Lukas-08: Wanderungen und Erlebnisse (Teil2)

Jesus, der Menschensohn

Arbeitsblatt

 

WIEDERHOLUNG: Die vorhergehende Lektion befasste sich mit Jesu Weggehen aus Galiläa und dem Beginn seiner Wanderung nach Jerusalem. Unsere besondere Aufmerksamkeit wurde auf die sichtbare Betonung gelenkt, die Lukas den tatsächlichen Aussprüchen Jesu widmete. In der Lektion teilten wir Jesu Worte in drei Gruppen ein - jene Lehren, die an seine Gegner, an seine damaligen Jünger und an zukünftige Nachfolger gerichtet waren.

Gleich der erste Vers (13,22) stellt eine Zusammenfassung dieses Abschnitts der Erzählung des Lukas dar. „Und er wanderte“, er setzte also die in Lukas 9,51 begonnene Wanderung fort. „Durch Städte und Dörfer“, die Städte zwischen Galiläa und Jerusalem. „Lehrend“, die Worte Jesu werden von Lukas betont. „Und machte [so] die Reise nach Jerusalem“, dem feststehenden Ziel seiner Wanderung. Diese Lektion kann vielleicht nach dem folgenden Überblick betrachtet werden:

 I.  Der zweite Abschnitt der Wanderung (13,22 - 17,10)

A.  Jesus äussert Warnungen auf dem Weg (13,22-35)

B.  Jesus als Gast am Sabbat (14,2-24)

C.  Jesus nennt Bedingungen für die Jüngerschaft (14,25-35)

D.  Jesus als Heiland der Verlorenen (15,1-32)

E.  Jesus erzählt zwei warnende Gleichnisse (16,1-31)

F.  Jesus warnt davor, anderen Ärgernis zu bereiten (17,1-10)

 II.  Die letzten Abschnitte der Wanderung (17,11 - 18,30)

A.  Jesus und die zehn Aussätzigen (17,11-19)

B.  Jesus spricht über das Kommen des Reiches (17,20-37)

C.  Jesus lehrt über das Beten (18,1-14)

D.  Jesus nimmt kleine Kinder an (18,15-17)

E.  Jesus und der reiche Vorsteher (18,18-30)

 

 I.   DER MEISTERLEHRER

Der Einfluss, den Jesus und seine Lehren auf die Menschen ausüben, ist einzigartig. Jesus wurde zu Bethlehem in Judäa geboren. Im galiläischen Nazareth wurde er erzogen. Als er zwölf Jahre alt war, waren seine Eltern erstaunt, ihn im Tempel von Jerusalem zu finden, „wie er mitten unter den Lehrern sass, ihnen zuhörte und sie fragte“ (2,46). Als Jesus heranwuchs, nahm er zu an Ansehen bei Gott und den Menschen. Nachdem er seine öffentliche Tätigkeit begonnen hatte, staunten die Menschen über seine Lehre, denn was er sagte, trug das Zeichen der Vollmacht (4,32).

Obgleich Jesus in Palästina lebte und in der Gegend von Jerusalem und dem See Genezareth lehrte, ist sein Einfluss weder auf jenes kleine Land noch auf das Volk, in dem er geboren worden war, beschränkt geblieben. Sein Leben und seine Lehre hat jede Nation beeinflusst, wo seine Geschichte erzählt wurde, und wirkte sich auf das Leben jedes Einzelnen aus, von jener Zeit angefangen bis zum heutigen Tage. Niemand sonst konnte so viele Menschen so lange Zeit beeinflussen.

Viele Lehrer lebten auf der Welt, aber keiner war wie Jesus von Nazareth. Andere haben bestimmt universelle Wahrheiten gelehrt, doch Jesus lehrte Dinge, die kein anderer Lehrer gewusst haben konnte, denn er ist der einzige ursprüngliche Denker. Er brauchte sich nicht auf das zu stützen, was andere gesagt hatten, sondern er behauptete vielmehr, dass er die Quelle aller Wahrheit ist (Joh. 2,24-25). Er vermittelte neue Lehren und gab neue Gebote.

Jesus lehrte auf schlichte Weise die tiefgründigsten Wahrheiten mit solcher Überzeugung, dass seine Feinde ihm niemals antworten konnten. Er lehrte mit solcher Klarheit, dass die gewöhnlichen Menschen ihm voll Freude zuhörten, und doch lehrte er zugleich mit solcher Gründlichkeit, dass die gebildeten Lehrer von Jerusalem verstummten. Es gab nie auch nur einen Schatten des Zweifels bei irgendeiner Frage, die ihm gestellt wurde, gleichgültig ob auf der Erde oder im Himmel, in Zeit oder Ewigkeit, denn alle Dinge waren ihm von Gott anvertraut. Er kannte die Zukunft geradeso wie die Vergangenheit und sprach mit Genauigkeit über beides. Sein Stil ist weder westlich noch östlich, sondern universell. Es gibt keine Rede, die dem Menschen so ins Herz geht, wie die Lehre Jesu.

Dieser Abschnitt der Erzählung des Lukas zeigt uns Jesus besonders als den Meisterlehrer. Er gebrauchte alltägliche Vorfälle als ewige Beispiele und gewöhnliche Menschen, um göttliche Wahrheiten zu lehren. Jesus nimmt Gleichnisse und Illustrationen aus dem Leben um sich, und die Menschen, die er so lebendig beschreibt, erwachen tatsächlich zum Leben. Der Vater, der über einen verlorenen Sohn trauert, die Frau, die hektisch nach einer verlorenen Münze sucht, die Gäste, die um Anerkennung bei einem gesellschaftlichen Ereignis streiten, der Bettler am Tor des Reichen - all dies sind Ereignisse, die damals in Palästina ganz alltäglich waren und überall dort vorkommen, wo Menschen sich befinden.

 

 II.   DES MEISTERS LEBEN

- Kapitel 13,22-35: Jesus drängte die Menschen, sich um ihr eigenes Heil zu kümmern, denn die Zeit kommt, wenn es dazu zu spät ist. Er fügte noch eine Prophezeiung für die Zeit hinzu, wenn Menschen aus allen Teilen der Welt sich der Segnungen des Reiches erfreuen werden. Die Kunde einer Bedrohung durch Herodes konnte Jesus nicht bewegen, von seinem Ziel in Jerusalem abzuweichen. Dieser Gedanke veranlasst ihn, einen Weheruf über die Stadt auszusprechen, die sein Wirken so oft abgewiesen hatte.

- Kapitel 14,1-24: Nach der Heilung eines Wassersüchtigen deckte Jesus die Heuchelei der Schriftgelehrten und Pharisäer auf. Als Jesus bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze sichern wollten, erteilte er ihnen eine Lehre über Bescheiden-heit. Dann belehrte er seinen Gastgeber über Barmherzigkeit gegenüber den Armen und Bedürftigen und verhiess ihm den Lohn dafür bei der Auferstehung. Jesus erzählte auch ein Gleichnis, mit dem er zeigen wollte, dass das Vorrecht am Festmahl im Reiche Gottes teilnehmen zu dürfen oft wenig geschätzt und häufig verworfen wird.

- Kapitel 14,25-35: Diese grosse Volksmenge, die Jesus begleitete, missverstand die Natur des Reiches und die Bedingungen der Jüngerschaft. Jesus lehrte, dass ein Jünger alle anderen Bedingungen und Verpflichtungen einer bedingungslosen Hin-gabe an Jesus unterordnen muss. Er muss sein Kreuz auf sich nehmen und Jesus nachfolgen. Er muss berechnen, was es kostet, Jesus bis zum Ende nachzufolgen. Er muss um Jesu willen alles, was er besitzt, aufgeben und den Geist der Selbstauf-opferung aufrechterhalten, damit das Salz seines Lebens seine Schärfe nicht verliert.

- Kapitel 15,1-32: Die drei Gleichnisse an dieser Stelle waren die Antwort des Herrn auf die geringschätzigen Bemerkungen der Pharisäer und Schriftgelehrten wegen seiner Gemeinschaft mit Sündern. Die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und der verlorenen Silbermünze stellen die suchende Liebe Gottes dar. Das dritte Gleichnis beschreibt die vergebende Liebe Gottes. Der erste Teil des Gleichnisses berichtet von dem verlorenen Sohn und offenbart die Herzenshaltung Gottes gegenüber einer Welt voller Sünder. Der zweite Teil betrifft die Haltung des älteren Sohnes und zeigt den Geist der Pharisäer in ihrem Murren gegen Jesus, offenbart aber auch Gottes Einstellung gegen sie.
Das ganze Kapitel ist voll einzigartiger Schönheit. Aus seinen Zeilen strahlt die Freude. Jedes der beiden ersten Gleichnisse endet mit einem Refrain, der die Freude des Himmels über die Errettung des Sünders spiegelt. Das dritte Gleichnis scheint sich gegen Ende der Geschichte zu den Höhen der Poesie zu erheben und endet mit einem Schlussvers, der der Freude des Vaters über die Auffindung des verlorenen Sohnes Ausdruck verleiht und das Vaterherz Gottes widerspiegelt.

- Kapitel 16,1-31: Die zwei hier aufgezeichneten Gleichnisse haben etwas mit dem Gebrauch der irdischen Reichtümer zu tun. Im Gleichnis vom ungetreuen Haushalter zieht Jesus eine Lehre daraus, wie der Mann für seine irdische Zukunft vorsorgte. Jesus lehrte, dass die Übrigen auf der Welt dieselbe Weisheit bei der Sorge für ihre ewige Zukunft zeigen sollten. Die Pharisäer spotteten über seine Lehre und Jesus erinnerte sie, dass Gott durch den selbstgerechten Stolz hindurchsieht. Jesus illustrierte dann die Folgen, die sich aus dem falschen Gebrauch irdischer Güter ergeben, indem er das Gleichnis vom reichen Mann und Lazarus erzählt. In der Szene auf der Erde wird ein aufrüttelnder Kontrast zwischen diesen beiden Männern sowohl im Leben als auch im Sterben gezeigt. Die andere Szene spielt in der Unterwelt, wo derselbe Kontrast mit umgekehrten Vorzeichen vorhanden ist und zwischen beiden Männern eine tiefe Kluft gezogen ist. Es wird jedoch klar, dass dieses Gleichnis nicht dazu dienen sollte, unsere Neugier über das Leben nach dem Tode zu stillen, sondern die Ernsthaftigkeit des Lebens diesseits des Grabes zu betonen.

- Kapitel 17,1-10: Diese Stelle enthält vier kurze Aussprüche, die an die Jünger gerichtet sind. Sie handeln von der Grösse der Sünde, wenn man andere zum Sündigen verleitet, von der Pflicht, einem sündigen Bruder zu vergeben, wenn er Busse tut, von der Macht des kleinsten Glaubens, und von der Tatsache, dass Gehorsam und gute Werke kein menschlicher Verdienst sind und uns auch keine Ansprüche Gott gegenüber einräumen.

- Kapitel 17,11-19: Jesus heilte zehn Aussätzige, die ihn um Erbarmen angefleht hatten. Er verlieh aber auch seiner Enttäuschung über jene Neun Ausdruck, die ihre Heilung als selbstverständlich hinnahmen und belohnte den dankbaren Samariter mit einer zusätzlichen Segnung.

- Kapitel 17,20-37: Jesus lehrt, dass man das Kommen des Reiches Gottes nicht mit den Augen sehen kann. Er setzte dann fort, indem er sagte: „Das Reich Gottes ist in eurer Mitte“ (Vers 21). Damit meinte Jesus sich selbst und das Leben, das er in ihrer Mitte führte. Dann wandte er sich den Jüngern zu und sprach von der Zukunft des Reiches. Der Tag würde kommen, an dem sie sich nach seinem Kommen sehnen würden. Er warnte sie, sich nicht von falschen Gerüchten verleiten zu lassen, denn sein Kommen sollte ein sichtbares und weltweites Ereignis sein, nachdem er gelitten hatte und verworfen worden war. Die Menschen werden ihr Alltagsleben führen, wenn der Menschensohn offenbar werden wird. Der Meister beschreibt mit bildlichen Ausdrücken die Haltung der Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Interessen, die seine Jünger sich aneignen müssen, wenn sie für seine Wiederkunft bereit sein wollen. Auf die Frage der Jünger (Vers 37) antwortete Jesus mit einer allgemeinen Feststellung, deren Bedeutung war, dass sobald die Bedingungen erfüllt wären, die Zeichen des Gerichtes erscheinen würden.

- Kapitel 18,1-14: Das Gleichnis von der bittenden Witwe lehrt die Notwendigkeit des ständigen Gebets in Hinblick auf das zweite Kommen Jesu. Der Schluss ist folgender: Wenn sogar ein ungerechter Richter im Falle einer hilflosen Witwe, an der er keinerlei Interesse hat, auf Grund ihres ständigen Bittens ein gerechtes Urteil fällt, wieviel mehr wird dann Gott den unermüdlichen Ruf nach Gerechtigkeit seines auserwählten Volkes beantworten. Das zweite Gleichnis richtete sich an einige aus der Gesellschaft, die Jesus nachfolgten, die einen hochmütigen Sinn der Selbstgefälligkeit zeigten. Beide Männer waren darin gleich, dass sie zum Tempel hingingen, um zu beten, aber sehr verschieden in der Absicht und im Geiste ihres Gebets. Der Pharisäer dankte Gott dafür, dass er nicht so war, wie die übrigen Menschen und zählte seine Verdienste auf. Der Zöllner bat voll Reue um Gnade für sich als Sünder. Sein Gebet wurde beantwortet, nicht das des Pharisäers.

- Kapitel 18,15-30: Diese Stelle deutet an, dass die Jünger sowohl den Wert eines Kindes als auch die Natur des Reiches falsch einschätzten. Jesus lehrte, dass das Reich Gottes jenen gehört, die wie Kinder sind. Zweitens, das Reich Gottes ist nichts, das man erreichen oder verdienen kann, sondern etwas, das man wie ein Geschenk annehmen muss. Im Gegensatz dazu zeigt uns Lukas einen Vorsteher, der seine Seele niemals aus den Fesseln seines grossen Reichtums befreien konnte und niemals beschlossen hatte, nur Gott zu dienen. Wenn er wirklich das ewige Leben erlangen wollte, dann - belehrte ihn Jesus - muss er dieses eine grosse Hindernis in seinem Leben aufgeben. Menschlich gesprochen ist es geradezu unmöglich, dass ein Reicher in den Himmel kommt, wie auch dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht. Menschliche Bemühungen können niemanden erretten. Nur durch die Gnade Gottes erlangen die Reichen wie die Armen das Heil. Schliesslich versprach Jesus ewige Vergeltung jenen, die seine wahren Nachfolger werden.

VORSCHAU: Lektion 9, „Jesus in Jerusalem“ berichtet schliesslich von Jesu Einzug in Jerusalem und der wachsenden Stärke der Auseinandersetzung zwischen ihm und seinen Gegnern. Der Text für diese Lektion ist Lukas 18,31 - 21,38.