Lukas-11: Der letzte Konflikt (Teil 2)

Jesus, der Menschensohn

Arbeitsblatt

 

FESTNAHME, PROZESS UND KREUZIGUNG JESU

 

A.  Die Festnahme Jesu (22,47-53)

B.  Verleugnung des Petrus (22,54-62)

C.  Der jüdische Prozess (22,63-71)

D.  Jesus vor Pilatus und Herodes (23,1-25)

E.  Jesus unterwegs nach Golgatha (23,26-31)

F.  Die Kreuzigung Jesu Christi (23,33-49)

 

A. DIE FESTNAHME JESU (22,47-53)
Während er noch die letzten Worte seinen Jüngern sagt, erscheint eine grosse Menge von Juden, die von Judas angeführt wird. Judas trat vor, um ihn mit einem Kuss zu verraten. (Erinnern wir uns, dass es Nacht war, Jesus und seine Jünger waren in einer einsamen Gegend. Jesus hatte nichts besonderes in seiner Erscheinung, das ihn von anderen Menschen unterschied, es wäre für ihn sehr leicht gewesen, zu entkommen, während die Juden den Falschen festnahmen. Doch Dunkelheit spielte in ihren bösen Absichten eine wichtige Rolle, sie enthielt aber auch das Risiko, dass Jesus fliehen konnte. Wahrscheinlich waren sie von einem solchen Fluchtversuch überzeugt und hatten darum von Judas verlangt, dass er Jesus durch den Kuss verriet.)

Noch kurz zuvor war Jesus selbst in grosser Angst. Jetzt ist er ruhig und Herr der Lage. Das beweist seine klare Rede gegenüber seinen Verfolgern: „Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Stöcken. Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis“ (Vers 52b-53).

 

B. VERLEUGNUNG DES PETRUS (22,54-62)
Aus dem Johannesevangelium lernen wir, dass Jesus zuerst zum Hause des Hannas, dem Schwiegervater des Hohenpriesters Kajaphas, gebracht wurde (siehe Joh. 18,13-14). Petrus verfolgte die Wegführung aus sicherer Distanz und tat so, als wäre er nur ein neugieriger Zuschauer. Auf die Frage eines Mädchens aber, die ihn mit Jesus gesehen hatte, leugnete Petrus das erste Mal . Noch zweimal sah sich Petrus gezwungen, Christus zu verleugnen. Nach der dritten Verleugnung hörte er den Hahn krähen und erinnerte sich an die Worte Jesu vor nur wenigen Stunden. In diesem Augenblick wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Mit einem Blick kann man so viel ausdrücken. Was aber konnte Petrus dem Blick Jesu in diesem Moment entnehmen? Waren es die Worte: „Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“? (22,34) oder waren es die Worte: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre...“ [nach deiner Verleugnung] (22,32). Was immer Petrus aus den Blicken Jesu entnahm, hat ihn zutiefst betroffen, „und er ging hinaus und weinte bitterlich.“

 

C. DER JÜDISCHE PROZESS (22,63-71)
Obgleich Jesus bis jetzt noch nicht verurteilt worden ist, behandelt man ihn offensichtlich wie jemand, über den das Urteil schon gesprochen worden ist. Und eigentlich war das auch schon geschehen. Es war in den Herzen der jüdischen Obersten schon seit langem geschehen. Der Prozess war sinnwidrig. Um aber den Buchstaben des Gesetzes zu genügen, mussten sie für den Tod Jesu eine Entschuldigung finden. So versuchten sie, ihn der Gotteslästerung zu beschuldigen. Sie fragten ihn: „So bist du also der Sohn Gottes?“ (Vers 70) Jesus wusste, dass die Antwort für den Ausgang des Prozesses keine Rolle spielte. Sagte er ja, dann würden sie es nicht glauben. Sagte er nein, dann würde er sich selbst verleugnen. So antwortete er , dass der Sohn des Menschen (ein geläufiger Ausdruck für den Messias) bald zur rechten Hand des Vaters sitzen würde (vgl. 1. Tim. 6,13). Die Juden fassten dies als eine positive Antwort auf. Wie herrlich! Nun hatten sie es von seinen eigenen Lippen vor vielen Zeugen gehört! Jetzt konnte ihn nichts mehr vor dem Kreuz bewahren. Endlich hatten sie ihn gefasst. Nach so vielen Fehlschlägen hatten sie ihn endlich in die Falle bekommen. Wie waren sie doch durch Eifersucht und Hass so blind geworden.

 

D. JESUS VOR PILATUS UND HERODES (23,1-25)
Die jüdische Obrigkeit hatte Jesus bereits zum Tode verurteilt, durfte aber selbst nicht hinrichten. Sie waren sich sicher, dass die Anklage der Gotteslästerung das Volk gegen Jesus einnehmen würde. Nun mussten sie aber auch Pilatus überzeugen, denn er musste ihn hinrichten lassen. Bei ihm brauchten sie weitergehende Anklagen. Diese Anklagen bestanden aus drei Dingen:

1. Er verdirbt das Volk, indem er es zum Ungehorsam und Aufstand gegen Rom auffordert. (Aufstände gegen die römische Herrschaft waren unter den Juden weit verbreitet und die Römer waren auf diesem Gebiet ausserordentlich wachsam und empfindlich. Sie konnten also erwarten, dass Pilatus diesen Punkt sehr ernst nehmen würde.)

2. Er lehrte die Menschen, dem Kaiser keinen Tribut zu zahlen (Mit anderen Worten, er schadet der römischen Regierung dort, wo es sie am meisten trifft, nämlich in den Finanzen.)

3. Er gibt sich als König der Juden aus (Mit dieser Anklage wollten sie ihn als gefährlichen Rebellen und Revolutionär hinstellen.)

Aus guten und offensichtlichen Gründen enttäuschte Pilatus aber die Erwartungen der Juden, die auf ein sofortiges Todesurteil hinzielten. Zu ihrem Erstaunen sagte er: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen“ (Vers 4). Warum? Pilatus traute den Juden nicht, die auf einmal die Interessen der Römer so sehr zu ihren eigenen machten. Er wusste, dass sie die römische Herrschaft hassten und wenn ihre Anklage gegen Jesus wahr gewesen wäre, dann hätten sie für und nicht gegen ihn Partei ergriffen. Als Jesus vor Pilatus erschien, war er schon geschlagen und missbraucht worden. Niemand stand ihm bei, selbst nicht ein Anwalt. Er wirkte müde und hilflos und machte keinen Versuch, sich selbst zu verteidigen. Er tat Pilatus eher leid, als dass er in ihm eine Bedrohung für seine Regierung gesehen hätte. Als er jedoch erfuhr, dass Jesus Galiläer war, sah er eine Gelegenheit, der Verantwortung in der Sache zu entgehen und schickte ihn zu Herodes. Dies war ein Akt der Schmeichelei gegen Herodes. Pilatus nützte die Gelegenheit, um die Gunst des Herodes zu gewinnen.

Wir wissen nicht, warum Herodes zu dieser Zeit in Jerusalem war, wahrscheinlich in Regierungsgeschäften oder um das Passafest dort zu begehen. Im Gegensatz zu Pilatus hatte Herodes schon viel über Jesus gehört und nahm die Gelegenheit, diesen Mann zu sehen, gerne wahr. Er hatte von den Wundern Jesu gehört und hoffte nun, Jesus ein Wunder tun zu sehen. Ohne Zweifel hätte sich Jesus durch ein Wunder vor Herodes noch jetzt - im allerletzten Moment - befreien können. Weil Herodes schon viel von Jesus wusste, konnte er ihn eine lange Zeit befragen. Zu seinem Ärger und zu seiner Enttäuschung antwortete Jesus nicht ein Wort. Verärgert befahl Herodes seinen Soldaten, ihn zum Spott in königliche Gewänder zu kleiden. Dann schickte er ihn an Pilatus zurück.

Indem Pilatus Jesus zu Herodes geschickt hatte, gewann er diesen zwar zum Freund, die Verantwortung in Bezug auf Jesus wurde er jedoch nicht los. Er rief die jüdischen Führer zusammen und teilte ihnen seine Entscheidung mit. Ihre Anklagen gegen Jesus waren nicht begründet, darum schlug Pilatus vor, Jesus einfach geisseln zu lassen. Ein hasserfüllter Aufschrei antwortete ihm. Pilatus muss darüber erschrocken gewesen sein. Gemeinsam schrien die jüdischen Führer und forderten den Tod Jesu. Pilatus verlangt erneut nach einer Begründung: „Was hat denn dieser Böses getan?“ (Vers 22) Sie aber schrien weiter und ihr Geschrei durchdrang alles. Welcher Hohn! Gottes Sohn wurde zum Tode verurteilt durch das Geschrei einer Menschenmenge. Wie durchsichtig war doch die römische Gerechtigkeit. Einer, den man dreimal für unschuldig erklärte, wurde gekreuzigt, damit man einer Handvoll einflussreicher, religiöser Führer gefiele. Barabbas, ein verurteilter Mörder, wurde freigelassen, damit der Geber des Lebens den Tod erleiden musste.

 

E. JESUS UNTERWEGS NACH GOLGATHA (23,26-31)
Wir haben davon gehört, dass manchmal Gefangene vor ihrer Hinrichtung ihr eigenes Grab schaufeln mussten. In jenen Tagen zwang man die Verurteilten, ihr Kreuz zum Ort der Hinrichtung zu tragen. Jesus war durch die Geisselung und die anderen Ereignisse der Nacht so entkräftet, dass er damit offensichtlich Schwierigkeiten hatte. Die römischen Soldaten zeigten ihre Verachtung für die Juden, indem sie einen zufällig dabeistehenden Fremden zwangen, das Kreuz für Jesus zu tragen. Er hiess Simon und stammte aus Cyrene.

Unter den Jüngern Jesu muss sich die Nachricht von seiner Festnahme herumgesprochen haben. Nun folgt ihm eine gläubige Gruppe jüdischer Frauen nach Golgatha. Jesus wendet sich ihnen zu und sagt Worte, die ihnen die ganze Bedeutung dessen, was geschieht, zeigen sollen: „Ihr Töchter Jerusalems, weinet nicht über mich, weinet vielmehr über euch und über eure Kinder! Denn siehe, es kommen Tage, wo man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gestillt haben.“ (Vers 28-29) In einer Gesellschaft, die in der Geburt eines Kindes eines der höchsten Zeichen der Gnade Gottes sah, konnten kaum härtere Worte gesprochen werden. Diese und die dann folgenden Worte beziehen sich auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. Es ist unnatürlich, dass grünes Holz brennt. Es war gleichermassen unnatürlich, dass der Un-schuldige den Tod am Kreuz erleiden musste. Wieviel schlimmer musste dann das Schicksal eines Volkes sein, das den Sohn zurückgewiesen und gekreuzigt hat?

Wir können Jesus über seine Selbstbeherrschung zu diesem Zeitpunkt nur bewundern. Er hatte weder Selbstmitleid, noch Furcht, noch versuchte er zu flüchten. Seine Worte an die Frauen zeigen, dass er nicht Mitleid suchte, sondern Glauben und Gehorsam (Heb. 5,7-9; Phil. 2,5-11).

 

F. DIE KREUZIGUNG JESU CHRISTI (23,33-49)
Wie die Verfasser der anderen Evangelien, sagt auch Lukas nichts über die Art und Weise der Kreuzigung Jesu. Er erwähnt einfach die Tatsache, dass sein Kreuz zwischen den Kreuzen zweier Diebe stand. Die Bedeutung seines Todes liegt nicht in seinen körperlichen Leiden. Der Tod am Kreuz ist ein sehr schmerzhafter Tod. Trotzdem geht es nicht um die körperlichen Schmerzen. Sein körperliches Leid war nur ein ganz schwacher Abglanz der geistlichen Schmerzen und Leiden, die er als Sündopfer auf sich nehmen musste.

Während Jesus so stirbt, stehen die Juden frohlockend dabei. Und ganz unerwartet hören sie Jesus sagen: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Vers 34) In diesem Moment kannte nur er allein die volle Grösse des Geschehens. Drei Tage danach ist er von den Toten auferstanden und die Welt ist seither nicht die gleiche geblieben.

Menschen verraten sich oft mit ihren eigenen Worten. So war es auch mit denen, die Jesus am Kreuz lästerten: „Andre hat er gerettet;“ sagten sie, „er rette sich selbst, wenn er der auserwählte Christus Gottes ist!“ (Vers 35) Damit hatten sie aber zugegeben, dass Jesus in der Tat andere gerettet hatte. Er hatte die Unheilbaren geheilt, er hatte selbst Tote auferweckt. Meinten seine Verkläger wirklich, dass er nun hilflos sei? Es war auch pure Verachtung, die Pilatus veranlasste, diese Inschrift an das Kreuz nageln zu lassen: „Dies ist der König der Juden.“ (Vers 38)

Als Pilatus auf die Jammergestalt vor sich herniedersah und befahl, sie ans Kreuz zu schlagen, dachte er wohl kaum, dass Jesus nicht nur der König der Juden, sondern sogar der König der Könige war. Es dauerte nur noch kurze Zeit, bis der Herr seinen Platz zur rechten Hand Gottes einnahm. Der Tod vereinigt oft Menschen, die sonst nichts miteinander zu tun haben, damals und heute. Jesus war ganz das Gegenteil der zwei Männer, die mit ihm gekreuzigt wurden. Beide waren Räuber. Beide waren rechtmässig zum Tode verurteilt worden. Der eine verachtet Männer wie Jesus und lästert ihn deshalb. Der andere bittet Jesus, an ihn zu denken, wenn er mit seiner Königsherrschaft kommt. Jesus verspricht ihm voller Barmherzigkeit: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“ (Vers 43). Wie immer entschied auch hier die Haltung und Einstellung des Menschen zu Jesus. Es fällt auch auf, dass diese Männer schon viel von Jesus gehört hatten, obwohl sie zur Unterwelt gehörten.

Ehe Jesus mit seiner öffentlichen Wirksamkeit begann, stellte er sich freiwillig in die sündhafte Menschheit, indem er die Taufe des Johannes auf sich nahm. Im Garten Gethsemane fiel der endgültige Entschluss, den bitteren Leidenskelch zu trinken. Schliesslich musste er am Kreuz erfahren, ganz von Gott verlassen zu sein. Es war, als ob Gott sein Angesicht eine Zeitlang verhüllte. Drei Stunden lang, und das in der Mitte des Tages, kam Finsternis über die ganze Erde. Das Gebiet wurde von einem Erdbeben erschüttert (Mt. 27,51). Und der Vorhang im Tempel, der das „Allerheiligste“ vom „Heiligtum“ trennte, zerriss von oben bis unten. Dies war das Zeichen, dass nun für alle Bussfertigen und Gläubigen der Weg frei war, in die heilige Gemeinschaft mit Gott einzutreten (Heb. 10,19-25). Es war auch ein Zeichen dafür, dass das Alte Testament seinen Zweck erfüllt hatte (Röm. 10,4), indem es auf den kommenden Christus hinwies (Gal. 3,24-25). Es war ein Zeichen, dass der Tempel und die alte Religion mit ihren Sündopfern nicht länger nötig waren. Nun war das vollkommene Opfer für die Sünde dargebracht, das für immer gilt (vgl. Heb. 9,28; 10,18).

Als Jesus sah, dass der Leidenskelch ganz geleert war, schrie er: „Es ist vollbracht!“ (Joh. 19,30) Dann sagte er: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ (Vers 46) Nachdem er sich so Gott übergeben hatte, starb er. Es war Nachmittag, drei Uhr.

Sein Tod erfüllte die Herzen der Dabeistehenden mit Furcht. Der römische Zenturion rief aus: „Dieser Mensch war in Wahrheit Gottes Sohn!“ (Mk. 15,39) Und die Volksmenge, die zugeschaut hatte, schlug sich aus Furcht vor dem schrecklichen Ereignis auf die Brust.

Die Kreuzigung Christi ist der Mittelpunkt des ganzen Heilsplans Gottes. Wir werden wohl nie ganz begreifen, warum Gott die Menschheit so erretten wollte. Wir werden auch nie ganz die Liebe erfassen können, die ihn dazu brachte, seinen einzigen Sohn zu geben (Joh. 3,16). Aber wir können und müssen Christus den Gekreuzigten predigen (1. Kor. 1,23; Apg. 4,20). Solange das Evangelium gepredigt wird, muss das Kreuz Christi das Herz dieser Botschaft sein.

VORSCHAU: In der nächsten Lektion betrachten wir den dritten Teil des letzten Konflikts, wo es um das „Begräbnis und die Auferstehung Jesu“ geht. Der Text für Lektion 12 ist Lukas 23,50 - 24,53.