Grundlagen-14: Gesetz und Evangelium

Grundlagen des Evangeliums

Arbeitsblatt 14

 

 Einleitung

In dieser Lektion zeigt sich besonders deutlich, wie wichtig ein richtiges Verständnis der verschiedenen Zeitalter ist. Wir müssen daher unterscheiden, zwischen der Zeit vor – während – und nach dem Gesetz Moses. Die Schrift sagt: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein“ (Lk 16,16). Hier werden zwei verschiedene Grössen gegenübergestellt; das „Gesetz“ und das „Evangelium.“ Für ein rechtes Verständnis der Bibel ist eine klare Unterscheidung von Gesetz und Evangelium unerlässlich.

 

 Was ist mit dem Gesetz gemeint?

Im AT finden wir dafür den hebr. Begriff „Tora“, wörtlich: „das, was als gut und richtig gelehrt wird.“ Im NT wird das griech. Wort „Nomos“ für Gesetz gebraucht. Nomos meint: „Bis hierher und nicht weiter!“, also die Grenzziehung; das ursprünglich bei der Verteilung des Weidelands „abgegrenzte Gebiet.“

Die Juden teilten ihre Bibel, das Alte Testament, in drei Teile ein. Obwohl wir heute das Alte Testament in unserer Bibel anders eingeteilt finden, handelt es sich um dieselben 39 Bücher. Noch heute finden wir bei den Juden diese Dreiteilung, wie sie Jesus auch kannte und einhielt (Lk 24,44):

- Das Gesetz (fünf Bücher Mose),

- die Propheten (von Josua bis 2. Könige und fast alle grossen und kleinen Propheten),

- die Schriften (Psalmen, Lieder und Sprüche, verschiedene Geschichtsbücher und die Chroniken).

Die Juden, Jesus und die Apostel hatten jedoch auch die Gewohnheit, sämtliche Schriften des Alten Testaments als das „Gesetz“ zu bezeichnen. Dies wird anhand folgender Schriftstellen deutlich:

Paulus fragt die Galater, die im Begriff waren, vom neutestamentlichen Christentum wieder zum Alten Testament zurückzukehren: „Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr das Gesetz nicht? Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte ...“ (Gal 4,21-22). Wo steht denn geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte? Den Bericht darüber finden wir in Genesis 15 sowie in Kaptiel 21,2-3. Im „Gesetz“, sagt Paulus. Das bedeutet, dass das 1. Buch Mose (Genesis) zum „Gesetz“ gehört.

Ein Gesetzeskundiger fragte Jesus: „Welches ist das grösste Gebot im Gesetz?“ Jesus antwortete darauf mit dem Zitat über die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten (Mt 22,36-40). Diese beiden Gebote stehen nicht in den zehn Geboten, aber sie sind die grössten im „Gesetz“. Das Gebot der Liebe zu Gott steht in Deuteronomium 6,5; das Gebot über die Nächstenliebe finden wir in Leviticus 19,18. Folglich gehören das Deuteronomium und auch der Leviticus zum Gesetz. Es versteht sich von selbst, dass damit auch alles andere was in den betreffenden Büchern geschrieben steht, miteinbezogen ist.

Jesus fragte seine Kritiker: „Habt ihr im Gesetz nicht gelesen, dass am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat entheiligen und ohne Schuld sind?“ (Mt 12,5). Was heisst das, „im Gesetz nicht gelesen“? Wo finden wir denn diese Stelle im Alten Testament? In Numeri 28,9 wird von den Opfern gesprochen, die die Priester am Sabbat darbringen mussten. Opfern bedeutet Arbeit; doch am Sabbat durfte nicht gearbeitet werden. Dennoch blieben die Priester ohne Schuld. Grundsätzlich lernen wir hier, dass das Buch Numeri zum „Gesetz“ gehört.

Jesus machte seinen jüdischen Gegnern den Vorwurf: „Hat euch nicht Mose das Gesetz gegeben? Und niemand unter euch tut das Gesetz. Warum sucht ihr mich zu töten?“ (Joh 7,19). Weil die Juden Jesus töten wollten, wurden sie zu Übertretern des Gesetzes, denn es sagt: „Du sollst nicht töten.“ Dieses Gebot steht in Exodus 20,13 sowie in Deuteronomium 5,17. Daraus ergibt sich für uns: Die zehn Gebote sowie Exodus und Deuteronomium gehören zum „Gesetz“. Wenn also vom „Gesetz“ gesprochen wird, beinhaltet es auch die zehn Gebote (siehe auch Röm 7,7-12).

Eine andere sehr aufschlussreiche Stelle finden wir in Lukas 2,22-24. Abwechselnd wird hier, bezogen auf denselben Sachverhalt, vom „Gesetz Mose“ und vom „Gesetz des Herrn“ gesprochen. Gibt es einen Unterschied zwischen dem „Gesetz Mose“ und dem „Gesetz des Herrn“? Keineswegs, denn Lukas 2,22 und 24 beziehen sich auf dieselbe Stelle im Gesetz, nämlich auf Leviticus 12,1-8. Das „Gesetz Mose“ und das „Gesetz des Herrn“ sind im Sprachgebrauch der Juden ein und dasselbe! Dieser Sachverhalt wird im Buch Nehemia bestätigt. Wir lesen da (Neh 8,2-3,8.14): „Sie fanden im Gesetz, das der Herr durch Mose gegeben hatte ...“. Wenn also der Begriff „Gesetz“ auf das Alte Testament bezogen wird, handelt es sich um ein einziges Gesetz.

Die Bibel kennt keine Teilung in ein Sitten- und Zeremonialgesetz. Solche Begriffe sind der Bibel fremd. Ob es Gebote mit sittlichem oder zeremoniellem Inhalt sind; alle werden immer mit dem Begriff „Gesetz“ bezeichnet. Auch die zehn Gebote sind ein Teil dieses einen Gesetzes. Selbst die Psalmen und Propheten gehören zum „Gesetz“ (siehe 1Kor 14,21 und Jes 28,10-11; Röm 3,9-19 und Ps 14,1-3). Im Sprachgebrauch Jesu und seiner Apostel ist mit dem Begriff „Gesetz“ die Summe aller Gebote und Schriften des alten Bundes gemeint!

 

 Was ist der Unterschied zwischen dem Gesetz und dem Evangelium?

Der alte Bund, das heisst das ganze Gesetz einschliesslich der zehn Gebote, war zeitlich begrenzt und sollte in Christus ein Ende finden. Schon die Propheten sagten durch Gottes Geist voraus, dass die göttlichen Weisungen in Zukunft nicht mehr auf Tafeln stehen sollen, sondern dass Gott sagen lässt: „Ich will mein Gesetz (meine Tora) in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben ...“ (Jer 31,33b). Der neue Bund, den Gott ankündigte, wurde mit Christi Blut versiegelt (Hebr 9,15-23). Da es unter dem Gesetz keine Gerechtsprechung gab, weil alle Menschen gesündigt hatten (Röm 3,23), musste Christus uns von der Herrschaft der Sünde und von dem verurteilenden Gesetz loskaufen, indem er selbst für uns zum Fluch geworden ist (Gal 3,12-13). Damit hat Christus „den Schuldbrief, der mit seinen Forderungen gegen uns war ... an das Kreuz geheftet“ (Kol 2,14). Mit andern Worten hat damit der erste Bund, das mosaische Gesetz, sein Ende gefunden, „indem er sagt: einen neuen Bund, erklärt er den ersten für veraltet. Was aber veraltet ist, das ist seinem Ende nahe“ (Hebr 8,13). Christus ist somit das Ende des Gesetzes (Gal 3,19).

Was aber ist nun das Gesetz des neuen Bundes, das der Herr in die Herzen der Gläubigen schreibt? Es sind nicht die zehn Gebote (Buchstabe), sondern das Evangelium von Jesus Christus – die Gnade und die Wahrheit (Joh 1,17). Das Evangelium ist das Gesetz Christi, das wir zu erfüllen haben (Gal 6,2). Paulus sagt deshalb von sich, unter dem „Gesetz Christi“ zu sein (1Kor 9,21). Was der Jude im Alten Testament an den zehn Geboten hatte, das hat der Christ durch die Führung des Geistes, der uns durch das Wort des Evangeliums leitet. „Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz“ (Gal 5,18).

Das Evangelium darf nicht nur auf Christi Tod, Begräbnis und Auferstehung beschränkt werden (1Kor 15,1-5). Das Wort „Evangelium“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „gute Nachricht, gute Kunde, gute Botschaft oder Freudenbotschaft“. Ursprünglich war mit dem Wort Evangelium jede frohe Nachricht gemeint, die ihren Freudenboten hatte (2Sam 18,26). Im NT bezieht sich jedoch der Begriff „Evangelium“ auf alle Schriften des neuen Bundes, die uns vom Heil in Jesus Christus erzählen (Eph 1,13).

Eine eindrucksvolle Gegenüberstellung des alten und des neuen Bundes gibt uns Paulus (in 2Kor 3,4-9). Die Ausdrücke „alter Bund“ oder „altes Testament“ bedeuten dasselbe und sind andere Bezeichnungen für das Gesetz Mose mit dem Buchstaben, der tötet. Es ist ein Missbrauch dieser Bibelstelle, zu behaupten, dass der genaue Umgang mit der Heiligen Schrift tötet! Paulus will hier sagen, dass der Buchstabe, der in Stein eingehauen war (die zehn Gebote V. 7) zwar Herrlichkeit hatte, aber dass der Dienst des Evangeliums vom Geist Christi ist und lebendig macht, und deshalb noch viel herrlicher ist. Denn kein Mensch konnte durch das Gesetz gerechtgesprochen werden (Röm 3,20). Das Gesetz wurde allen Menschen zum Fluch (Gal 3,10), weil wir alle gesündigt haben und der Gnade Gottes bedürfen. Genau an diesem Punkt setzt die frohe Botschaft, das Evangelium von Christus an.

In Römer 3,21-22 lesen wir, dass die Gerechtigkeit Gottes, die dem Sünder die Erlösung bringt, jetzt ohne das Gesetz geoffenbart wird, das heisst allein durch das Evangelium. Die Betonung (V. 21) liegt hier auf „ohne Zutun des Gesetzes“! Das Evangelium allein macht den Menschen gerecht. Die Gerechtigkeit vor Gott kommt deshalb ohne Zutun der zehn Gebote. Erst durch Christus wird die Bedeutung des Gesetzes richtig klar, denn nur in ihm ist Rettung zu finden. Unter dem Gesetz war es nicht möglich, der Herrschaft der Sünde zu entfliehen. Deshalb musste die Gnade durch und in Jesus Christus den Menschen gebracht werden (Röm 6,14-15). Wer an Christus glaubt, steht nun unter der Gnade und nicht mehr unter dem Gesetz.

Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium besteht darin, dass die Menschen unter dem Gesetz sich die Gerechtigkeit durch eigene Leistung erwerben oder verdienen mussten. Unter dem neuen Bund spricht Gott die Menschen im Glauben gerecht durch das, was Christus geleistet hat.

 

 Was soll der Christ mit den zehn Geboten anfangen?

Christus hat das Gesetz, die in Satzungen bestehenden Gebote für alle die glauben abgetan (Eph 2,15). Die Bedeutung des Wortes „abgetan“, das Paulus in diesem Text verwendet, meint: vernichten, vertilgen, beseitigen. Mit andern Worten: Das Gesetz ist aus dem Weg geräumt! „Das Gesetz hat nur einen Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst“ (Hebr 10,1; Kol 2,16-17; Hebr 8,1-7). Der Schatten ist nicht das Eigentliche, das Leibhaftige oder Wirkliche, sondern eben nur ein Schatten! Wer würde sich schon beim Mittagessen mit dem Schatten eines Schnitzels zufriedengeben? Christus ist das Eigentliche, das Wirkliche, und das Gesetz ist nur ein Schatten der zukünftigen Güter! Durch Christus sind wir vom Gesetz frei geworden (Röm 7,6).

Wenn Paulus die Freiheit vom Gesetz verkündigt, meint er nicht, dass die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit aufgehoben sei und wir nun keinerlei sittliche Verpflichtungen mehr hätten (Röm 8,4). Die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit wird auch im Evangelium aufrechterhalten. Das meint Paulus, wenn er fragt: „Heben wir das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Röm 3,31). Gegner des Apostel Paulus haben nämlich behauptet: Wenn die zehn Gebote keine Gültigkeit mehr haben, dann dürfen wir stehlen, ehebrechen, anderen Göttern dienen, töten usw. Wenn wir doch unter dem neuen Bund stehen; sagt uns denn das Evangelium nicht, wie wir zu leben und Christus nachzufolgen haben? Stellen wir das Gesetz dem Evangelium gegenüber, erkennen wir schnell, wie sowohl das Gesetz als auch das Evangelium die Menschen anleiten, ein verantwortliches Leben zu führen: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötigste Gut, damit er den Bedürftigen abgeben kann“ (Eph 4,28). Ist der ein guter Christ, der sich vom Stehlen fernhält? Nein. Es genügt nicht, kein Dieb zu sein, sondern ein Christ soll darüber hinaus noch gebefreudig sein.

Wer leitet uns also unter dem neuen Bund? Nicht die zehn Gebote, sondern der Geist durch das Wort des Evangeliums (Gal 5,18). In diesem Sinne ist uns Gottes Gesetz im neuen Bund in unsere Herzen geschrieben worden, damit wir die zehn Gebote nicht nur einzuhalten versuchen und dabei Dinge unterlassen, sondern dass wir durch die Liebe, die in unsere Herzen ausgegossen wurde durch den Heiligen Geist (Röm 5,5), angespornt werden zu guten Werken. „Denn was da gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung“ (Röm 13,9-10).

Was ist aber mit dem Sabbat? Nach der Gründung der Gemeinde zu Pfingsten haben die Apostel den Christen nirgends geboten, den Sabbat zu halten. Im Gegenteil! Als Gemeinden, verführt von judaistischen Irrlehrern, das Halten von Tagen begannen, wurden sie von Paulus dafür gerügt (Gal 4,10-11). Diese Aufzählung von jüdischen Festtagen schliesst auch den Sabbat ein, denn nach dem Gesetz gab es wöchentliche, monatliche und jährliche Festtage (1Chron 23,30-31). Mit „Tage“ ist offensichtlich der Sabbat gemeint, der wöchentlich zu halten war. Diese Auslegung wird durch ein weiteres Mahnwort des Paulus bestätigt: „So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats“ (Kol 2,16). Die buchstäbliche Sabbatruhe war ein Schatten der himmlischen Ruhe (Kol 2,16-17). Die ewige Ruhe ist die Erfüllung der Sabbatruhe (Hebr 4,11; 10,1; Offb 14,13).

 

 Zusammenfassung

Im Sprachgebrauch Jesu und seiner Apostel ist mit dem Begriff „Gesetz“ die Summe aller Gebote und Schriften des alten Bundes gemeint!

Es muss unterschieden werden zwischen dem Gesetz Mose, das für die Israeliten bestimmt war und dem Gesetz Christi, das für uns Christen Gültigkeit hat (Joh 1,17).

Jesus hat uns nicht die zehn Gebote, d. h. das Gesetz Mose gelehrt, sondern das Evangelium. Somit ist Er für uns der Bestimmende.

Christus hat das Gesetz erfüllt und für alle die an Ihn glauben, abgetan (Eph 2,15; Röm 10,6).

Die Liebe Gottes, die über unsere Herzen ausgegossen wurde durch den Heiligen Geist, befähigt uns zu grösseren Werken im neuen Bund. Durch die Liebe ist es nun möglich, das ganze Gesetz zu erfüllen! (Röm 13,9-10).