Auslegung-22: Anwendung von Texten ... (Teil 2)

Auslegung der Bibel [2]


Einstieg: Die meisten Bibelstudenten befassen sich mit den folgenden biblischen Lehren: Gott, Heiliger Geist, Jesus, Gemeinde, Seelenheil und auch andere Themen. Die induktive Methode kann dabei sehr nützlich sein. Die leicht verständlicheren Bibelstellen können uns helfen, die schwierigeren Stellen besser auszulegen.

Was sollen Christen glauben? Für alle, die an die von Gott inspirierte Bibel glauben gilt: „Wir wollen das glauben, was die Bibel lehrt.“ Diese simple Antwort kann jedoch auch irreführend sein. Denn es gibt so viele, die glauben wollen, was die Bibel lehrt, doch leider widersprechen sie sich gegenseitig. Wie können wir wissen, was die Bibel lehrt und was wir Christen glauben sollen?

Diese Lektion, wie die vorhergehende, versucht darauf eine Antwort zu geben. Sie befassen sich damit, wie die biblischen Lehren auf unsere Glaubensüberzeugungen angewandt werden. Viele haben eine „Theologie“ (Lehre über Gott), die ein bestimmtes Weltbild unterstützt. Die grosse Frage dabei ist, ob sich unsere „Theologie“ auch mit dem deckt, was das Wort Gottes lehrt. Das Streben nach dem richtigen Verständnis für Gottes Wort nennen wir „theologische Auslegung“.

Wie können wir erfolgreiche Ausleger der biblischen Lehren sein, um zu verstehen, was wir glauben sollen? In der Lektion davor haben wir bereits zwei Vorschläge gemacht: Erstens, „Schaue auf die offensichtliche Bedeutung und Anwendung!“ Zweitens, „Betrachte die theologische Anwendung der Bibel!“ In dieser Lektion machen wir zwei weitere Vorschläge.

Berücksichtige alles, was die Bibel über dieses Thema lehrt!

Der dritte Vorschlag: Um bei der Auslegung der Bibel auf eine richtige Schlussfolgerung zu kommen, berücksichtige alles, was in der Bibel über dieses Thema gelehrt wird. Wenn wir zum Beispiel wissen wollen, was die Bibel über Gott lehrt, dann müssen wir alles, was in der Bibel über Gott gesagt wird, lesen. Alles, was wir lesen, kann als umfassende Beschreibung über Gott verwendet werden. Schliesslich ist das Resultat auch hilfreich für unseren Glauben.

Dieser Ansatz setzt die Überzeugung voraus, dass die biblische Lehre einheitlich ist, dass alles, was gelehrt wird, zusammenpasst und ein Ganzes bildet. Scheinbare Widersprüche sind auf beschränkte Informationen zurückzuführen. Sobald wir über ein Thema bessere Erkenntnis besitzen, lösen sich angebliche Widersprüche auf.

Die „induktive Methode“
Diese Anwendung der Bibelauslegung wird die „induktive Methode“ genannt. „Induktiv“ bedeutet die Ableitung einer allgemeinen Regel durch eine oder mehrere Bedingungen. Das heisst, wenn wir zum Beispiel beobachten, wie ein Objekt beim Loslassen herunterfällt, dann folgern wir daraus, dass es so etwas wie ein Gesetz der Schwerkraft geben muss. Diese Art von Logik – von zahlreichen konkreten Fällen (wie herunterfallende Objekte) zu einer allgemeinen Regel (Gesetz der Schwerkraft) – ist bekannt als induktives Denken. Es ist ein Denkprozess, der natürlich in jedem Menschen vorhanden ist.

„Induktives Denken“ ist auch die Basis für wissenschaftliche Forschungen. Wenn jemand auf dem Gebiet der Wissenschaft oder Technologie Probleme hat, dann zieht er alle bekannten Tatsachen bezüglich eines Problems in Betracht, sucht nach möglichen Lösungen, entscheidet sich für die beste und probiert sie aus. Wenn die Lösung nicht funktioniert, dann wählt er eine andere. Noch einmal: In schwierigen Fällen werden alle bekannten Informationen gebraucht, um die richtige Lösung zu finden. Das ist die allgemeine Regel. Gleicherweise betrachtet diese Methode alle biblischen Belege, wenn es um biblische Fragen oder Themen geht. Um schliesslich die Schlussfolgerung zu ziehen, werden die Belege zusammengelegt. Dies könnte auch die „wissenschaftliche“ Methode eines Bibelstudiums genannt werden.

Die Tatsache, dass „induktives Denken“ in der Logik – als auch in der Wissenschaft – als gültige Methode eingesetzt wird, missfiel einigen und brachte sie in einen schlechten Ruf. Man spricht von „Konkordanz-Predigten“. Dabei werden Bibelstellen mit demselben Wort aufgelistet, um Behauptungen zu einem Thema zu begründen, ohne auf den entsprechenden Zusammenhang des jeweiligen Bibeltextes zu achten. Zugegeben, das ist eine Gefahr, auf die wir später in dieser Lektion noch zurückkommen werden. Andere lehnen diese Denkweise ab, weil sie es nicht gerne sehen, dass „Logik“ für die Schriften eingesetzt wird, als wäre das lebendige Wort Gottes bloss ein Dokument, das aus Regeln besteht und analysiert werden könnte wie jedes andere Buch der Wissenschaft oder Geschichte.

Zum genannten Einwand möchten wir drei Antworten geben: (1) Wir sind einverstanden, dass die Bibel nicht bloss ein Buch der Wissenschaft und Geschichte ist. Sie ist das lebendige und wirksame Wort Gottes (Hebr 4,12), das alle beeinflusst, die mit aufrichtigem Herzen suchen (Lk 8,15) und ihr Leben danach ausrichten. (2) Die Bibel kommuniziert in einer menschlichen Sprache und richtet sich an unseren Verstand. Wer sie verstandesgemäss nachvollziehen will, der muss sie ebenso behandeln wie ein Buch der Wissenschaft oder Geschichte; obschon ein Bibelstudium mit ganz anderen Augen betrachtet wird, als das Lesen von weltlichen Büchern. Darum gilt es die gleiche Logik (oder Methodik) zu benutzen, um biblische Schlüsse über bestimmte Themen zu ziehen. (3) Wer sich gegen den Gebrauch der induktiven Methode stellt, wird darin nicht konsequent bleiben, da er seine Schlussfolgerungen selbst auf eine logische Art ziehen wird.

Wie diese induktive Methode angewandt wird, um Gottes Wort zu verstehen, möchten wir in den folgenden acht Schritten zeigen.

Die induktive Methode in 8 Schritten

1.  Ziehe so viele Schriftstellen wie möglich in Betracht, die mit dem entsprechenden Thema zu tun haben.

2.  Schränke das Thema möglichst ein.

3.  Gebrauche nur zutreffende Bibelstellen, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen.

4.  Lege jede Stelle in ihrem Zusammenhang aus.

5.  Nachdem die Stelle im Zusammenhang betrachtet wurde, gilt es die folgerichtigen Schlüsse zu ziehen und mit anderen Bibelstellen zu verbinden, um systematisch eine Lehre zu formulieren.

6.  Prüfe die Lehre, die formuliert wurde.

7.  Steht die Schlussfolgerung im Konflikt zur biblischen Lehre oder muss sie aus anderen Gründen verworfen werden, gilt es zu den entsprechenden Schriftstellen zurückzugehen, um nach alternativen Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

8.  Steht die endgültige Schlussfolgerung nicht im Konflikt mit anderen biblischen Lehren, sondern wird sie unterstützt durch die erhaltene Beweisführung, so kann sie geglaubt und gelehrt werden als Lehre, die von Gott stammt.

Die „induktive Methode“ als Beispiel für die Taufe
Als Beispiel, um diese acht Schritte anzuwenden, nehmen wir das Thema der Taufe.

Erster Schritt: Wenn wir die Konkordanz oder andere Werkzeuge zur Nachforschung benutzen, dann stellen wir fest, dass in der Bibel das griechische Wort für „Taufe“ in verschiedenen Formen ungefähr 118 Mal zu finden ist. Dazu zählt auch die Beschreibung von Johannes „des Täufers“. Zusätzlich wird dieses Wort fünf Mal mit „waschen“ übersetzt und hat nichts mit dem Ritus der Taufe zu tun. Somit kommen wir bei unseren Nachforschungen auf neunundneunzig potenzielle Stellen, die uns nähere Auskunft über die Taufe geben.

Es gibt aber auch andere Schriftstellen, die dieses Thema abdecken. Wenn wir zum Beispiel die Liebe Gottes studieren, dann sollten die Gleichnisse in Lukas 15 auch in Betracht gezogen werden, obschon darin das Wort „Liebe“ kein einziges Mal vorkommt. Um solche Schriftstellen zu entdecken, brauchen wir andere Quellen, wie zum Beispiel eine Themenbibel, einen Kommentar, eine Referenzbibel oder Artikel, die dieses Thema aufgreifen. Genauso ist es mit dem Thema „Taufe“. Dazu gibt es einige Schriftstellen, die beachtenswert sind, wie zum Beispiel die Stelle aus Johannes 3,5, wo es wörtlich heisst „aus Wasser und Geist geboren“ oder die Stelle in Epheser 5,26, die erklärt, „um sie zu heiligen und rein zu machen durch das Bad im Wasser, durch das Wort.“

Zweiter Schritt: Wenn wir die Wahrheit über Gott lernen wollen, dann werden wir schnell feststellen, dass die Bibel mehr über Gott sagt, als wir in unserer ganzen Lebenszeit fähig sind zu lernen! Darum, wenn wir über Gott etwas lernen wollen, dann ist es ratsam, sich auf einen oder zwei Aspekte seines Wesens und Charakters zu konzentrieren (z. B. die Liebe Gottes, oder seine Güte und Strenge gemäss Röm 11,22). Es ist wichtig, dass wir als Christen unser ganzes Leben lang danach streben, das Wesen Gottes immer besser kennen zu lernen.

Nachdem wir alle Schriftstellen in der Bibel bezüglich der Taufe aufgelistet und betrachtet haben, ist es notwendig, dass wir unsere Nachforschungen auf eine konkrete Frage reduzieren, zum Beispiel: Weshalb liessen sich Menschen taufen?

Dritter Schritt: Wenn wir sagen, dass wir durch die „induktive Methode“ alles herausfinden können, was die Bibel über ein bestimmtes Thema lehrt, dann meinen wir, dass wir mit dieser Methode alle wichtigen Schriftstellen zusammentragen und damit eine entsprechende Schlussfolgerung erzielen. Dabei gilt es auch die Frage zu beachten: Was muss ich tun, um gerettet zu werden?. Auch sind für uns die alttestamentlichen Befehle nicht massgebend, da wir heute nicht mehr unter dem Alten Bund leben.

Es gilt auch zu beachten, dass das Neue Testament zum Thema „Taufe“ ganz unterschiedliche Aussagen macht und damit die Taufe mit dem Heiligen Geist meint (Apg 1,5), die Taufe mit Feuer (Mt 3,11) und die Leidenstaufe (Mk 10,38-39). Obschon diese Stellen alle wichtig sind, so beziehen sie sich nicht alle auf die Wassertaufe. Sie gilt als grosser Missionsbefehl allen Menschen. Dazu kommt, dass wenn wir uns auf die oben gestellte Frage beschränken, dann sind Schriftstellen, die mit der Art und Weise der Taufe (d. h. der Ausführung) oder den Kandidaten zu tun haben (d. h. wer getauft werden sollte), nicht direkt mass¬gebend für unser Studium.

Welche Schriftstellen sind denn massgebend für die oben gestellte Frage bezüglich der Taufe?

Vielleicht könnten noch andere Stellen aufgelistet werden, aber die folgenden sind kennzeichnend:

„Wer gläubig geworden und getauft worden ist, wird errettet werden“ (Mk 16,16a).

„Petrus aber sprach zu ihnen: Tut Busse, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38).

„Philippus ... verkündigte ihm das Evangelium von Jesus. Als sie aber auf dem Weg fortzogen, kamen sie an ein Wasser. Und der Kämmerer spricht: Siehe, da ist Wasser! Was hindert mich, getauft zu werden? Und er befahl, den Wagen anzuhalten. Und sie stiegen beide in das Wasser hinab, sowohl Philippus als der Kämmerer; und er taufte ihn“ (Apg 8,35-38).

„Und er befahl, dass sie getauft würden im Namen Jesu Christi“ (Apg 10,48a).

„Und er [der Kerkermeister] führte sie hinaus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich errettet werde? Sie [Paulus und Silas] sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden, du und dein Haus. Und sie redeten das Wort des Herrn zu ihm samt allen, die in seinem Haus waren. Und er nahm sie in jener Stunde der Nacht zu sich und wusch ihnen die Striemen ab; und er liess sich taufen und alle die Seinigen sogleich. Und er führte sie hinauf in sein Haus, liess ihnen den Tisch decken und frohlockte, an Gott gläubig geworden, mit seinem ganzen Haus“ (Apg 16,30b-34).

„Und nun, was zögerst du? Steh auf, lass dich taufen und deine Sünden abwaschen, indem du seinen Namen anrufst“ (Apg 22,16).

„Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln“ (Röm 6,3-4).

„Denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen“ (Gal 3,26-27).

„Mit ihm [seid ihr] begraben in der Taufe, in ihm auch mitauferweckt durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat“ (Kol 2,12).

„Das Gegenbild dazu [dass wenige durchs Wasser der Flut hindurch gerettet wurden] errettet jetzt auch euch, das ist die Taufe - nicht ein Ablegen der Unreinheit des Fleisches, sondern die Bitte an Gott um ein gutes Gewissen - durch die Auferstehung Jesu Christi“ (1 Petr 3,21).

Vierter Schritt: Wenn wir die Anregungen und Vorschläge, die wir bis jetzt in dieser dreiteiligen Serie zur Auslegung der Bibel gemacht haben beherzigen, dann können wir vertretbare Schlussfolgerungen ziehen in Bezug auf das, was eine Schriftstelle für die ersten Leser damals bedeutete. Die Auslegung (Exegesis) muss der Anwendung vorangehen! Nachdem wir eine Stelle in ihrem eigenen Zusammenhang verstanden haben, ist es gar nicht mehr so schwierig zu verstehen, was sie heute für uns bedeutet.

Einige neigen dazu, diese Methode des Bibelstudiums abzulehnen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt des Prozesses Fehler machten. Bibelstellen einfach miteinander zu verbinden, weil sie dasselbe Wort beinhalten, ohne den jeweiligen Textzusammenhang zu beachten, kann zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Beim Studium der oben aufgelisteten Schriftstellen wird klar, dass jede Stelle in Bezug auf die Taufe wichtig ist. Jede Stelle sagt etwas darüber, warum Menschen getauft wurden und weshalb sie heute noch getauft werden müssen. Niemand würde auf die Idee kommen zu denken, dass mit diesen Stellen etwas anderes gemeint sein kann, als das, was sie offensichtlich ausdrücken.

Fünfter Schritt: An dieser Stelle kann das, was die aufgelisteten Schriftstellen in Bezug auf die Taufe lehren, in einem Absatz zusammengefasst werden. Sie umfasst folgende Lehren: (1) Die Taufe geht der Rettung voran (Mk 16,16). (2) Die Taufe ist notwendig zur Vergebung der Sünden (Apg 2,38). (3) Die Taufe ist das Ergebnis auf die Verkündigung des Evangeliums von Jesus (Apg 8,35-38). (4) Die Taufe ist ein Befehl (Apg 10,48). (5) Die Taufe folgt dem Glauben und führt zur Freude gläubig geworden zu sein (Apg 16,30-34). (6) Die Taufe ist notwendig, um Sünden abzuwaschen (Apg 22,16). (7) Die Taufe führt zum neuen Leben (Röm 6,3-4; Kol 2,12). (8) Wir werden auf Christus getauft (Röm 6,3; Gal 3,26-27). (9) Durch den Glauben und die Taufe werden wir Kinder Gottes (Gal 3,26-27). (10) Die Taufe rettet Menschen in ähnlicher Weise, wie die Flut sie rettete (1 Petr 3,21).

Die beste Zusammenfassung zum Thema „Taufe“ könnte folgendermassen formuliert werden: „Die Taufe ist notwendig, um gerettet zu werden und ihr Zweck ist alle zu retten, die sich untertauchen lassen.“ Selbstverständlich ist es nicht das Wasser, das rettet (1 Petr 3,21), sondern das Blut Christi, das durch die Gnade Gottes wirksam wird und die Sünden wegwäscht - oder, wie Paulus sagte, die Taufe geht dem neuen Leben voran „durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes“ (Kol 2,12). Alle diese Schriftstellen lehren unmissverständlich, dass ein verantwortungsvoller Mensch im christlichen Zeitalter ohne Taufe nicht gerettet werden kann.

Sechster Schritt: Es ist sinnvoll, unsere Schlussfolgerung mit anderen Schlussfolgerungen zu vergleichen, in Bezug auf dieselbe Thematik und dieselbe Schriftstelle. Sind wir zu einer einzigartigen Schlussfolgerung gekommen, kann es sein, dass sie richtig ist. Wichtig ist, dass wir unsere Einsicht begründen können. Auf der andern Seite wäre es vielleicht angebracht, unsere Schlussfolgerung zu überdenken, wenn es kaum jemand gibt, der unsere Meinung teilt.

Im Fall der Taufe könnte es sein, dass jemand unsere Schlussfolgerung anzweifelt und behauptet, dass dies den Schriften widerspreche. Die Schriften lehren nämlich, dass wir durch den Glauben gerettet werden, wie es zum Beispiel in der Apostelgeschichte 16,30-31 steht. Doch dies widerspricht keineswegs der Tatsache, dass wir auch etwas tun müssen, um durch die Gnade gerettet zu werden. Die Bedeutung des Glaubens für eine wirksame oder gültige Taufe kann in den Schriften leicht aufgezeigt werden. In der Apostelgeschichte 16,31 heisst es: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“, widerspricht nicht der Notwendigkeit der Taufe. Denn, nachdem der Kerkermeister glaubte, liess er sich sogleich taufen und freute sich anschliessend. Tatsächlich wird erst nach seiner Taufe davon gesprochen, dass er „frohlockte, an Gott gläubig geworden“ zu sein. War er also gerettet, nachdem er glaubte, bevor er sich taufen liess? In der Apostelgeschichte 16 wird diese Ansicht weder gelehrt noch vorausgesetzt. Folglich darf die Schlussfolgerung, die Taufe ist notwendig zur Rettung, nicht fallen gelassen werden, da auch andere Schriftstellen dafür sprechen.

Siebter Schritt: Bevor wir unsere Schlussfolgerung akzeptieren, müssen wir sicher sein, dass sie nicht mit Lehren anderer Schriftstellen im Widerspruch steht. Da die Schlussfolgerung, die Taufe ist notwendig, um gerettet zu werden, nicht andern biblischen Lehren widerspricht, brauchen wir keine weiteren Möglichkeiten in Betracht ziehen.

Achter Schritt: Erst, wenn wir sicher sind, dass unsere Schlussfolgerung nicht im Konflikt mit anderen biblischen Lehren steht, sondern reichlich durch die erhaltenen Beweise gestützt wird, kann sie als Gottes Wille geglaubt und gelehrt werden. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, sollte jeder Prediger des Evangeliums mit aller Klarheit die Taufe „zur Vergebung der Sünden“ als Heilsnotwendigkeit verkünden.

Missbrauch der „induktiven Methode“
Um die Wahrheit über ein Thema der Bibel herauszufinden, sollte die „induktive Methode“ vorsichtig angewandt werden. Fehler in der Anwendung können zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen. Welche Fehler können dabei gemacht werden?

1. Den Beweis überbetonen. Manchmal sind die Beweise marginal. Wenn wir es mit einem schwierigen Thema zu tun haben, zu dem in der Bibel nur zwei Stellen vorkommen, dann können wir nicht so sicher sein, als wenn es darüber zwanzig Stellen gibt. Eine Schlussfolgerung zu ziehen, basierend auf zwei Versen, ist als würden wir ein Gesetz über ein natürliches Phänomen formulieren, das nur in zwei Fällen vorkommt. Wenn es also nicht genügend Belege in der Bibel gibt, sollte unsere Schlussfolgerung eher zögernd als dogmatisch ausfallen.

2. Eine Schlussfolgerung auf unklaren Stellen gründen. Manchmal sind die betrachteten Bibeltexte unklar. Manchmal rechtfertigen Bibelstellen nur eine richtungsweisende Schlussfolgerung zu einem Thema. Wenn alles, was wir über ein bestimmtes Thema lehren, nur aus unklaren Stellen genommen werden kann, sollten wir eher vorsichtig sein mit unseren Schlussfolgerungen. Mehrere unsichere Bedeutungen geben – auch zusammengefügt – niemals eine überzeugende Schlussfolgerung.

3. Annehmen, das gleiche Wort habe immer dieselbe Bedeutung. Es wäre falsch, verschiedene Stellen miteinander zu verbinden, nur weil sie dasselbe Wort enthalten. Das gleiche Wort kann in einem anderen Zusammenhang verschiedene Bedeutungen haben und somit zu einer anderen Schlussfolgerung führen.

4. Den Zusammenhang ignorieren. Jede Stelle muss in ihrem eigenen Zusammenhang verstanden werden, andernfalls wäre es ein Fehler, Bibelstellen miteinander zu verbinden, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben.

5. Den Fehler, alle Beweise in Betracht gezogen zu haben. Ein typisches Merkmal der induktiven Denkweise ist, generell gesagt, dass sie immer unvollkommen bleibt. Der Grund liegt darin, dass immer wieder zusätzliche Beweise auftauchen können, die gefundene Schlussfolgerung über den Haufen zu werfen. Denn eine Schlussfolgerung gründet sich ja immer auf einen ganz bestimmten Fall, der beobachtet wurde. Wenn dieser Fall durch zusätzliche Beweise in Frage gestellt wird, muss der ganze Nachforschungsprozess von vorne beginnen. Dieses Problem mit der Induktion darf nicht mit derselben Intensität auf die Auslegung der Bibel angewandt werden, da wir ja glauben, dass die ganze Wahrheit, die zu unserer Rettung notwendig ist, in der Bibel offenbart wurde. Das heisst, wir glauben, dass es keine anderen Beweise ausserhalb der Bibel gibt, die unsere Schlussfolgerungen herausfordern können. Nur in der Bibel selbst kann es vorkommen, dass wir nicht alle Schriftstellen in Betracht gezogen haben; folglich könnten wir, in Bezug auf ein bestimmtes Thema, eine falsche oder unvollkommene Schlussfolgerung gezogen haben. Darum ist es notwendig, dass wir bereit sind, unsere Beweise immer wieder nachzuprüfen, um sicher zu gehen, nicht irgendetwas übersehen zu haben. Falls etwas gefunden wird, dann sollten wir unsere Schlussfolgerungen überarbeiten.

Schlussfolgerung
Keine Gefahr, die zum Missbrauch der induktiven Methode führt, hebt ihre Bedeutung auf. Die Tatsache bleibt: Um die ganze Wahrheit eines Themas in der Bibel verstehen zu können, gibt es keine Alternativen dazu, bei Schlussfolgerungen alle bedeutenden Schriftstellen in Betracht zu ziehen. Dieses Prinzip gründet sich auf den gesunden Menschenverstand und lautet: Um die Wahrheit über ein bestimmtes Thema zu erforschen, gilt es alle Beweismittel in Betracht zu ziehen. Bei einem Gerichtsverfahren schwören die Zeugen jeweils, „die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ zu sagen. Ein ähnliches Versprechen sollte jeder abgeben, der in der Bibel nach der göttlichen Wahrheit zu einem bestimmten Thema sucht.

Lege schwierigere Bibelstellen mit eindeutigen Stellen aus!

Während wir uns bemühen, alles in Betracht zu ziehen, was die Bibel in Bezug auf ein Thema lehrt, erfahren wir, dass es einige Stellen gibt, die verständlicher sind als andere. Wie können die Stellen ausgelegt werden, die schwerer zu verstehen sind? Antwort: Ziehe immer die klaren Lehren eines Themas hinzu, um die unklaren Stellen auszulegen. Klare Stellen können (1) helfen, die Bedeutung der unklaren Stellen zu verstehen und (2) mögliche falsche Bedeutungen beseitigen. Dies ist der vierte Vorschlag zur Frage: Wie können wir erfolgreiche Ausleger der biblischen Lehren sein, um zu verstehen, was wir glauben sollen?

Klare Bibelstellen helfen, die Bedeutung von unklaren Stellen zu verstehen
Gut verständliche Schriftstellen in Bezug auf ein Thema helfen uns schwerverständlichere Stellen, die uns verwirren, besser zu verstehen. Zum Beispiel, als Jesus sagte, dass ein Mensch „aus Wasser und Geist geboren“ werden muss, um ins Reich Gottes zu gelangen (Joh 3,3.5). Was bedeutet diese Aussage? Wenn wir nur diese Bibelstelle in Bezug auf dieses Thema hätten, dann wären wir vielleicht verwirrt, wie das Nikodemus offensichtlich war. Wir würden vielleicht annehmen, dass hinter der Wiedergeburt eher ein Gefühl des Heiligen Geistes steckt, als eine Lehre. Doch andere Schriftstellen klären, was Jesus damit meinte.

Bevor Jesus in den Himmel entrückt wurde, wies er darauf hin, dass „Wasser“ mit der Rettung etwas gemeinsam hat. Denn er befahl seinen Nachfolgern, dass sie getauft werden müssen, um gerettet zu werden (Mt 28,18-20; Mk 16,15-16). Die Apostel, die mit Vollmacht ausgestattet wurden, um das Evangelium von Jesus zu predigen, ordneten an, Menschen im Wasser unterzutauchen, damit sie gerettet werden. Gleichzeitig lehrten sie auch, dass die Gläubigen bei der Taufe den Heiligen Geist empfangen (Apg 2,38). Paulus schrieb, dass jeder „in Christus“ eine „neue Schöpfung“ ist (2 Kor 5,17), das heisst wiedergeboren aus Wasser und Geist. Petrus sagt, dass wir unsere Seelen durch den Gehorsam gegenüber der Wahrheit „gereinigt“ haben, denn wir sind „wiedergeboren ... aus unvergänglichem“ Samen „durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (1 Petr 1,22-23). Gemäss Paulus werden wir – wie Christus – zu einem neuen Leben auferweckt, sodass wir „in Neuheit des Lebens wandeln“ (Röm 6,4).

Was lehrt also das Neue Testament in Bezug auf die Wiedergeburt?

Joh 3,3.5
Wir müssen wiedergeboren werden aus Wasser und Geist, um gerettet zu werden.

Mk 16,15-16
Das Wasser der Taufe ist notwendig, um gerettet zu werden.

Apg 2,38
Die Apostel verkündigten, dass wir im Wasser getauft werden müssen, um den Heiligen Geist zu empfangen und gerettet zu werden.

2 Kor 5,17
Alle Gläubigen in Christus erfahren eine Neuschöpfung, das heisst, sie sind wiederge¬boren.

1 Petr 1,22-23
Menschen sind wiedergeboren, wenn sie Gottes Wort gehorchen.

Röm 6,4
Menschen erfahren neues Leben, wenn sie sich taufen lassen.

Schlussfolgerung: Gemäss diesen Schriftstellen, werden wir wiedergeboren, wenn wir dem Wort Gottes gehorchen und uns taufen lassen. In Bezug auf die Stelle in Johannes 3,3 und 5 klären die zusätzlichen Bibelstellen also, wie eine Person „wiedergeboren“ wird.

Klare Bibelstellen helfen, falsche Bedeutungen von unklaren Stellen zu eliminieren
Zusätzlich helfen eindeutige Bibelstellen, falsche Ansichten über schwierigere Stellen zu revidieren. Die folgenden drei Beispiele machen das deutlich:

1. Brach Jesus das Sabbatgesetz im Markus 2,23-28? Jesus wurde von den Pharisäern kritisiert, weil seine Jünger am Sabbat Ähren abrissen. „Und die Pharisäer sagten zu ihm: Sieh, was tun sie am Sabbat, das nicht erlaubt ist?“ (Mk 2,24). Jesus leugnete mit seiner Antwort nicht, dass seine Jünger den Sabbat gebrochen haben. Brach er den Sabbat oder erlaubte er seinen Jüngern dies zu tun? Aus verschiedenen Gründen sollte die Antwort negativ sein: (1) Was die Jünger taten, war im Gesetz nicht ausdrücklich verboten. Die jüdischen Traditionen verboten dies, aber diese Traditionen entstanden durch Menschen und waren nicht von Gott. (2) Die Anklage war typisch für Pharisäer, auf die in solchen Fragen nicht gehört werden sollte.

Zusätzlich macht die Bibel an anderen Stellen klar, dass Jesus das Gesetz Mose in seinem Leben niemals brach. Wir wissen, dass er „unter Gesetz“ geboren war (Gal 4,4) und deshalb dem Gesetz verpflichtet war. Die Bibel sagt auch, dass Jesus „ohne Sünde“ war (Hebr 4,15). Wenn er das Gesetz gebrochen hätte, dann hätte er sich versündigt. Die Lehre, dass Jesus im Markus 2,23-28 das Gesetz nicht gebrochen hat, geht aus verschiedenen Schriftstellen eindeutig hervor.

2. Ist Prämillenialismus ein biblisches Konzept, das in Offenbarung 20 gelehrt wird? Prämillenialismus ist eine Auslegung, die „die tausend Jahre“ lehrt, von der in Offenbarung 20 angeblich gesprochen wird. Sie lehrt, dass Jesus zurückkommt vor („prä“) den tausend („Millenium“) Jahren. Prämillenialismus beinhaltet eine Anzahl von Lehren, die hinterfragt werden müssen, wenn alle Schriftstellen über die letzten Dinge hinzugezogen werden. Das grösste Problem mit dieser Lehre hat vielleicht mit der Tatsache zu tun, dass sie eindeutigen Schriftstellen widerspricht. (1) Prämillenialismus schaut auf eine Zukunft, in der Jesus auf Erden regieren wird. Doch Jesus sagte (Joh 18,36): „Mein Reich ist nicht von dieser Welt ...“ (2) Prämillenialismus lehrt, dass das verheissene Reich im Alten Testament immer noch in der Zukunft liegt, in der Jesus zurückkommt, seinen Thron aufrichtet und für tausend Jahre in seinem Königreich regieren wird. Das Neue Testament lehrt unmissverständlich, dass das Reich Gottes bereits im ersten Jahrhundert gekommen war (Kol 1,13-14). (3) Prämillenialismus glaubt, dass die Gemeinde gegründet wurde, weil die Juden Jesus nicht akzeptierten und Gott deshalb seinen Plan änderte. Im Gegensatz dazu lehrt die Bibel, dass die Gemeinde von Ewigkeit her Gottes Plan war (Eph 3,9-11).

Alle diese Überlegungen – und andere – lassen uns daraus schliessen, dass das Hauptproblem des Prämillenialismus ein religiöses System ist, das auf obskuren und nicht auf klaren Stellen basiert. Diese Lehre stammt aus einigen schwierigen Bibelstellen, die genommen werden, um die eindeutigen Stellen auszulegen, statt umgekehrt.

3. Was bedeutet die Stelle im 1 Korinther 15,29? Dieser Vers sagt: „Was werden sonst die tun, die sich für die Toten taufen lassen? Wenn überhaupt Tote nicht auferweckt werden, warum lassen sie sich denn für sie taufen?“ Kommentatoren sind sich über diese Stelle uneins. Wie auch immer; zwei Aussagen können mit Sicherheit gemacht werden. (A) Es gibt keine Frage über die Hauptaussage, die Paulus hier machen will. Wenn die, welche die Auferstehung verleugneten, sich für Tote taufen liessen, dann waren sie widersprüchlich. (B) Was immer die Stelle meint, es kann in keinem Fall darum gehen, dass verstorbene Seelen gerettet werden können, wenn jemand sich für sie taufen lässt. Jede Person muss für sich selbst entscheiden, ob sie getauft werden möchte oder nicht (siehe Apg 2,36-40). Das Neue Testament lehrt auch klar (Hebr 9,27): „Und wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht ...“ Nachdem alle Beweismittel zusammen getragen wurden, geht es darum, unser Bestes zu geben, um die Stelle in 1 Korinther 15,29 zu verstehen. Dabei mögen wir folgendes bekennen: „Ich verstehe nicht genau, was es bedeutet, aber ich weiss mit Sicherheit, was es nicht bedeutet!“ Während wir andere eindeutige Stellen betrachten, können wir vielleicht keine klaren Schlussfolgerungen ziehen, über das, was gemeint ist; dafür können wir aber falsche Schlüsse aus dem Weg räumen.

Schlussfolgerung

Ein Ziel bei der Auslegung der Schriften ist es, an einen Punkt zu gelangen, an dem wir festhalten, was wir in Bezug auf besondere Themen der Bibel glauben. Wie können wir dieses Ziel erreichen? Indem wir den vier Richtlinien folgen, die wir in dieser und der vorhergehenden Lektion betrachtet haben.

1. Schaue auf die offensichtliche Bedeutung und Anwendung einer Stelle über ein Thema!

2. Betrachte die theologische Anwendung der Bibel über ein Thema!

3. Berücksichtige alles, was die Bibel über ein bestimmtes Thema lehrt!

4. Lege schwierigere Bibelstellen mit eindeutigen Stellen aus!

Diese vier Richtlinien können uns helfen, wenn wir aufrichtig forschen, um zu biblischer Erkenntnis zu gelangen.

„Eine Leuchte für meinen Fuss ist dein Wort,
ein Licht für meinen Pfad.“
Psalm 119,105