Auslegung-20: Grundlagen zur Anwendung des Wortes Gottes

Auslegung der Bibel

 

Es ist befremdend festzustellen, wie viele Lehrer der Bibel sich so sehr in den Fragen der Glaubenslehre und der praktischen Anwendung von einander unterscheiden! Warum ist das so? Dazu gibt es nur eine Antwort: Sie benutzen die Bibel unterschiedlich; einige verstehen sie nicht oder wenden sie nicht korrekt an. Nicht die Bibel ist am unterschiedlichen Verständnis schuld! Es ist umso wichtiger, dass wir die Bibel richtig lernen zu lesen, zu studieren und entsprechend anzuwenden.

Im zweiten Timotheusbrief wird die Notwendigkeit, die Bibel richtig zu gebrauchen, betont (2 Tim 2,15): „Strebe danach, dich Gott bewährt zur Verfügung zu stellen als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit in gerader Richtung schneidet.“

Was bedeutet die Aussage „in gerader Richtung schneiden“ (Elberfelder)? Verschiedene Übersetzungen gebrauchen dazu unterschiedliche Formulierungen, wie zum Beispiel:

Zürcher Bibel: „... sondern das Wort der Wahrheit unbeirrt ausrichtet.“

Lutherübersetzung: „... der das Wort der Wahrheit recht austeilt.“

Einheitsübersetzung: „... als ein Mann, der offen und klar die wahre Lehre vertritt.“

Neue Genfer Übersetzung: „... der die Botschaft der Wahrheit unverfälscht weitergibt.“

Die zitierte Elberfelder Bibel trifft den Nagel auf den Kopf. Es ist, wie wenn wir mit einer Schere einen Bogen Papier in zwei gleichgrosse Teile schneiden. Dazu ist es notwendig, dass wir den Bogen gerade anschneiden, d. h. nicht abweichen von der geraden Linie. Diese Aufforderung wendet sich besonders an Lehrer des Wortes Gottes. Die Schriften sollen sorgfältig und genau gelehrt werden, ohne vom Wort der Wahrheit abzuweichen. B. W. Johnson sagte: „Es geht darum, die Wahrheit klar zu präsentieren, wahrheitsgetreu, ohne Fehler und mit einer Genauigkeit, die nicht angefochten werden kann.“

Um das Wort der Wahrheit in gerader Richtung zu schneiden, ist es notwendig, dass wir Unterschei-dungen vornehmen, wenn wir die Bibel verstehen und auf die heutige Zeit anwenden wollen. Dazu werden wir vier Entscheidungen und vier wichtige Unterscheidungen betrachten.

Entscheidung 1: Das Wort Gottes über das Wort von Menschen setzen

Im ersten Thessalonicherbrief (2,13) spricht Paulus von „Gottes Wort“ und von „Menschenwort“:

„Und darum danken auch wir Gott unablässig, dass, als ihr von uns das Wort der Kunde von Gott empfingt, ihr es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das in euch, den Glaubenden, auch wirkt.“

Die Menschheit hat schon viele Bücher und Artikel verfasst, manche sind gut, andere schlecht, manche sind wahr, andere unwahr. Es ist nichts Schlechtes über christliche Themen zu schreiben. Viele wurden aufgeklärt, ermutigt, weitergebildet und bekehrten sich auf Grund dessen, was sie von christlichen Schreibern lasen. Es ist auch nichts Falsches belesen zu sein und von dem, was andere schreiben, geistlich zu profitieren. Es muss allerdings gesagt werden, dass keine von Menschen verfasste Schrift dem Wort Gottes gleichwertig ist. Alles, was Menschen schreiben über den christlichen Glauben, muss sorgfältig an Hand des Wortes Gottes überprüft werden.

Nichts ist mit der Bibel vergleichbar! Sie allein ist „von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig zugerüstet“ (2 Tim 3,16-17).

Darum gilt es, die Bibel ehrfürchtig anzugehen im Bewusstsein, dass wir es mit dem Wort Gottes zu tun haben. Wenn wir die Bibel lesen, dann stehen wir sozusagen auf „heiligem Boden“ (Ex 3,5). Niemand darf es wagen, Gottes Botschaft zu verändern oder gering zu schätzen. Deshalb gilt es, sich bei der Anwendung bewusst zu sein, dass das, was sie selbst sagt, wichtiger ist, als jede Schlussfolgerung, die irgendein Mensch daraus gezogen hat.

Entscheidung 2: Festhalten an dem, was die Bibel lehrt und nicht an unseren Wunschvorstellungen

Wenn wir die Schriften richtig anwenden, dann geben wir den Aussagen der Bibel mehr Gewicht, als dem was wir glauben wollen. Die natürliche menschliche Tendenz ist es, nach Lehrern zu suchen, die das sagen, was wir hören und glauben wollen, d. h. was wir anziehend finden. Jeremia sah diese Tendenz klar in seinen Tagen (Jer 5,30-31):

„Entsetzliches und Abscheuliches ist im Land geschehen: die Propheten weissagen falsch, und die Priester herrschen auf eigene Faust, und mein Volk liebt es so. Was werdet ihr aber am Ende von [all] dem tun?“

Paulus sprach von ähnlichen Ereignissen (2 Tim 4,3-4):

„Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden.“

Es gibt Ideen, denen wir gerne Glauben schenken. Zu gerne würden wir vielleicht glauben, dass es bei der ewigen Strafe um eine völlige Vernichtung geht. Wir glauben lieber, dass unbussfertige Sünder, die verurteilt werden, aufhören zu existieren und nicht in alle Ewigkeit gepeinigt werden in der Hölle. Dennoch, wenn die Bibel etwas anderes lehrt als das, was wir glauben wollen, dann gilt es ihre Lehre anzunehmen. Warum? Weil wir Gottes Wahrheit über alles andere stellen müssen, egal wie schwierig es uns fällt, sie anzunehmen. Die Konsequenzen sind furchterregend für den, der Gottes Wahrheit nicht liebt. Paulus sprach vom Kommen des Gesetzlosen und den Konsequenzen für die, welche die Wahrheit nicht lieben (2 Thess 2,9-12):

„... [ihn], dessen Ankunft gemäss der Wirksamkeit des Satans erfolgt mit jeder Machttat und mit Zeichen und Wundern der Lüge und mit jedem Betrug der Ungerechtigkeit für die, welche verloren gehen, dafür, dass sie die Liebe der Wahrheit zu ihrer Rettung nicht angenommen haben. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit.“

Wie befremdend ist es doch zu lesen, dass Gott „eine wirksame Kraft des Irrwahns“ sendet, damit Menschen „der Lüge glauben“! Menschen, die „die Liebe der Wahrheit zu ihrer Rettung nicht ange-nommen haben“ sind besonders leicht zu betrügen. Wenn wir Gottes Segen empfangen wollen, dann müssen wir Seine Wahrheit lieben.

Wenn wir also die Bibel für uns anwenden wollen, dann sollten wir uns fragen: „Halte ich eine bestimmte Lehre für wahr, weil ich sie glauben möchte oder weil sie wahr ist – weil die Bibel dies so lehrt?“

Entscheidung 3: Sorgfältig und genau studieren, statt es locker zu nehmen

Um die göttliche Wahrheit erkennen zu können, müssen wir uns entscheiden, sorgfältig und genau zu studieren und dürfen es niemals locker nehmen. Jesus sagte, „sucht, und ihr werdet finden“ (Mt 7,7); damit meinte er hartnäckiges Suchen. Er sagte auch (Mt 5,6): „Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.“ Jesus spricht bewusst von quälendem Hunger und Durst, die zu äussersten Anstrengungen führen.

Warum lernen wir manchmal nichts, wenn wir die Bibel studieren? Häufig ist es deshalb, weil wir uns nicht hart genug darum bemühen etwas lernen zu wollen. Viele Menschen kommen nie zur Erkenntnis der Wahrheit, weil sie sich zu wenig dafür interessieren. Selbst, wenn die Antwort aus einem Bibeltext klar hervorgeht, geben sie zu schnell auf und lassen ihre Fragen unbeantwortet. Dabei nützt es oft auch nichts, wenn sie jemand darauf aufmerksam macht, denn sie behaupten, „das ist bloss deine Auslegung“ oder „das kann ich nicht annehmen“. Können wir uns jemand vorstellen, der in einer lebensbedrohlichen Situation so reagiert?

Wer die klare biblische Lehre zurückweist, handelt wie ein Gemeindevorsteher im folgenden Beispiel. Nachdem die Gesundheitsbehörde das Wasser eines Dorfes inspiziert hatte, wollte sie helfen, eine neue Quelle zu finden. Um dem zuständigen Vorsteher die Ernsthaftigkeit des Problems bewusst zu machen, zeigten sie ihm einen Tropfen des Trinkwassers unter dem Mikroskop. Damit konnten tausende der gefährlichen Mikroben festgestellt werden. „Was wollen Sie nun tun?“, fragte der Mitarbeiter. Der Gemeindevorsteher antwortete: „Wir zerstören das Mikroskop.“

Was gilt es zu tun, wenn wir das Wort Gottes richtig verstehen und anwenden wollen? Wir müssen danach streben (2 Tim 2,15), alles daran zusetzen und uns aufrichtig bemühen herauszufinden, was Gottes Wort heute im 21. Jahrhundert von uns verlangt.

Entscheidung 4: Sich an Gottes Wort halten, statt an Lehren von Menschen

Jesus betonte die Wichtigkeit, am Wort Gottes festzuhalten und nicht an den Lehren der Menschen. Als die Pharisäer die Jünger Jesu beschuldigten, die Traditionen der Alten zu brechen (Mt 15,1-9), weil sie die Hände vor dem Essen nicht rituell gereinigt hatten, gab Jesus ihnen zur Antwort, dass sie wegen ihrer hochgehaltenen Traditionen die Gebote Gottes verletzten. Konkret befahl Gott die Eltern zu ehren. Stattdessen sagten ihre Traditionen, dass eine Gabe für Gott sie von der Unterstützung der Eltern befreie. Jesus erklärte (Mt 15,6-9):

„... der braucht seinen Vater oder seine Mutter nicht zu ehren; und ihr habt so das Wort Gottes ungültig gemacht um eurer Überlieferung willen. Heuchler! Treffend hat Jesaja über euch geweissagt, indem er spricht: ‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.’“

Die Vorschriften (oder Lehren) der Menschen dürfen nicht vermeintlich für Gebote Gottes gehalten werden. Warum müssen wir Gottes Wort mit Sorgfalt hochhalten? Weil es heute genauso viele falsche Lehrer gibt wie in biblischer Zeit. Jesus sagte (Mt 7,15): „Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reissende Wölfe.“ Falsche Lehrer machen mit ihren Überlieferungen das Wort Gottes noch immer ungültig oder nichtig (Mt 15,6).

Wie können wir feststellen, wer falsch lehrt? Niemals an der äusseren Erscheinung, denn die Wölfe kommen in Schafskleidern daher. Vielmehr gilt es anhand des Wortes Gottes zu erkennen, wer falsch lehrt. Es ist notwendig die edle Gesinnung der Beröer zu pflegen bei allem was wir von Menschen hören oder lesen. „Sie nahmen mit aller Bereitwilligkeit das Wort auf und untersuchten täglich die Schriften, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11). Jede Lehre, die dem Wort Gottes widerspricht, gilt es von sich zu weisen.

Unterscheidung 1: Was wir aus der Bibel wissen können und was nicht

Während wir uns bemühen, Gottes Wort in unserem Leben anzuwenden, müssen wir unterscheiden zwischen dem, was wir aus der Bibel wissen können und dem, was uns die Bibel nicht sagt, d. h. zwischen den offenbarten und den verhüllten Dingen. Es ist offensichtlich, dass wir einiges aus der Bibel erkennen können und müssen. In Johannes 8,32 wird gesagt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Gleichzeitig können wir auch erkennen, dass Gott einige Wahrheiten für sich behält, einige verhüllte Wahrheiten, die nur er weiss (Dtn 29,29). Die Bibel offenbart zum Beispiel nicht, woher Gott kam (ausgenommen, dass Gott immer existierte), woher Kain seine Frau bekam, oder wann Jesus sich seiner Gottheit bewusst wurde. Sollten wir deshalb unsere Energie und Zeit damit ver-schwenden, solchen Fragen nachzugehen? Paulus warnt die Gläubigen, „man solle nicht Wortstreit führen, was zu nichts nütze, [sondern] zum Verderben der Zuhörer ist“ (2 Tim 2,14-16). Spekulationen über Dinge, die uns nicht offenbart wurden, können nur zu Wortstreitigkeiten führen, deshalb gilt es sie zu vermeiden.

Vielmehr sollten wir die Tatsache akzeptieren, dass die Bibel nicht alle Fragen beantwortet! Während wir einerseits versuchen zu entdecken, was wir aus der Bibel für unseren Glauben lernen können, sollten wir uns andererseits damit begnügen, was die Bibel offenbart und uns nicht damit befassen, was sie uns nicht enthüllt. Wir sollten uns also auf die Fragen konzentrieren, für die die Bibel eine Antwort hat.

Unterscheidung 2: Was leicht- und was schwerverständlich ist

Wir sollten unterscheiden zwischen dem was in den Schriften leicht- und dem, was schwerverständlich ist, zwischen „Milch“ und „Fleisch“, d. h. fester Speise. Die Schreiber des Neuen Testaments machten einen solchen Unterschied (Hebr 5,12-14):

„Denn während ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, habt ihr wieder nötig, dass man euch lehre, was die Anfangsgründe der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise. Denn jeder, der noch Milch geniesst, ist richtiger Rede unkundig, denn er ist ein Unmündiger; die feste Speise aber ist für Erwachsene, die infolge der Gewöhnung geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten wie auch des Bösen.“

Im 1. Korinther 3 spricht Paulus zu einigen Brüdern als zu „Fleischlichen“ und „zu Unmündigen in Christus“ (V. 1). Er erklärt ihnen weiter in Vers 2: „Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht.“ Im 2. Petrusbrief lesen wir (2 Petr 3,15-16):

„Und seht in der Langmut unseres Herrn die Rettung, wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen Briefen, wenn er in ihnen von diesen Dingen redet. In diesen Briefen ist einiges schwer zu verstehen, was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben.“

Welche wichtigen Tatsachen können in diesen Stellen gefunden werden? (1) Paulus war in seinen Schriften mit Petrus einer Meinung; sie waren zwei „geliebte Brüder“. Es gab keine unterschiedlichen Glaubenslehren zwischen den beiden. (2) Die Briefe des Paulus zählen zu den heiligen Schriften und sind daher inspiriert. (3) Die Briefe des Paulus enthalten einige schwer verständliche Dinge. Doch die Tatsache, dass nur „einiges schwer zu verstehen“ ist bedeutet andererseits, dass es einiges oder vieles gibt, das leicht verständlich ist. Das heisst, das Meiste ist leicht verständlich. Weder die Schriften des Paulus noch die übrigen Schriften waren dazu gedacht, dass sie hauptsächlich schwer verständlich sind. (4) Die wenigen Dinge, die schwerer zu verstehen sind, führen nicht zwingend ins Verderben. Sie sind nur für die Unwissenden und Ungefestigten ein Stolperstein. (5) Ins Verderben bringen die schwer verständlichen Stellen die Unwissenden und Ungefestigten nur dann, wenn sie sie missbrauchen, indem sie diese Stellen verdrehen.

Aus diesen Versen lernen wir, dass einiges in der Bibel zwar schwieriger zu verstehen ist, aber das Meiste ist verständlich und einfach zu begreifen. Wenn wir also entdecken wollen, was die Bibel lehrt, dann sollten wir uns zuerst mit den Stellen befassen, die uns Gottes Willen klar offenbaren.

Gerade am Anfang sollten wir uns zuerst mit leichter verständlichen Stellen befassen, statt mit den schwierigen, wie sie beispielsweise in der Offenbarung vorkommen. Bei unseren Bemühungen die Bibel auszulegen geht es also darum, die eindeutigen Stellen zu verstehen und ihnen zu gehorchen. Mark Twain sagte: „Es sind nicht die Stellen, die ich nicht verstehe, welche mich beunruhigen, sondern die, welche ich verstehe.“ Jeder kann sich die Frage selbst stellen: „Bin ich den Stellen, die ich verstehe, gehorsam gewesen?“

Unterscheidung 3: Der Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament

Die Bibel macht einen Unterschied zwischen dem Bund, der im Alten Testament vorgestellt wird und dem im Neuen Testament. Hebräer 8,13 erwähnt zwei Bündnisse (und weist auf eine Stelle in Jeremia 31 hin, die vom kommenden neuen Bund spricht); der neue Bund und der erste Bund: „Indem er von einem neuen Bund spricht, hat er den ersten für veraltet erklärt; was aber veraltet ist und sich überlebt hat, ist dem Verschwinden nahe.“ Da die Bibel zwischen zwei Bündnissen unterscheidet, müssen wir das ebenso tun.

Weiter lehrt das Neue Testament, dass Christus das Gesetz weggetan hat (siehe Gal 3,24-25; Eph 2,15). Daraus folgern wir, dass wir nicht mehr länger an das Gesetz des Alten Testaments gebunden sind. Sicher ist es wertvoll, das Alte Testament zu studieren, aber es wird von uns nicht verlangt, dass wir den Auflagen und Gesetzen, die darin zu finden sind, gehorchen müssen.

Wir können nicht leichtfertig sagen, „die Bibel lehrt ...“ ohne konkret zu wissen, wo etwas in der Bibel gelehrt wird. Nicht jede biblische Aussage muss für uns bestimmt sein, denn es gibt Gebote, die nur den Gläubigen unter dem Alten Testament geben wurden und nicht uns. Obschon die ganze Bibel wichtig ist, zählt das Neue Testament zu dem Teil der Bibel, den es für uns heute anzuwenden gilt. Um also zu wissen, wie wir in unserem Zeitalter leben und was wir tun sollen, um Gott zu gefallen, müssen wir uns mit dem Neuen Testament auseinander setzen und nicht mit dem Alten.

Unterscheidung 4: Was für uns bindend ist und was nicht

Jesus unterscheidet, was von den Menschen verlangt wird und was nicht. Er sprach von „binden“ und von „lösen“, indem er Petrus erklärte (Mt 16,19): „Und ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was immer du auf der Erde binden wirst, wird in den Himmeln gebunden sein, und was immer du auf der Erde lösen wirst, wird in den Himmeln gelöst sein.“ In dieser Stelle steht „binden“ für das, was Gott verlangt und „lösen“ bezieht sich auf das, was Gott nicht verlangt.

Zur Zeit des Neuen Testaments tendierten einige Christen zu „lösen“ was Gott „binden“ wollte. Zum Beispiel wurden Gläubige aufgerufen sich zu versammeln, doch einige unterliessen dies zu tun (Hebr 10,25). Andere versuchten zu „binden“ was Gott „lösen“ wollte. Besonders einige Juden wollten die Beschneidung für Heidenchristen als Heilsnotwendigkeit einführen und versuchten damit etwas zu verlangen, was Gott nicht verlangte.

Auf ähnliche Weise können auch wir heute etwas lösen, was Gott gebunden hat, oder binden, was Gott gelöst hat. Der grosse Missionsbefehl im Matthäus 28,18-20 bindet folgende Dinge: Wir müssen gehen, wir müssen Jünger machen, wir müssen taufen und wir müssen die Getauften lehren. Der Missionsbefehl löst aber auch folgende Dinge: Wir sind frei zu wählen wie wir gehen und welche Methoden wir anwenden, um zu Lehren. Wenn jemand behaupten würde, dass wir dazu nur den Bus benützen dürfen, dann bindet er, was Gott gelöst hat.

Eine andere Art dieses Prinzip auszudrücken ist, zu unterscheiden zwischen dem Wesentlichen und dem Zweckmässigen. Der wesentliche Aspekt zum grossen Missionsbefehl ist zu gehen, Jünger zu machen, zu taufen und zu lehren. Diese Auflagen geben uns keine Wahl, denn es gilt die Gebote Christi zu befolgen. Doch wie wir gehen, ob mit dem Flugzeug, dem Schiff, dem Zug, dem Auto oder Fahrrad – und wie wir lehren, ob privat oder öffentlich, durch das Radio, durch den Fernseher oder durch gedrucktes Material – sind Angelegenheiten der Zweckmässigkeit. Wir haben beides, das Recht und die Verpflichtung, zu wählen was am zweckmässigsten ist, um das zu erreichen, was Gott befohlen hat.

Während wir versuchen zu bestimmen, wie das Neue Testament in Bezug auf die heutige Gemeinde richtig angewandt werden soll, müssen wir zuerst einmal anerkennen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Wesentlichen und dem Zweckmässigen. Manchmal ist es schwierig, diesen Unterschied zu machen. Wenn wir aber zugeben, dass es diesen Unterschied gibt, ist dies der erste Schritt, um sicher zu gehen, dass wir alles binden, was Gott gebunden hat und nur lösen, was Gott gelöst hat.

Schlussfolgerung

Es könnte noch viel mehr darüber gesagt werden, wie wir Gottes Wort für uns anwenden sollen. Wenn wir uns aber die vier Entscheidungen und die vier Unterscheidungen bewusst machen, dann werden wir letztendlich einen guten Weg finden, Gottes Wort zu verstehen mit dem, was es uns zu sagen hat. Wichtig ist:

• Wir müssen verstehen, dass die Bibel das inspirierte Wort Gottes ist.

• Wir müssen unsere eigenen Vorstellungen, was wir glauben möchten auf die Seite legen, wenn sie im Konflikt zur Lehre Gottes stehen.

• Wir müssen gewissenhaft studieren.

• Wir müssen unsere Lehre durch das Wort prüfen und alles ablehnen, was die Schriften nicht bestätigen.

• Wir dürfen nicht erwarten, dass wir für jede Frage eine Antwort finden.

• Wir müssen mit den Wahrheiten beginnen, die leicht zu verstehen sind.

• Wir müssen das Neue Testament als den Teil der Schriften anerkennen, der für uns Menschen heute besondere Anwendung findet.

• Wir müssen den Unterschied zwischen den Dingen erkennen, die von uns im Neuen Testament ausdrücklich verlangt werden und jenen, die nicht verlangt werden – zwischen den Fragen der Glaubenslehre und den Fragen der Zweckmässigkeit.

Einen Nutzen von unserem Wissen über die Auslegung und die Anwendung der Schrift haben wir erst, wenn wir das Verlangte auch tun.

Gottes Wort zu kennen nützt nicht viel,
wenn wir es ablehnen,
Seinem Wort zu gehorchen