich. Durch ihn ist das Unnahbare nahbar geworden. Durch ihn brauchen wir keine Angst zu haben, wie die Israeliten damals. Jesus hat uns eingeladen zu ihm zu kommen (Mt 11,28-30;) und wir Gläubigen folgen seinem Ruf (Offb 22,17).

Wir sind zum Blut der Besprengung gekommen. Wie der Hohepriester das Blut des Opfertiers ins Allerheiligste trug und damit den Deckel der Bundeslade besprengte (Lev 16,15-16), so ist es mit dem Blut Jesu. Jesus opferte sich mit einem einzigen Opfer (10,12). Anschliessend ging er mit seinem eigenen Blut ins Allerheiligste, d. h. den Himmel, um für uns Gläubigen die ewige Erlösung zu bewirken (9,11-12). Mose sprengte das Blut des Opfertiers auf den Altar und anschliessend über das Volk (Ex 24,6-8). Das Blut des erschlagenen Abels schrie nur nach Rache und versickerte nutzlos in den Boden (Gen 4,10). Das Blut Jesu aber schreit: „Ich vergebe dir!“ Das Blut Jesu ist das Blut des neuen Bundes, das für alle vergossen wurde, zur Vergebung der Sünden (Mt 26,28). Nur das Blut Jesu vermag das Gewissen aller Menschen, die sich nun Gott nahen, vollkommen zu reinigen (Hebr 9,14; 10,1).

Schlussfolgerungen:
Die ursprünglichen Leser des Hebräerbriefs wollten zum Judentum zurückkehren. Für die Juden war kein anderes Ereignis von grösserer Bedeutung, wie der Empfang der zehn Gebote am Berg Sinai. Doch der Schreiber des Hebräerbriefs macht einen anderen Berg noch viel bedeutungsvoller als Sinai. Es wird gesagt, dass die Gläubigen in Christus zum Berg Zion (Sinnbild für den Himmel) hingetreten sind. Eine Gegenüberstellung der beiden Berge:

 

Berg Sinai Berg Zion 
- materiell, irdisch (V. 18.20) - geistlich, himmlisch (V. 22)
- unberührbar (V. 20) - berührbar (V. 23.24)
- Angst einflössend (V. 18.19.21) - Zuversicht erweckend (V. 23.24)
- zeitlich begrenzt (V. 26) - ewig, unvergänglich (V. 28)


Die Menschen unter dem alten Bund lebten in der Angst vor Gott. Zwischen Gott und ihnen herrschte eine unüberbrückbare Distanz. Ihre vielen Tieropfer vermochten sie nicht Gott näher zu bringen.

Die Menschen unter dem neuen Bund müssen keine Angst mehr haben vor Gott. Jesus hat uns diese Angst weggenommen und uns Gott ganz nahe gebracht. Er hat uns den Weg geebnet, der früher den Menschen versperrt war.

Eine Gegenüberstellung der Gesinnung. Im alten Bund bekannte das Volk: „Wie schrecklich. Wir haben Angst und zittern.“ Im neuen Bund rufen die Gläubigen: „Wie wunderbar und herrlich. Wir haben Zuversicht und vertrauen!“

Darum, lasst uns von unserem grossen Vorrecht profitieren, indem wir uns heiligen lassen und uns unserem liebenden Vater im Himmel zuversichtlich nahen!

 

 V.   Im Annehmen der himmlischen Stimme (Verse 25-29)

Vers 25a: Es wird gesagt: „Gebt acht ...!“ Wörtlich: „Seht zu!“ oder, „seht euch vor“ (siehe auch Hebräer 3,12). Das griechische Wort (βλέπω) bedeutet, sehen und steht auch für geistige Funktionen, wie aufpassen (Mt 5,28; Offb 5,3ff.), das Augenmerk richten (Mk 13,33; 1Kor 1,26), auf etwas achthaben (2Kor 10,7) oder sich vorsehen. Übertragen bedeutet es, wahrnehmen oder bemerken (Röm 7,23; Hebr 2,9).  Im Gegensatz zum Volk im AT, das sich verhärtete und deshalb nicht auf Gottes Gebote hörte, werden wir Christen ermahnt, uns vor solch einer Gesinnung zu hüten (10,26-29). Der Apostel Johannes sagte seinen Empfängern etwas Ähnliches (2Joh 8).

Schon in Hebräer 2,1-4 werden alle Gläubigen aufgerufen, gut zuzuhören. Denn, wenn das Volk Israel im alten Bund die Gerechte Strafe für seine Übertretungen erhielt, wie viel mehr dann wir Gläubigen, im neuen Bund. Hier (in Hebr 12,25) wird eine ähnliche Aussage gemacht. Wenn das Volk unter dem alten Bund nicht entrinnen konnte, wie viel weniger werden dann wir entrinnen, unter dem neuen Bund, wenn wir nicht gut zuhören. Auch hier wird auf das Sinnbild vom Wort am Sinai und vom Wort am Berg Zion Bezug genommen. Das Wort am Sinai wurde durch Mose, einem irdischen Boten verkündet. Das Wort vom himmlischen Zion wurde durch Jesus, dem Sohn Gottes verkündet, der vom Himmel kam.

Vers 25b: Auf wen sollen wir achtgeben und ihn nicht abweisen? – Auf Jesus Christus! Denn heute spricht nicht mehr Mose, sondern Jesus zu den Gläubigen! Jesus erfüllte die Prophezeiungen Mose, der von einem neuen Propheten sprach, der unter dem Volk auftreten werde (Dtn 18,15.18-19). Petrus zitierte die Prophezeiung und betrachtete sie als erfüllt, durch Jesus (Apg 3,22-23). Jeder, der nicht auf diesen neuen Propheten Jesus hören wollte, sollte aus dem Volk ausgerottet werden. Gott gab vom Himmel her den Jüngern die Bestätigung, dass Jesus der prophezeite Messias sei (Mt 17,5; Mk 9,7; Lk 9,35).

Was Jesus sagt, ist viel bedeutender und verdient viel grösserer Aufmerksamkeit. Denn im AT kam keiner ungestraft davon, für seine Sünden. Das Volk litt stark unter ihrem Ungehorsam, durch die Strafen Gottes. Heute „am Ende der Tage“ spricht Gott nun durch seinen Sohn (1,2). Das heisst, auch durch das inspirierte Wort der Apostel Jesu (1 Joh 4,6). Die Mission Jesu war hauptsächlich ans Kreuz zu gehen, um Erlösung der Sünden zu bewirken. Der Auftrag der Apostel war es, das Wort Jesu mündlich und schriftlich in die ganze Welt zu tragen. Abschliessend warnt der Schreiber davor, Jesu Anweisungen nicht zu befolgen, denn im neuen Bund werden wir noch viel weniger entrinnen können, wenn wir Gottes Wille missachten. Die Gläubigen, die zum Judentum zurückkehren wollten, waren speziell angesprochen und mussten sich durch diese Worte gewarnt fühlen.

Verse 26-27: Was ist mit der Stimme gemeint, die die Erde erschüttern wird? Als Gott am Berg Sinai aus dem Himmel sprach, zitterte der ganze Berg (Ex 19,18; Ps 68,9). Später sprach der Prophet Haggai vom neuen Tempel und wies auf das messianische Zeitalter hin, in dem Himmel und Erde erschüttert werden: Haggai 2,6-7. Gott versprach Haggai einen Tempel, der grössere Herrlichkeit haben werde als der frühere, der von den Babyloniern (586 v. Chr.) zerstört wurde (Hag 2,9). Damit wies der Herr auf den himmlischen Tempel, der in Kürze kommen werde! In Haggai 2 wird nicht vom materiellen Tempel gesprochen, der 515 v. Chr. durch Haggais und Sacharjas Weissagung fertiggestellt wurde (Esr 5,1; 6,14). Denn dieser wiederaufgebaute Tempel war nichts im Vergleich zur früheren Pracht, des Tempels Salomo (Hag 2,3). Gott liess seinen Diener Haggai auf das Endziel seines Heilsplans schauen, wie auch Jesaja (Jes 13,13).

Die prophetische Sprache darf nicht wörtlich verstanden werden. Auch Jesus bediente sich dieser Sprache, die sich auf den Untergang Jerusalems bezog und nicht etwa auf seine Wiederkunft (Mt 24,29; Mk 13,25; Lk 21,26). Die bildliche Sprache von der Sonne, die sich verfinstert und vom Mond der seinen Schein nicht mehr geben wird, bezieht sich auf ein bevorstehendes Gericht. Es muss nicht wörtlich so geschehen! Haggai prophezeite, dass der mosaische Bund erschüttert und weggenommen werde, durch das erste Kommen Jesu (Hebr 10,9). Dieser Bund werde so stark erschüttert, wie einmal die materielle Welt erschüttert wird, am Ende der Tage. Auch diese Sprache ist prophetisch und bedeutet nicht, dass dies wortwörtlich so geschehen werde.

Es kann nicht geleugnet werden, dass der ganze Umbruch vom alten zum neuen Bund, in der jüdischen Welt, eine Revolution war und ihre ganze Weltanschauung erschütterte (Apg 17,6). Dieses Zitat von Haggai kann sich nicht auf das Weltende beziehen, denn der neue Bund wird nicht mehr erschüttert, noch entfernt oder ersetzt werden. Der wiederaufgebaute Tempel war für die Juden damals ein schlechter Trost. Deshalb sandte Gott ihnen Haggai, der ihnen Mut machte für die wunderbare Zukunft, die vor ihnen lag. Wenn der Messias kommt, dann wird er einen himmlischen Tempel bauen, der nie mehr zerstört werden kann. Das Reich, das Jesus aufrichten wird, bleibt unzerstörbar (Dan 2,44; 7,14).

Das Reich Gottes und die Herrschaft Christi begann zu Pfingsten (Apg 2,34-36). Als Jesus auf diese Welt kam, wurden die falschen Religionen und die Macht der Staaten erschüttert. Was aber bleiben wird, sind die geistlichen Werte, die Jesus brachte, das Reich Gottes, der Heilsplan, der neue Bund und alles was dazugehört. Doch der Tag wird kommen, an dem auch die materielle Erde sich in der Hitze des Feuers auflösen wird (2Petr 3,10). Wenn im AT davon gesprochen wird, dass die Erde „ewig“ bestehen bleibe (Koh 1,4), dann ist nicht von einem ewig die Rede, das unaufhörlich sein wird. Im AT bedeutet das Wort ewig nicht in jedem Fall unaufhörlich (siehe Ex 31,17; 12,24; 28,43; 32,13; Dan 2,4). Der Ausdruck neuer Himmel und neue Erde (2Petr 3,13), bezieht sich auf das neue Leben, das völlig anders sein wird als das jetzige, irdische.

Verse 28-29: Wir werden ein unerschütterliches Reich empfangen, im Himmel. Am Anfang der Apostelgeschichte (1,3-8) war das Reich Gottes noch Zukunftsmusik. Doch mit der Ausgiessung des Heiligen Geistes zu Pfingsten, kam das Reich Gottes mit Macht (Mk 9,1; Apg 2,1; Kol 1,13; Offb 1,5-6.9). Die Gemeinde ist das Tor zum Reich Gottes und das Totenreich mit seiner ganzen Macht wird nicht stärker sein (Mt 16,18; 1Kor 15,24-27). Wir haben Anteil am Reich Gottes (Eph 5,5). Wir sind nun Bürger im unerschütterlichen Reich Gottes (Phil 3,20). Wir dürfen zuversichtlich den Tag der Wiederkunft Christi erwarten.

Darum wollen wir dankbar sein und Gott dienen! Wie erweisen wir Gott unsere Dankbarkeit? Indem wir Seinem Wort gehorchen und Seinen Willen tun! Indem wir Seinem Reich und Seiner Gemeinde dienen! Wie dienen wir Gott? Indem wir unsere heilige Priesterschaft ernst nehmen (10,24-25). Indem wir mit Ausdauer laufen, im Wettlauf des Glaubens (12,1). Indem wir dem Frieden und der Heiligung nachjagen (12,14).

Ist es falsch und unfair vom grossen Endgericht zu sprechen, um die Menschen zum Glauben, Respekt und zur Ehrfurcht gegenüber Gott zu motivieren? Der Hebräerschreiber sieht das überhaupt nicht so. Der Hebräerschreiber warnt: „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“, der die Sünde hasst (Spr. 11,20). Ein richtender Gott ist der Bibel nicht fremd (siehe Jes 33,14). Die Bibel spricht auch von der ewigen Verdammnis (Offb 14,11; 20,10; 21,8). In den zehn Geboten steht, dass Gott ein eifersüchtiger Gott ist (Ex 20,5).

 

 Links:

- Kapitel 12b:  Gottes Züchtigungen

 - Kapitel 13:  Ermahnung zur Liebe und zum Gehorsam