Hoffnung-10: Von Schurken und Skandalen

Hoffnung in schweren Zeiten

Gedanken zusammengefasst und ergänzt,
aus dem Buch von Max Lucado: Du wirst es schaffen. 

 

Genesis 42: Die Brüder reisen nach Ägypten und treffen auf Josef (Verse 1-17)
Als die siebenjährige Hungersnot schwer auf dem Land lastete, kam die ganze umliegende Welt nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Der Pharao verwies alle zu Josef, der die Oberaufsicht über die Lebensmittel hatte. Gott setzte seinen Diener ein und übertrug ihm eine riesengrosse Verantwortung über viele Menschen und Familien. Mit dieser logistischen Meisterleistung bewies Josef grosse Fähigkeiten.

Auch das Land Kanaan litt schwer unter der Hungersnot und deshalb sandte der Vater Jakob zehn seiner Söhne nach Ägypten, um Getreide zu kaufen (ohne den Jüngsten, Benjamin). So machten sich die zehn Brüder auf die erste Reise nach Ägypten, wo sie bald auf Josef, dem Regenten über das Land, stiessen. Als sie endlich vor Josef standen warfen sie sich vor ihm nieder ohne zu wissen, dass das ihr Bruder war. So erfüllten sich die Träume, die Gott dem Josef als Jüngling gab (Gen 37,7.9-10).

Buch, Kapitel 10: Von Skandalen und Schurken
Josef hatte es nicht verdient, von seinen Brüdern verkauft zu werden. Zugegeben, er trug Mitschuld an den Spannungen in der Familie. Er gab mit seinen Träumen an und verpetzte seine Brüder (Gen 37,2). Trotzdem verdiente er es nicht, in ein Loch geworfen und anschliessend an Sklavenhändler verkauft zu werden.

Die ganze Familiengeschichte ist eine Katastrophe. Das erste Buch Mose ist voll von solchen Familienkatastrophen. Es fängt an mit Adam, der die Schuld Eva zuschob. Kain, der seinen jüngeren Bruder Abel ermordete. Abraham, der mit der Magd Nachkommen zeugte. Jakob, der den Segen Isaaks erlistete und später mit vier Frauen einen Haufen Kinder zeugte, unter denen er Eifersucht und Hass schürte, statt Liebe. Jakob hätte ein Seminar über Ehe- und Familienbeziehungen sehr gut getan. Zuerst heiratete er eine Frau, die er nicht liebte, um eine andere heiraten zu können, die er liebte. Dazu kommt, dass diese beiden Frauen Schwestern waren. Das ist, als würde man ein brennendes Streichholz in einen Haufen von Feuerwerkskörpern werfen. Die eine Frau war fruchtbar, die andere nicht. Um seine Sippe zu vergrössern, schlief Jakob mit beiden Frauen, samt den Nebenfrauen und zeugte eine Horde Kinder. Seine Lieblingsfrau Rahel starb nach der Geburt des zweiten Kindes und hinterliess ihren Mann mit einem zerstrittenen Haushalt und einem zerbrochenen Herzen. Statt die Führung in der Familie zu übernehmen, zog er sich immer mehr zurück und überliess die Söhne dem Zufall. So richteten sie in Schechem ein Blutbad an, als sie die Vergewaltigung ihrer Schwester Dina rächten (Gen 34). Anschliessend misstraute er ihnen und schickte den Jüngsten nach ihnen zu sehen und ihm Bericht zu erstatten, was seine Aufgabe gewesen wäre. Die zehn Söhne hätten ihren Vater gebraucht und Josef hätte beschützt werden müssen. Aber Josef wurde nicht beschützt, sondern vernachlässigt und deshalb nahm die Geschichte einen katastrophalen Lauf.

Zwanzig Jahre später, als Josef schon fast zehn Jahre lang Premierminister in Ägypten war, sah er seine Brüder das erste Mal wieder. Josef erkannte sie sofort, als sie in der Schlange anstanden, aber er gab sich ihnen nicht zu erkennen. Sein reiferes Alter, sein rasiertes Gesicht, seine ägyptische Kleidung und Sprache, ja sein ganzer Auftritt als ägyptischer Regent liess die Brüder nichts ahnen. Josef wurde ihnen mit seinem ägyptischen Namen vorgestellt und er redete zu ihnen durch einen Dolmetscher (Gen 42,23).

Die Brüder redeten Josef an mit „Herr“ und unterwarfen sich ihm als seine „Diener“, die „ehrliche Leute“ seien und nur Getreide kaufen wollten. Wie ehrlich sie wirklich waren wissen wir aus der ganzen Geschichte. Mindestens bekannten sie ihm offen ihre Familiengeschichte und weshalb sie bloss zehn und nicht zwölf waren. Einer sei gestorben (damit meinten sie Josef) und der Jüngste sei zu Hause beim Vater Jakob geblieben. Die Brüder hätten niemals erwartet, dass ihr jüngerer Bruder vor ihnen stand. Auch Josef hatte nicht damit gerechnet, seine Brüder je wieder zu sehen. Als sie sich vor ihm verneigten, erinnerte er sich an seine Träume. Dann fuhr er sie hart an und bezichtigte sie zwei Mal als Kundschafter, die das Land ausspionieren wollten, um es später anzugreifen und einzunehmen.

Josef war mit dieser Situation überfordert. Für die Hungersnot vorzusorgen und anschliessend die angehäuften Reserven zu organisieren war für ihn offensichtlich nicht so ein grosses Problem wie seine zehn Brüder, die nun vor ihm standen. Josef hätte sich dem Problem schon lange stellen können, doch er zog es vor, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er hätte zum Beispiel mit einer Armee losmarschieren und in Kanaan sich an seinen Brüdern rächen können. Er hätte seinen Vater schon lange benachrichtigen oder gar nach Ägypten holen können, doch er behielt seine Familiengeschichte wie ein Geheimnis für sich. Doch Gott nicht. Für Gott ist Wiederherstellung wichtig (2Kor 5,18-21). Zu einem geheilten Herzen gehört eine geheilte Vergangenheit. Deshalb brachte der allmächtige Gott die ganze Sache in Bewegung. Und so liess Gott eine Hungersnot über die Erde hereinbrechen.

Überall herrschte Hungersnot und aus allen umliegenden Ländern wurden die Menschen gezwungen, bei Josef in Ägypten Getreide zu kaufen (Gen 41,57). Josef erkannte seine Brüder an den Bärten, der Kleidung und der Sprache. Sie sahen alt, blass und abgemagert aus. Ihre Haare und Bärte waren inzwischen gräulich geworden. Die Kleidung klebte an ihren Beinen und ihre Gesichter waren schmutzig vom Strassenstaub. Die Hebräer stachen aus dem vornehmen Ägypten heraus wie Hinterwäldler zu Weihnachten an der Bahnhofstrasse in Zürich.

Josef gab sich trotz der Bemühungen der Brüder hart und unnachgiebig. Jetzt war er an der Reihe, seinen Brüdern die kalte Schulter zu zeigen und ihre Bitte um Hilfe zu ignorieren, wie sie es damals mit ihm taten. Er hätte sie mit leeren Händen zurück schicken können, aber er tat das nicht. Er stellte sie aber auf die Probe indem er ihnen misstraute und befahl, entweder ihren jüngsten Bruder in Kanaan zu holen oder sich als Spione verdächtig zu machen. Anschliessend liess er sie für drei Tage ins Gefängnis setzen. Vielleicht war es dasselbe Gefängnis, indem er selbst mindestens zwei Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Josef machte den ersten Schritt und liess sich damit auf den Weg der Versöhnung ein. Ein langer und beschwerlicher Prozess begann, der in der Bibel mindestens vier Kapitel dauerte und auf dem Kalender mindestens ein Jahr. Zuerst war Josef unhöflich, verschwieg wer er war, machte falsche Anschuldigungen, liess seine Brüder ins Gefängnis werfen, stellte Bedingungen und behielt einen von ihnen als Geisel zurück. Dann aber setzte er kleine Zeichen des Erbarmens und der Gnade, indem er seinen Brüdern die Säcke mit Getreide füllte und ihnen heimlich das Geld oben drauf legte, dass sie dafür bezahlt hatten.

Schlussfolgerungen
Vielleicht tragen auch wir Verletzungen aus der Kindheit mit uns herum. Gibt es einige traurige Kapitel in der Geschichte Deiner Familie? Hat die Familie Dich im Stich gelassen? Hat niemand sich um Dich gekümmert? Trotzdem hast Du Dich durchgeschlagen im Leben und das Beste daraus gemacht? Hast Du eine eigene Familie gegründet und bist froh, „Kanaan“ verlassen zu haben? Aber Gott ist nicht froh darüber!

Der Herr will nicht nur unser Herz, sondern er will, dass unser Herz ganz wird. Warum? Weil verletzte Menschen andere Menschen verletzen. Darum möchte Gott Dir helfen, damit Deine Verletzungen heilen. Verletzungen, die uns durch die eigene Familie zugefügt werden, heilen besonders langsam. Mit alten Verletzungen konfrontiert zu werden kann uns ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen. Trotzdem ist es wichtig, sich mit Verletzungen auseinander zu setzen, damit sie geheilt werden können. Deine Vergangenheit muss nicht auch Deine Zukunft sein. Wir können dem Unglück der Vergangenheit ein Ende bereiten (Röm 12,2). Wir müssen nicht das Böse unseren Kindern weitergeben, das uns angetan wurde. Wir müssen nicht mit Fehlinformationen über uns selbst weiterleben, wie: „Du bist dumm.“ „Du bist böse.“ „Du bist unfähig.“

Du bist nicht das, was andere über Dich behauptet haben, um Dich zu verletzen. Du bist ein geliebtes Kind Gottes! Du bist Gottes Geschöpf! Gott liebt Dich und hat mit Dir einen Plan: Du bist auserwählt für den Himmel. Darum, lass dich von Gott auf den Weg der Versöhnung führen, wie Josef.  Wenn Gott die Familie Jakobs heilen konnte, vermag er dann nicht auch Deine Familie zu heilen? Welches kleine Zeichen des Erbarmens und der Gnade gegenüber einem Mitglied Deiner Familie wünscht sich Gott vielleicht von Dir?