Hebräer-08: Das neue Priestertum und der neue Bund

Christus ist besser als der alte Bund

 

 I.   Der bessere Priesterdienst (Verse 1-6a)

In Vers 1 gibt der Schreiber den Grund an für die Erklärungen im Kapitel 7. Es ist mehr als eine Zusammenfassung. Es ist die Hauptsache (κεφάλαιον) des Gesagten und die des ganzen Briefes. Es handelt sich hier nicht um einen Hauptpunkt neben anderen, sondern um die Hauptsache, auf die alles ankommt. Einen anderen Hauptpunkt gibt es nicht. Jesus Christus ist besser, höher, souveräner, erhabener, überlegener usw.: Er hat sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt (V. 1). Er dient am wahren Zelt, dem Heiligtum im Himmel (V. 2).

Einige Juden könnten folgendes gesagt haben: „Wir können unseren Hohen Priester sehen wie er arbeitet, aber niemand kann euren Hohen Priester sehen. Seid ihr Christen wirklich sicher, dass ihr überhaupt einen habt?“ Die Priesterschaft Christi ist eine Glaubensangelegenheit die sich nicht auf das Sehen gründet (2Kor 5,7; Hebr 11,1). Nur weil wir das menschliche Gehirn nicht sehen können bedeutet dies nicht, dass wir keins haben. Die inspirierten Schriften liefern uns genügend Beweise um an unseren Hohen Priester, Jesus Christus, zu glauben. Jesus sitzt neben der Majestät (μεγαλωσύνη) Gottes in den Himmeln! Diese Umschreibung des Gottesnamens bedeutet gross, erhaben, herrlich. Die Himmel (plural) sind an Grösse und Herrlichkeit nicht zu überbieten ist. Diese Aussage wurde schon einmal gemacht (1,3), aber jetzt wird sie mit dem Hohen Priesterdienst Christi in Verbindung gebracht (siehe auch 10,12; 12,2). Kein menschlicher Hoher Priester sass je zur Rechten Gottes.

Schlussfolgerung:
Die Tatsache, dass Jesus von Gott selbst zum Hohen Priester und König erhöht wurde gibt IHM eine ganz besonders hohe Stellung. Wenn wir von Priesterschaft reden, dann denken wir an die Sünde und die Vergebung. Wenn wir von Königtum sprechen, dann denken wir an David, der über sein Volk herrschte und damit auf den Gesalbten, den wahren König hinweist (Apg 2,30-33; Sach 6,12-13). Jesus ist der absolute Herrscher der über allen Menschen steht (Mt 28,18). Viele sind bereit Jesus anzuerkennen, jedoch in einer reduzierten Form (Mt 7,21). Sie möchten einen liebenden Messias, der keine Forderungen stellt. Er sollte sie nicht auffordern das Leidenskreuz zu tragen und als lebendige, heilige und Gott wohlgefällige Opfer ihr Leben hinzugeben (Röm 12,1). Jeder will einen Erlöser auf seine Art ohne jegliche Verpflichtungen. Es sieht nur so aus als ob Jesus gepredigt wird, aber in Wirklichkeit wird er nicht. Bevor wir nicht erkannt haben, dass Jesus unser ganzes Leben will können wir ihm nicht gefallen.

Die, welche auf ein tausendjähriges Reich hoffen, glauben nicht, dass Jesus jetzt und heute schon die volle Herrschaft besitzt (Apg 2,34-35). Deshalb geben sie der Gemeinde keine besondere Bedeutung. Doch Jesus ist das Haupt seiner Gemeinde (Eph 1,22-23). Die Gemeinde manifestiert das Reich Gottes, d. h. wer zur Gemeinde hinzugefügt wird darf sich auch zum Reich Gottes zählen (Apg 2,47). Wir sind in Gottes Reich hineinversetzt worden (Kol 1,13-14). Wir sind Bürger des Reiches Gottes (Phil 3,20).

Jesus ist ein Diener (λειτουργός) am wahren Zelt im Himmel (Offb 8,3-5). Dieses himmlische Zelt wurde von Gott selbst errichtet. Es ist das wahre Heiligtum. Es umfasst die gesamte himmlische Herrlichkeit. Wie die irdischen Hohen Priester Gott „Gaben und Opfer“ darbrachten, so hatte auch Christus etwas zu opfern; nämlich sich selbst (9,14). Hier auf Erden konnte Jesus kein Priester sein, weil es schon genügend Priester gab, die nach dem Gesetz am irdischen Tempel dienten. Christus diente also nicht am irdischen, sondern am himmlischen Tempel.

Die levitischen Priester dienten nur einem Abbild und Schatten. Wer am mickrigen Zelt (σκηνή) diente der hatte noch gar nichts gesehen. Selbst der grossartige Tempel auf Erden war bloss ein schwacher Abglanz des Himmlischen (Offb 21,22). Jetzt wissen wir auch weshalb es wichtig war, dass Mose alles ganz genau nach dem Vorbild machte, dass Gott ihm auf dem Berg gezeigt hatte (Ex 25,40). Das Zelt war von wichtiger Bedeutung für die Zukunft aller Gläubigen, die sich den Himmel vorstellten. Das Zelt war auch ein wichtiges Muster für den Tempelbau (ca. 960 v. Chr.), der das Zelt ersetzte. Zudem war das Zelt das Vorbild für die Gemeinde im NT.

Jesus hat also einen viel grösseren Dienst erhalten als alle andern Priester auf Erden. Jesus dient am himmlischen Heiligtum, das im Neuen Testament durch die Gemeinde repräsentiert wird (Mt 16,18-19). Jesus ist das Haupt der Gemeinde (Eph 1,21-22). Die Gemeinde ist das Reich Gottes (Offb 1,9-11). Die Gläubigen bilden den Tempel Gottes (1Kor 3,16). Der allmächtige Gott wohnt in den Gläubigen (2Kor 6,16). Christus wohnt in uns (Eph 3,17). Jesus erklärt im NT wie wir im Geist und in der Wahrheit den Vater anbeten (Joh 4,24). Die Anbetung der neutestamentlichen Gemeinde muss genauso nach dem Urbild stattfinden und darf von Menschen nicht verändert werden (1Kor 4,6). Glauben heisst Zugang zu Gott haben nach Seiner Ordnung (9,10). Wir werden im kommenden Kapitel noch sehen wie die Dinge im irdischen Zelt die himmlischen Dinge symbolisieren.

Schlussfolgerung:
Jesus bringt uns durch die Gemeinde in die Gegenwart Gottes. Als heilige Priesterschaft wohnen wir im Heiligtum Gottes und Gott wohnt in uns. Wie Christus dienen wir am himmlischen Heiligtum, dem Vorbild des irdischen Zeltes.

 

 II.   Der bessere Bund (Verse 6b-13)

Der erste und der zweite Bund.
Die Bibel gebraucht für den ersten und zweiten Bund auch die Begriffe: Altes und Neues Testament (Hebr 8,13; 8,8; 9,15; 12,24). Das Alte Testament beginnt eigentlich erst mit der Gesetzgebung am Sinai. Abraham, Isaak und Jakob befanden sich noch in der Zeit vor dem Gesetz. Gesetz Mose, Stein, Buchstaben und Gesetz Christi, Geist (2Kor 3). Das griechische Wort das hier für Bund gebraucht wird ist nicht das welches damals unter den Griechen normalerweise verwendet wurde. Das allgemein bekannte Wort für Bund war Süntheke (συνθήκη). Süntheke beschreibt ein Abkommen zweier gleichgestellter Parteien. Zum Beispiel ein Ehevertrag oder Vertrag der dann in Kraft tritt, wenn er von beiden Seiten akzeptiert und eingehalten wird. Bei Vertragsbruch ist der andere Teil nicht mehr an die ausgehandelten Bedingungen verpflichtet. Im Hebräerbrief ist jedoch die Rede von Diatheke (διαθήκη). Diatheke ist eine Willenserklärung in Form eines Testaments (9,16-17). Hier werden keine Gegenleistungen oder Bedingungen eingefordert. Der Bund geht von einer Person aus die sich freiwillig für den andern verpflichtet. Trotzdem muss der Bundespartner auch damit einverstanden sein und das Angebot annehmen.

Der alte Bund, den Gott mit seinem Volk Israel schloss gründete sich auf dem Gesetz Mose (Dtn 5,1-3). Schon damals war es Gott der die Initiative ergriff und dem Volk Israel eine einzigartige Beziehung offerierte (Dtn 6,4-7). Diese Beziehung hing jedoch völlig davon ab, dass die Menschen das Gesetz Mose einhielten (Ex 24,1-8). (Siehe Segen oder Fluch, in Lev 26.) Gottes Bedingung war an den Gehorsam zum Gesetz geknüpft! Gottes Verheissungen bezogen sich auf das irdische Leben in einem irdischen Land. Weil das auserwählte Volk Gottes vertragsbrüchig wurde, löste der Herr den Bund auf (Ez 16).

Der alte Bund ist veraltet, überlebt, dem Verschwinden nahe (V. 13).
Christus ist das Ziel und das Ende des Gesetzes (Röm 10,4). Wir sind frei vom Gesetz (Röm 7,6). Wir sind keine Diener des Buchstabens (2Kor 3,6). Das Gesetz ist nicht mehr länger ein Aufpasser, Zuchtmeister oder Erzieher für die Menschen (Gal 3,24-25). Der Schuldbrief wurde ans Kreuz genagelt (Kol 2,14). Das Gesetz wurde aufgehoben (Eph 2,15). Das Gesetz war schwach und nutzlos und brachte nichts zur Vollendung (Hebr 7,18-19). Das Gesetz war nicht tadellos, weil es am Widerstand der menschlichen Natur scheiterte (Hebr 8,7; Röm 8,3). Christus hebt den ersten Bund auf um den zweiten in Kraft zu setzen (Hebr 10,9).

Der alte Bund (das Gesetz) wurde abgeschafft und ein neuer Bund aufgerichtet. Dieser neue Bund ist nicht bloss (νέος) eine Nachbildung des alten, wie ein „Update“ eines bestehenden Programms. Dieser Bund ist im Hinblick auf die Zeit und die Eigenschaften völlig neu (καινός) im Sinne von noch nie dagewesen (V. 13).

Das neue Gesetz soll den Menschen ins Herz geschrieben werden: Jeremia 31,31-34 (zitiert in Hebräer 8,7b-12). Die Tatsache, dass der neue Bund 600 Jahre vor Christus durch Jeremia prophezeit wurde zeigt, dass der Alte mangelhaft war (V. 7). Das Nordreich wurde bereits vor über 100 Jahren in die Welt zerstreut. Nun wurde Juda von den Babyloniern bedrängt und ging ihrem endgültigen Untergang zu (586 v. Chr. war die Zerstörung Jerusalems). Diese Worte sollten dem gezüchtigten Volk neue Hoffnung geben (Jer 31,17). Gott versprach das Volk in ihr Land zurückzuführen und ihnen einen neuen und besseren Bund zu geben. Die Verheissungen Jeremias erfüllten sich in physischer Hinsicht, indem der Herr einen Teil des zersprengten Volkes zurück in ihr Land brachte (nach der siebzigjährigen Gefangenschaft). Diese Verheissungen sind jedoch vor allem auf das Neue Testament ausgerichtet. Juda und Israel sind Bilder für das gesamte Volk Gottes heute (Gal 6,16; 3,28; Röm 9,6). Juda bedeutet das jüdische Volk. Israel bedeutet Menschen aus allen Nationen. Jesus gründete mit seinem Blut einen neuen Bund (Mt 26,28). Später sagte er, dass dieser Bund, das Evangelium Christi auf der ganzen Welt verkündigt werden sollte (Lk 24,46-47; Mk 16,15; Mt 28,18-20).

Wie werden Gottes Gesetze den Menschen in ihren Sinn gelegt und in ihr Herz geschrieben? Gott schenkt heute jedem Menschen, der sich zu Christus bekehrt ein neues Herz. Im AT traten die Menschen durch ihre Geburt in den alten Bund ein. Die Knäblein wurden am achten Tag beschnitten (Lev 12,3). Ohne eigene Entscheidung zählten Mädchen und Knaben zum Volk Gottes. Das jüdische Kind hatte von Gott keine Ahnung. Deshalb mussten die Kinder regelmässig unterrichtet werden über Gott und seine Gebote. Im Gegensatz dazu kann das einem Gläubigen im neuen Bund nie passieren. Der Mensch tritt in den neuen Bund ein durch die geistige Wiedergeburt. Er hört das Evangelium, glaubt und gibt sich im Gehorsam dem Herrn hin (Röm 10,17; Apg 2,41). Die Geburt im Geist kann also nur durch die bewusste Entscheidung für Gott und sein Reich stattfinden (Joh 6,44-45). Niemand zählt im NT durch seine physische Geburt zur Gemeinde des Herrn.

Das Gesetz Christi wird den Gläubigen ins Herz geschrieben durch die Liebe. Bsp. Es ist wie mit einer Mutter, die ihr Kind mit dem Auto in den Kindergarten fährt. Vor den letzten fünfhundert Metern fährt sie an einer Verkehrstafel vorbei mit der Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern. Zudem sieht sie entlang der Strasse selbstgebastelte bunte Holztafeln, die die Autofahrer auf spielende Kinder aufmerksam machen. Jede Mutter, die ihr Kind liebt ist dankbar für diese Hinweisschilder. Niemals würde sie sich ärgern und dieses Gesetz missachten. Sie weiss, dass dieses Gesetz ein Schutz auch für ihr eigenes Kind ist. Genauso ist es mit dem Gesetz Gottes, das in unser Herz geschrieben wurde. Die Liebe zu Gott motiviert uns seine Gebote zu halten (1Joh 5,3). Gottes Gnade spornt uns an zu guten Werken (Tit 2,11-14).

Ein weiterer Kontrast zwischen den beiden Bündnissen kann in der Vergebung gesehen werden (V. 12).
Gott schenkt jedem Menschen, der sich zu Christus bekehrt eine neue Vergebung. Der Gläubig gewordene schliesst sich nach seiner Reinigung der heiligen Gemeinde an. Die Gemeinde stellt die gereinigte Braut Christi dar die sich auf ihren Bräutigam vorbereitet (Offb. 19,7-9). Unter dem mosaischen Gesetz gab es noch keine geheiligte Braut und auch keine vollständige Vergebung für die Sünden. Am grossen Versöhnungstag wurden die Sünden durch die Tieropfer nur vor dem Volk her gerollt aber nicht vollständig getilgt (Lev 16; Hebr 10,4). Bsp. Angenommen ich hätte so viel Schulden gemacht, dass ich mein ganzes Leben lang nur dazu fähig wäre die Zinsen zurückzuzahlen, aber niemals den Schuldbetrag. Auch wenn sich ein Millionär erbarmt und mir jeden Monat die Zinsen zahlen würde bis zum Ende meines Lebens, würde das immer noch nicht meinen Schuldbetrag mindern. Erst wenn sich ein anderer Millionär einverstanden erklären würde mir die Zinsen samt dem gesamten Schuldbetrag zu zahlen, wäre das wie ein Sechser im Lotto. Genauso ist es mit dem Alten und Neuen Bund: Der erste Millionär offerierte eine teilweise Vergebung, die mich aber nicht wirklich befreit hätte (= alter Bund). Der zweite Millionär offerierte vollständige Vergebung und die völlige Befreiung von meinen Schulden (= neuer Bund).

Die Vergebung im Neuen Bund macht uns Schuldenfrei. Ohne persönliche Verdienste werden wir von Christus gerecht gemacht (Röm 3,24). Sein Blut reinigt uns auch fortwährend von unseren täglichen Sünden, wenn wir im Licht wandeln (1Joh 1,7).

 

 Link:

- Hebräer 9:  Abbilder einer besseren Ordnung