Auslegung-21: Anwendung von Texten ... (Teil 1)

Auslegung der Bibel [1]


Einstieg: Wir sollten uns fragen, „betrifft die Bibelstelle ein bestimmtes Thema?“ oder, „wie weit bezieht sich die Bibelstelle auf unsere Glaubensüberzeugungen und unser gesamtes Weltbild?“ Erst dann kann die ausgelegte Bibelstelle richtig auf unseren Glauben angewandt werden.

Ein grundsätzliches Verständnis von Gottes Willen für uns Menschen ist unumgänglich, um die Bibel für unser tägliches Leben auszulegen. Erkenntnis kommt vor der Anwendung. Wir brauchen also zuerst das richtige Verständnis über die Lehren Gottes (wörtlich: Theologie), bevor wir seinen Willen tun können.

Das Streben nach dem richtigen Verständnis für Gottes Wort, nennen wir „theologische Auslegung“. Wenn wir also diese Bezeichnung „theologische Auslegung“ benutzen, dann meinen wir damit das, was die Bibel über Themen von Gott, Christus und der Gemeinde lehrt.

Manchmal beginnt unser Studium nicht mit dem Wunsch, nur eine bestimmte Schriftstelle zu verstehen, sondern mit der Frage: „Was lehrt die Bibel in Bezug auf den Heiligen Geist?“ Ein anderes Mal lesen wir die Bibel und entdecken dabei ein bestimmtes Thema, das wir eingehender studieren wollen. Wie können wir die Bibel anwenden, um unsere Fragen zu beantworten? Welche Prinzipien sollten wir beachten, wenn wir versuchen, biblische Wahrheiten für unser tägliches Leben besser zu verstehen?

Die Voraussetzung dafür ist, festzuhalten an dem, was die ersten Christen zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments glaubten und lehrten. Das heisst: Was im ersten Jahrhundert galt, das gilt grundsätzlich heute noch – auch für uns. Die Frage ist: Wie finden wir heraus, was die ersten Christen glaubten und lehrten? In dieser, wie auch in der folgenden Lektion machen wir vier Vorschläge, die uns helfen sollen, unterschiedliche Themen der Bibel zu verstehen.

Schaue auf die offensichtliche Bedeutung und Anwendung!

Der erste Vorschlag, dem wir Beachtung schenken sollten, ist die offensichtliche Bedeutung einer Stelle oder eines Themas zu suchen. Denn es gilt immer das zu betonen, was die Bibel offensichtlich lehrt.

Wer nach der offensichtlichen Bedeutung eines Textes Ausschau hält, der schliesst versteckte, bildliche oder gleichnishafte Bedeutungen aus und verfällt weniger der Gefahr einer eigenen Auslegung. Es kann allerdings in einem zweiten Schritt manchmal auch sehr wertvoll sein, eine bildhafte oder gleichnishafte Sprache zu erkennen oder eine spekulative Bedeutung des Schreibers hinein zu interpretieren. Die erste und wichtigste Regel bei der Auslegung ist es jedoch, den Bibeltext grundsätzlich so zu verstehen, wie er geschrieben steht. Die meisten Schriftstellen können ohne versteckte Bedeutungen und zusätzliche Interpretationen gelesen und verstanden werden, so dass wir ausreichend erkennen können, wie wir in Christus gerettet werden.

Thema 1: Jesus als Mensch und Gottheit
Die Bibel lehrt offensichtlich, dass Jesus der Sohn Gottes war und ist (Mt 16,16; Mk 1,1; Joh 10,22-36). Sie lehrt auch, dass Jesus ein Mensch war (Lk 19,10; 1 Tim 2,5). Wie kann beides wahr sein? Wie kann eine Person göttlich und menschlich zugleich sein? Die Schwierigkeit dieses Konzept zu verstehen, dass Jesus das „Wort“ war, welches wiederum Gott war (Joh 1,1) und dazu noch Fleisch wurde (Joh 1,14), ist offensichtlich nicht so einfach zu verstehen, deshalb führte es auch in der frühen Gemeinde während Jahrhunderten zu grossen Meinungsunterschieden. Gelehrte kämpfen bis heute mit diesem Konzept.

Kurse in systematischer Theologie verbringen Stunden damit zu definieren, wie Jesus beides zugleich sein konnte: Gott und Mensch. Heute noch gibt es viele ketzerische Lehrer, die entweder die Gottheit Jesu verleugnen oder ihn als Mensch ablehnen.

Was soll nun der durchschnittliche Bibelforscher in Bezug auf diese schwerverständliche Lehre glauben und lehren? Es gilt in erster Linie auf die offensichtliche Bedeutung zu achten und sie zu betonen. Wenn wir fragen: „Was lehrt die Bibel über Jesus?“, dann müssen wir antworten: „Sie lehrt, dass er Gott war und gleichzeitig Mensch!“ Müssen wir das verstehen, wie eine Person beides sein kann; Gott und Mensch? Ist es notwendig, dass wir „das Geheimnis der Fleischwerdung Christi“ allen Menschen zu ihrer vollen Zufriedenheit erklären können? Nein! Alles was wir brauchen ist Glaube und alles was wir verkündigen können ist das, was die Bibel offensichtlich über Jesus Christus lehrt! Theologische Spekulationen sind keine Lösung. Darum lasst uns an der offensichtlichen Bedeutung der Lehre festhalten!

Thema 2: Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung
Um ein weiteres Beispiel anzuführen, beschäftigen wir uns mit der Frage: Was lehrt die Bibel über Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung? Es gibt einige Stellen, die uns über dieses Thema informieren, wobei alle berücksichtigt werden sollten. Selbst, wenn wir jede Stelle vorsichtig ausgelegt und bestimmte Schlussfolgerungen daraus gezogen haben, kann es sein, dass wir immer noch nicht alle Fragen zu diesem Thema beantworten können. Wie schwierig dieses Thema ist, zeigt sich daran, dass viele Christen samt vielen Gelehrten sich nicht einig sind über die Auslegung der einzelnen Schriftstellen.

Was können wir in solchen Fällen tun? Wir können die erwähnte Regel befolgen, die besagt: „Schaue auf die offensichtliche Bedeutung“ und können sie dann lehren und praktizieren.

Eine der Schlüsselstellen zu diesem Thema „Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung“ befindet sich im Matthäus 19,3-9 und dient uns zur näheren Erläuterung:

„Und die Pharisäer kamen zu ihm, versuchten ihn und sprachen: Ist es einem Mann erlaubt, aus jeder [beliebigen] Ursache seine Frau zu entlassen? Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an [als] Mann und Weib schuf und sprach: ‚Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und es werden die zwei ein Fleisch sein’, so dass sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch? Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Sie sagen zu ihm: Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen? Er spricht zu ihnen: Mose hat wegen eurer Herzenshärtigkeit euch gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. Ich sage euch aber, dass, wer immer seine Frau entlassen wird, ausser wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“

Die Meinungsverschiedenheiten treten in Vers 9 auf, wo gesagt wird: „... wer immer seine Frau entlassen wird, ausser wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“ Diese Schriftstelle wird jedoch schon durch eine frühere Aussage Jesu unterstützt. Jesus lehrte, dass Gott die Ehe ursprünglich für eine Lebenszeit geschaffen hat und nicht dafür, dass sie geschieden wird. Das ist Gottes Plan. Daran sollten wir uns in allen Diskussionen halten. Was immer für Schlussfolgerungen gezogen werden in Bezug auf dieses Thema, es gilt bei dieser grundsätzlichen Wahrheit zu bleiben und sie zu betonen.

Es gibt keinen Zweifel darüber, dass die offensichtliche Bedeutung dieser Schriftstelle gelehrt und praktiziert werden soll; auch andere Stellen bestätigen diese Wahrheit. Wir brauchen uns also keine Sorgen machen, was erlaubt ist und was nicht, in Bezug auf die Ehe, Scheidung und Wiederverheiratung, so lange wir uns selbst danach richten.

Thema 3: Der Christ und der Staat
Ein weiteres Beispiel zeigt uns, was das Neue Testament über das Verhalten des Christen gegenüber dem Staat lehrt. Im Römer 13,1 heisst es: „Jede Seele unterwerfe sich den übergeordneten [staatlichen] Mächten; denn es ist keine [staatliche] Macht ausser von Gott, und die bestehenden sind von Gott verordnet.“ Diese Aussage ist eindeutig und stimmt mit andern Stellen überein (siehe z. B. 1 Petr 2,13-15). Sie lehrt offensichtlich, dass Christen den staatlichen Behörden, unter denen sie leben, gehorsam sein sollen.

Diese Lehre klärt die meisten Fragen, die Christen in ihrer Beziehung zum Staat stellen mögen. Es gibt allerdings mindestens eine Ausnahme, die die Bibel hinzufügt (Apg 5,29): „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen.“ Andere Fragen bleiben ungeklärt, wie zum Beispiel: Wie weit müssen wir uns an ungerechte Gesetze halten und ungerechte Kriege unterstützen? Grundsätzlich gilt daran festzuhalten, dass Christen sich dem Staat unterzuordnen haben. Wir sollten uns niemals so sehr in Ausnahmen verlieren, dass wir die Grundregeln ausser Acht lassen.

Schlussfolgerung
Diese drei Beispiele genügen, um den Hauptpunkt deutlich zu machen. Wenn wir die Bibel studieren oder versuchen zu lehren, dann gilt es zu unterscheiden, was sie offensichtlich lehrt oder betont und was unklar ist. Wenn wir uns auf die Lehren stürzen, die nicht eindeutig in den Schriften gelehrt werden, dann sind wir aufgeblasen und haben nichts verstanden, sondern sind „krank an Streitfragen und Wortgezänken“ (1 Tim 6,4; siehe auch 2 Tim 2,16.23). Darum lautet die erste Regel auf der Suche nach dem richtigen Verständnis, was wir glauben und lehren ist ganz einfach: Suche und betone die offensichtliche Bedeutung!

Betrachte die theologische Anwendung der Bibel!

Der zweite Vorschlag bei der „theologischen Schriftauslegung“ ist, verschiedene Bibeltexte nach einem bestimmten Thema abzusuchen, um die richtige Anwendung zu finden. Manchmal lehrt die Bibel direkt und offensichtlich, wie zum Beispiel die Aussage: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8). Doch vieles lehrt die Bibel auch indirekt; das heisst, viele Aussagen enthalten eine natürliche Schlussfolgerung. Darum ist es wichtig, dass wir einen Bibeltext theologisch richtig auslegen und anwenden.

Die Notwendigkeit eine Anwendung zu betrachten
Kritiker der traditionellen Auslegungsmethode argumentieren manchmal, dass die Bibel keine Zusammenstellung von Lehrsätzen ist, sondern ein Liebesbrief (oder eine Kollektion von Liebesbriefen) von Gott für uns Menschen. Demzufolge sagen sie, dass wir der Bibel keinen Dienst tun, wenn wir sie auf zusammengestellte Lehrsätze reduzieren.

Diese Ansicht beinhaltet sicher eine gewisse Wahrheit. Die Bibel besteht tatsächlich nicht bloss aus Lehrsätzen. Ohne Zweifel ist die Bibel ein Buch, das Gottes Liebe zu uns Menschen kommuniziert. Es stimmt auch, dass sie nicht auf Lehrsätze reduziert werden darf.

Trotzdem muss gesagt werden, dass es genauso falsch wäre, die biblischen Lehren zu ignorieren. Immer, wenn wir etwas lesen (oder hören), ist es notwendig, dass wir auch die nötigen Schlussfolgerungen für uns daraus ziehen. Wenn wir zum Beispiel die Schlagzeile einer Zeitung lesen, die besagt: „Tausende protestieren gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer“, dann folgern wir selbstverständlich daraus, dass viele im Land nicht einverstanden sind mit der neusten Steuererhöhung. Ebenfalls sind wir bei Gesprächen mit andern darauf angewiesen, dass sie wissen, wovon wir reden und was wir meinen.

In ähnlicher Weise lehrt die Bibel oft über Themen, aus denen wir von selbst unsere Rückschlüsse ziehen. Zum Beispiel glauben wir, dass eine Eigenschaft Gottes die Allgegenwart ist. In der Bibel finden wir jedoch keine solche direkte Aussage. Wir finden aber Aussagen wie: „Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist, wohin fliehen vor deinem Angesicht? Steige ich zum Himmel hinauf, so bist du da. Bettete ich mich in dem Scheol, siehe, du bist da“ (Ps 139,7-8). Aus solchen und ähnlichen Versen ziehen wir unsere Rückschlüsse und folgern daraus, dass Gott allgegenwärtig ist.

In der Bibel lassen sich viele solche theologischen Rückschlüsse ziehen. Paulus schreibt im ersten Korintherbrief die folgenden Worte (1 Kor 1,1-3):

„Paulus, berufener Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Sosthenes, der Bruder, an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres Herrn. Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!”

Diese Stelle gibt uns Informationen zum geschichtlichen Hintergrund. Paulus sagt klar, dass er einen Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt. Lasst uns seine Aussagen analysieren und einige selbstverständliche Rückschlüsse aus seiner Einleitung ziehen:

1.  Paulus war ein Apostel.

2.  Eine biblische Bezeichnung für die Gemeinde ist „die Gemeinde Gottes“.

3.  Alle Glieder der Gemeinde wurden geheiligt.

4.  Christen sind Geheiligte und deshalb werden sie „Heilige“ genannt.

5.  Christen wurden berufen (oder „auserwählt“ gemäss 2 Petr 1,10).

6.  Christen rufen den Namen des Herrn an.

7.  Jesus ist der Herr und Christus.

8.  Gott ist der Vater aller Christen.

Diese Rückschlüsse zu ziehen, gehört weder zu unseren Prioritäten noch zu unserem Hauptanliegen. Zu unserer Aufgabe als Ausleger zählen vielmehr die folgenden drei Dinge: erstens, die Bibelstelle in ihrem eigenen Zusammenhang zu verstehen, zweitens, den Zusammenhang zum ganzen Buch herzustellen und drittens, die Auffassung der ersten Leser ausfindig zu machen. Trotzdem gehören auch die ersten Rückschlüsse, wie oben aufgezählt, unweigerlich von selbst dazu. Auch sie sollten beachtet werden! Weil wir die Bibel lesen, um Gottes Wort zu verstehen und herausfinden wollen, wie Gott uns Menschen sieht, suchen wir in jedem Text gewissenhaft nach theologischen Anwendungen.

Wer die Bibel mit offenen Augen liest und studiert, der lernt einiges über das, was sie lehrt und was Wahrheit ist.

Beispiel 1: Jesus begegnet der Ehebrecherin (Joh 8)
Ein Beispiel finden wir im Ereignis, in dem Jesus der Ehebrecherin begegnet (Joh 8,1-11). Die Ehebrecherin wird zu Jesus gebracht. Die Kritiker schlagen vor, dass sie gesteinigt werden soll, um das Gesetz einzuhalten. Doch Jesus antwortet: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“ (Joh 8,7). Nachdem die Kritiker fortgegangen waren, sagte Jesus zur Frau (Joh 8,11b): „Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Unter anderem lehrt uns dieses Ereignis, dass Jesus erstens alle Menschen liebt und Sündern vergibt und dass ihm zweitens die Sünde nicht gleichgültig ist. Tatsache ist, dass das Meiste, was wir in Bezug auf Jesus glauben (seine Liebe und sein Mitgefühl), selbstverständliche Schlussfolgerungen sind, die wir aus den verschiedenen Ereignissen lernen, von denen uns die Evangelien berichten.

Beispiel 2: Drei Gleichnisse (Lk 15)
Als weiteres Beispiel können die drei Gleichnisse in Lukas 15 angeführt werden, vom verlorenen Schaf, Drachmen und Sohn. Jesus führte diese Gleichnisse als Antwort auf Kritik an ihm an, weil er Sünder annahm und mit ihnen ass (Lk 15,1-2). Offensichtlich antwortete Jesus indirekt auf die Kritik, indem er durch diese Gleichnisse zeigt, wie sehr Gott will, dass ein Sünder umkehrt und wie sehr er sich darüber freut. Der Zweck dieser Gleichnisse war, den Menschen zu zeigen, dass sein Handeln gerechtfertigt war. Damit widerspiegelte er Gottes Liebe und Interesse an den Sündern. Gleichzeitig zeigt er im Kontrast dazu, die falsche Haltung seiner Kritiker gegenüber den Sündern, durch das Verhalten des älteren Sohnes. Alle drei Gleichnisse bestätigen, dass Gott die Sünder liebt!

Beispiel 3: Glaubensgehorsam (Hebr 5,8-9)
Das dritte Beispiel ist aus Hebräer 5,8-9 wo es heisst: „... und lernte, obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam; und vollendet ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden.“ Diese Stelle spricht von Christus als dem Erretter und gibt zusätzliche Informationen in Bezug auf wen er rettet, nämlich: alle, die ihm gehorsam sind. Obschon es bei dieser Bibelstelle nicht um den Gehorsam der verlorenen Seelen geht, sondern um den Gehorsam Christi gegenüber Gott, kann daraus dennoch eine zusätzliche Schlussfolgerung gezogen werden. Da diese zusätzliche Schlussfolgerung nicht mit anderen Bibelstellen in Konflikt steht, kann sie als biblische Lehre angenommen werden. Demzufolge entnehmen wir richtigerweise, dass es Gehorsam braucht, um gerettet zu werden.

Zusammenfassung
Es ist unumgänglich, dass der Ausleger die Bibel unermüdlich studieren sollte. Dabei sollte er die erwähnte „theologische Anwendung“ in Betracht ziehen, um zu verstehen, was der Bibeltext sagt. Die Bibel macht einige direkte Aussagen über bestimmte Themen. Doch die Bibel besteht nicht bloss aus Gesetzen oder Lehrsätzen, sondern auch aus Geschichte, Biographien, Erzählungen, Poesie, Briefen, Offenbarungen und Weisheitsliteratur. Das Wesen der Bibel verlangt von uns aber auch, dass wir die Wahrheit der Lehren (Dogmen) verstehen lernen und die richtige Anwendung der verschiedenen Schriften.

Selbstverständlich gibt es auf der Suche nach der theologischen Anwendung der Schriften auch Gefahren. Eine Gefahr ist, dass wir Anwendungen sehen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Einige meinen, dass Johannes 3,16 und andere Stellen die Rettung durch den Glauben lehren und dass das Neue Testament nirgends auf Gehorsam hindeute, um gerettet zu werden. Doch die Bibelstellen, die von Glauben sprechen, führen nicht zu solchen Schlussfolgerungen; zudem lehrt die Bibel an anderen Stellen klar, dass wir gehorchen müssen, um gerettet zu werden.

Eine andere Gefahr ist zu denken, dass eine Bibelstelle mehr Anwendungen hergibt, als das in Wirklich-keit der Fall ist. Im erwähnten Beispiel von der Schlagzeile in der Zeitung, wäre es ungerechtfertigt zu meinen, auf Grund des Titels allein bedeute dies, dass „alle“ Menschen im Land gegen neue Steuern seien. Im 1. Korinther wird gesagt (1 Kor 1,1-2):

„Paulus, berufener Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Sosthenes, der Bruder, an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres Herrn.“

Diese Stelle sagt uns, dass Paulus ein Apostel war, aber sie sagt uns nichts darüber, wer sonst noch alles Apostel genannt wird.

Wie können wir die nötige Vorsicht walten lassen, um die Anwendung der Schriften nicht zu miss-brauchen? Erstens ist es wichtig, dass wir unsere Schlussfolgerungen auf Grund von Beweisen ziehen. Zweitens sollten wir die Schlussfolgerungen mit anderen Schriftstellen vergleichen und darauf achten, dass sie andern Aussagen nicht widersprechen. Wenn unsere Schlussfolgerungen dadurch bestätigt werden, dann drücken sie die richtige Anwendung einer Bibelstelle aus.

Schlussfolgerung

Vielleicht sieht es aus, als ob sich die beiden Optionen, die wir in dieser Lektion geben, widersprechen. Einerseits sagen wir: „Schaue auf die offensichtliche Bedeutung“ und andererseits schlagen wir vor: „Betrachte die theologische Anwendung der Bibel“. Doch beide Gedanken ergänzen einander. Es ist notwendig, dass wir zuerst überlegen, was eine Bibelstelle offensichtlich aussagt, um uns anschliessend mit der theologischen Anwendung auseinandersetzen zu können. Wenn wir uns bemühen, beidem unermüdlich und gewissenhaft nachzugehen, dann können wir mit Gottes Hilfe in den meisten Fällen nützliche Schlussfolgerungen ziehen. Auf diese Weise werden wir verstehen, was Gottes Willen uns heute noch zu sagen hat und was wir glauben sollen in Bezug auf unser Heil.