Gottes Plan-10b: Kommunikation

Gottes Plan für die Ehe

 

 Einleitung

Wenn Scheidungspaare gefragt werden, warum ihre Ehe gescheitert sei, geben sie in den meisten Fällen mangelnde Kommunikation an. Es ist offensichtlich, dass der Gedankenaustausch in der Ehe eine wichtige Rolle spielt. Kommunikation in der einfachsten Form bedeutet Zwiegespräch. Zum Gedankenaustausch gehört allerdings, dass wir einerseits etwas von uns preisgeben und andererseits hinhören, was der Andere zu sagen hat. Wenn dieses wechselseitige Geben und Nehmen nicht stattfindet, kommt es zu Störungen und Missverständnissen.

Funktioniert aber der kommunikative Austausch in einer Ehe, können Mann und Frau über Gedanken, Gefühle, Erfahrungen, Werte, Prioritäten und Auffassungen offen reden.

 

 Gottes Vorbild in der Kommunikation

Unser Gott und Schöpfer ist uns in Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation das beste Vorbild: „Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben aller Dinge und durch den er die Welten geschaffen hat“ (Hebr 1,1-2).

Im Laufe der Geschichte hat Gott auf vielfältige Weise mit den Menschen geredet. Wir lesen, dass Gott durch Engel, Visionen, Träume redete und durch die Apostel und Propheten (Eph 2,20). Gott spricht heute noch zu uns durch den Regenbogen (Gen 9,13). Ja, sogar durch die ganze Schöpfung redet Gott mit uns! Trotz vieler Enttäuschungen, hat der Herr nie aufgehört mit uns Menschen Kontakt aufzunehmen und zu reden. Am Ende der Tage der Offenbarungen und Träume spricht Gott nun durch seinen Sohn, indem er uns zuruft (Apg 2,39-40).: „Lasst euch retten aus diesem verkehrten Geschlecht!“ Denn Gott will, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 4,1).

Wir haben also die Möglichkeit, Gott kennen zu lernen, weil er uns sein Wort gegeben hat; die Bibel. Wie entstand die Bibel? „Getrieben vom heiligen Geist [haben] Menschen im Auftrag Gottes gesprochen“ (2Petr 1,21). Das bedeutet, dass die Bibel Gottes Wort ist. Aber wir müssen uns auch mit der Bibel beschäftigen! Wir müssen lesen und hören. Wir können keine Gemeinschaft mit Gott pflegen, wenn wir diesen Weg der Kommunikation nicht einschlagen.

Es ist offensichtlich, dass Menschen mit unterschiedlicher Intensität Gemeinschaft mit Gott pflegen. Einige stehen Gott ganz nah, während andere ihm weit entfernt sind. Um grössere Nähe herzustellen, brauchen wir regelmässige Kommunikation. Durch sein Wort lernen wir Gottes Wesen näher kennen. Aber auch durch das Gebet kommen wir Gott näher. So entsteht eine Wechselwirkung zwischen hören und reden. Wenn Gott redet, hören wir aufmerksam zu und wenn wir ihm unser Herz ausschütten, dann hört er uns zu. So pflegen wir auf dieser Erde unsere Beziehung mit Gott!

Die gleichen Regeln gelten auch für unsere Ehen. Paulus schreibt (1Kor 2,11; NGÜ): „Denn genauso, wie die Gedanken eines Menschen nur diesem Menschen selbst bekannt sind - und zwar durch den menschlichen Geist -, genauso kennt auch nur der Geist Gottes die Gedanken Gottes; niemand sonst hat sie je ergründet.“ Jeder kennt also nur sich selbst, ausser er äussert sich. Die Behauptung: „Ich kann in den Augen des andern lesen, wie in einem Buch“ ist häufig eine Selbstüberschätzung. Wir können die Gedanken eines anderen nicht lesen. Ohne klare Kommunikation bleibt jeder für uns ein Buch mit sieben Siegeln. Häufig ist von der Körpersprache die Rede. Es wird behauptet, dass man erkennen könne, was im Menschen vorgeht, an der Art und Weise wie jemand sitzt, die Arme verschränkt, die Beine übereinander schlägt, redet oder das Gesicht verzieht usw. Das mag bis zu einem gewissen Grad zutreffen. Man kann aus einem gewissen Verhalten Rückschlüsse ziehen, aber niemals in die Seele eines anderen vordringen, indem wir ihn nur äusserlich betrachten. Wenn wir zum Beispiel eine Person beobachten, die Tränen in den Augen hat, dann wäre es falsch anzunehmen, dass sie Kummer hat. Es könnten ja auch Freudentränen sein. Erst wenn sie sich entschliesst, mit uns darüber zu reden, werden wir wissen, was die Person beschäftigt.

Das Gespräch ist also von entscheidender Bedeutung, wenn wir verstehen wollen, was den anderen bewegt. Werden Gedanken nicht offen ausgesprochen, können wir nur Vermutungen anstellen. Weil das leider viele tun, indem sie meinen, im Gedankenlesen Experte zu sein, gibt es so viele Missverständnisse. Um die Nähe zum Partner oder zu andern Menschen zu fördern, müssen wir einerseits mitteilen, was uns bewegt, und andererseits zuhören, was andere bewegt. Erst wenn wir lernen, Gesprächsbarrieren zu überwinden, und begreifen, was wahre Kommunikation eigentlich bedeutet, werden wir mit guten Beziehungen belohnt. Deshalb ist es in jeder engeren Beziehung, aber besonders in der Ehe absolut notwendig, dass wir von Anfang an eine feste Gesprächszeit einplanen.

Es gibt eine tägliche Minimaldosis, die eine gute Beziehung ausmacht. Viele Paare reden tagelang nicht miteinander und sind verwundert, wenn sie sich immer mehr auseinanderleben. Beziehungen müssen gepflegt werden, damit sie nicht abbrechen, sondern stark werden. Gute Gespräche sind der Weg zu mehr Nähe und Vertrautheit. Mangelnde Kommunikation dagegen führt Paare in eine Sackgasse. Es müssen nicht immer tiefgehende Gespräche sein. Es dürfen einfache und ganz banale Dinge des Alltags sein, die uns beschäftigen und wir miteinander teilen. Wichtig dabei ist, dass wir ein gesundes Gesprächsklima entwickeln, damit jeder auch die Lust verspürt eine Stufe höher zu steigen. Die folgenden fünf Kommunikationsstufen sind, wie eine Treppe, die Steigerung in allen unseren Beziehungen, die zu mehr Nähe und Vertrautheit führt.

 

 Erste Stufe: Gespräche im Vorübergehen

Das ist die unterste Stufe, in der sich die meisten Menschen befinden. Wir alle erleben sie vielleicht täglich, indem wir gefragt werden: „Wie geht’s?“ Wenn wir diese Frage bloss als eine Höflichkeitsfloskel empfinden, dann antworten wir mit: „Gut danke, und Ihnen?“ und spielen den Ball zurück. Wenn wir aber tiefer ins Gespräch kommen wollen, dann ist eine etwas ausführlichere Antwort notwendig.

Solche und andere Redefloskeln können eine Annäherung darstellen, die sagen: „Du interessierst mich.“ Sie gehören zu unserer Kultur und sind kleine Annäherungsversuche. Wir sollten sie deshalb nicht als völlig wertlos und negativ betrachten. Sie bieten die Gelegenheit zu mehr Nähe, wenn das gewünscht wird. Aber es gibt Ehepaare, für die diese unterste Stufe bereits einen Fortschritt darstellen würde. Viele leben aneinander vorbei, ohne ein einziges Wort miteinander zu wechseln. Selbst ein „guten Morgen“ wäre eine willkommene Unterbrechung des eisernen Schweigens.

Smalltalk in der Öffentlichkeit überschreitet nur selten die unterste Stufe. Niemand erwartet dort mehr als ein höfliches „Danke gut, und dir?“ Manche Menschen kommen nie über diese Stufe hinaus. Wenn ein Ehemann auf Reisen war, nach drei Tagen heimkommt und dann seine Frau ihn fragt: „Und, wie ist es so gelaufen?“ und er antwortet nur mit: „Gut,“ dann ist das ein bedenklicher und alarmierender Zustand in einer Ehe. Wer drei Tage voller Erlebnisse auf ein einziges Wort komprimiert, der wird kaum ein Gefühl persönlicher Nähe entstehen lassen. Das Bibelwort im Philipper 4 steht zu solchem Verhalten in krassem Widerspruch (Phil 4,5).: „Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren.“

 

 Zweite Stufe: Berichterstattung

Auf der zweiten Stufe geht es nur um Fakten: Wer hat was, wann und wo getan? Es geht nur um Tatsachen. Persönliche Meinungen und Stellungnahmen sind nicht gefragt. Das heisst, eigene Gedanken bleiben unausgesprochen.

Die Frau berichtet zum Beispiel: „Heute wurde auf der Hauptstrasse die Katze unserer Nachbarin überfahren.“ Ihr Mann brummt nur und die Frau fährt fort: „Der Autofahrer blockierte die Strasse und redete mit der Tierhalterin, Frau Müller. Sie will den Autofahrer anzeigen, weil er zu schnell gefahren sei.“ Der Mann schweigt oder wechselt das Thema. Die Fakten werden nicht kommentiert, d. h. was dabei empfunden wurde. Da herrscht eine frostig kalte Atmosphäre. Mit solchen Gesprächen können weite Bereiche des Alltagslebens abgedeckt werden. Es ist zwar wichtig, dass Fakten und Ereignisse besprochen werden. Ohne diesen Informationsfluss wäre es ziemlich schwierig, miteinander zu leben. Doch in Wahrheit tut sich zwischenmenschlich sehr wenig zwischen den Beteiligten weder geistig-intellektuell, noch emotional, noch auf geistlicher Ebene, die Frage nach körperlicher Nähe ist damit auch beantwortet. Die Flamme der leidenschaftlichen Liebe, die am Tag der Hochzeit füreinander brannte, ist in einer solchen Ehe erloschen. Dennoch glaubt so manches Paar, das regelmässig auf dieser zweiten Ebene kommuniziert, ein gutes Gesprächsklima untereinander zu haben. Der Heilige Geist lehrt uns aber eine ganz andere Sprache, indem wir aufgefordert werden Worte des Lobes, der Erbauung, der Liebe und der Fürsorge miteinander zu teilen (Phil.4,8; Eph 4,29; Kol 4,6).

 

 Dritte Stufe: Gedankenaustausch

Auf dieser Stufe geht es nicht mehr bloss um das Übermitteln von Fakten. Wir reden über Meinungen, Einschätzungen und Urteile. Wir lassen jemand andern teilhaben, wie wir Umstände und Fakten gedanklich verarbeiten.

Die folgenden Aussagen verdeutlichen, was diese Ebene ausmacht, zum Beispiel: „Ich denke, dass das Ehepaar, das unsere Gemeindeversammlungen ein paar Mal besuchte, gar nicht ernsthaft an einer Beziehung mit Gott interessiert war.“ „Ich finde, dass wir unseren Gesang mehr üben sollten.“ „Ich würde gerne einmal nach Amerika fliegen, um dort die Gemeinden zu besuchen.“ Solche Äusserungen sind bereits eine höhere Stufe der Kommunikation.

Dazu kommt noch, dass der Zuhörer auf die Äusserungen eingeht, zum Beispiel: „Ich denke nicht, dass das Ehepaar uninteressiert war.“ „Ich finde, wir haben schon genug geübt und haben einen harmonischen Gesang.“ „Ich würde auch gerne nach Amerika fliegen, aber mir fehlt Zeit und Geld.“ Hier werden Gefühle und Gedanken Preis gegeben, die nicht immer auf gleiche Meinung stossen. Es ist klar, dass die Konfliktwahrscheinlichkeit auf dieser Stufe deutlich zunimmt. Wenn jemand nicht besonders selbstsicher oder emotional gerade in schlechter Verfassung ist, tendiert ein solches Gespräch abzubrechen. Man möchte sich nicht mit der abweichenden Meinung des andern auseinander setzen. Es könnte aber auch das Gegenteil der Fall sein, indem jemand damit einen Grund gefunden hat, den andern zu belehren und zurechtzuweisen. In vielen Beziehungen wird diese dritte Ebene des Gesprächs gemieden, weil man den Widerspruch nicht aushalten kann. Man fühlt sich bedroht und zieht sich dann auf Stufe 2 oder gar 1 zurück. Auf jeden Fall wird auf diese Weise keine vierte Stufe erreicht.

Grundlage jeder echten Kommunikation ist die Toleranz. Das heisst; man lässt dem anderen die Freiheit, anders zu denken. Es ist weder erforderlich noch wünschenswert, dass Ehepartner immer einer Meinung sind. Ich habe zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass viele dachten, ich würde mit meiner Frau im Streit leben, weil wir vor ihnen unterschiedliche Meinungen hatten. Meinungsverschiedenheiten müssen die Vertrautheit zwischen den Partnern nicht einschränken. Im Gegenteil! Die Vertrautheit wird dann behindert, wenn einer dem anderen seine Meinung aufzwingen will. Bei vielen verflüchtigt sich der Wunsch und das Gefühl sehr schnell, einander nahe zu sein, wenn sie nicht einer Meinung sein können und es kommt häufig zu Zank und Streit. Das muss nicht so sein! Jesus war auch nicht immer einer Meinung mit seinen Jüngern! Denken wir an die Situation, als er den Jüngern seine Leidenszeit ankündigte (Mt 16,21-23).

 

 Vierte Stufe: Über Gefühle reden

Auf dieser vierten Stufe unserer Kommunikationstreppe reden wir darüber, was uns im tiefsten Innern bewegt. Wir sagen zum Beispiel: „Ich bin gekränkt, enttäuscht, wütend, glücklich, traurig, aufgeregt, gelangweilt. Ich fühle mich ungeliebt, im siebten Himmel, einsam.“ So beschreiben wir unsere Gefühle auf dieser Ebene. Den meisten Menschen fällt es allerdings schwerer, über Gefühle zu reden als über Meinungen (wenn, dann aggressiv und hasserfüllt). Gefühle gehören zum Privatesten was wir haben.

Viele äussern freimütig Meinungen und Auffassungen, ohne dabei preiszugeben, was sie im tiefsten Innern bewegt. Es kann sogar so sein, dass Äusserungen gegenteilige Gefühle kaschieren. Der Mann sagt beispielsweise zu seiner Frau: „Ich fand die Predigt heute viel zu lang.“ Das hört sich relativ sachlich an. Aber möglicherweise sagt er das nur, weil er tief im Innern von den Aussagen der Predigt getroffen wurde und nun mit Gewissensbissen zu kämpfen hat. Was er sagt, bezieht sich auf die Länge der Predigt, aber was er fühlt, hat mit dem Inhalt zu tun. Der Abstand zwischen Stufe 3 und 4 ist grösser als bei den vorhergehenden Stufen. Wer sagt, was er fühlt, macht sich verletzlich. „Wenn ich dir meine Gefühle sage und sie dich befremden, dann fühlst du dich vielleicht unwohl, du bist gekränkt oder gar wütend. Und ich habe dann grosse Mühe, mit deiner Ablehnung fertig zu werden. Und deshalb behalte ich meine Gefühle doch lieber für mich!“ Wir riskieren eine Menge, sobald wir uns auf dieser Ebene äussern. Andererseits bekommen wir auch die Gelegenheit, auf einem höheren Niveau Vertrautheit und Nähe zu entwickeln.

Emotionen unterstreichen unsere Individualität. Niemand hat in einer gegebenen Situation die gleichen Empfindungen wie wir! Selbst wenn wir einer Meinung sind, unterscheiden sich unsere Gefühle immer noch. So könnte ein Paar zu der gemeinsamen Auffassung gelangt sein, nach Italien umzuziehen. Obgleich beide gemeinsam diese Entscheidung gefällt haben, werden die Gefühle dahinter je nach Lebensgeschichte unterschiedlich sein. Der Mann mag vollkommen überzeugt sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und dennoch fürchtet er, dass er in Italien keine Arbeit findet. Seine Frau wird ganz andere Gefühle haben, ihrer Persönlichkeit entsprechend. Jeder von uns ist mit seiner Lebensgeschichte einzigartig, und wenn wir über unsere Gefühle reden, geben wir viel von uns selbst preis. Das aber birgt das Potenzial in sich, dem anderen Menschen näher zu kommen.

Auf dieser Ebene zu kommunizieren erfordert schon einige Fähigkeiten. Viele fürchten, vom anderen nicht wirklich verstanden und deshalb abgelehnt zu werden. Um auf dieser Ebene zu kommunizieren ist von beiden Seiten viel Liebe, Einfühlsamkeit und Verständnis gefordert. Ich habe es immer wieder erlebt, dass gerade in christlichen Kreisen solche Gefühlsäusserungen nicht akzeptiert werden. Dabei sollten wir eigentlich die Spezialisten sein, im aufeinander Eingehen und Verstehen, was den Andern bewegt. In 1. Thessalonicher 5,14 steht: „... ermutigt die Verzagten, steht den Schwachen bei, habt Geduld mit allen!“ Niemand möchte zu den Verzagten und Schwachen gehören. Doch wenn wir ehrlich zugeben, dann sind wir alle schon verzagt oder schwach gewesen. Wer konnte unsere Gefühle dann verstehen und akzeptieren? Also, lasst uns nicht die Starken spielen, die am Ende doch schwach und verzagt sind, aber es niemandem mitteilen dürfen. Lasst uns diese Stufe der Kommunikation schon zu Hause üben, indem wir auf unseren Ehepartner, Mutter, Vater, Kinder usw. eingehen und Verständnis zeigen, wenn sie ihre Gefühle äussern! Niemand soll sich zurückgedrängt fühlen, seine Gefühle auch einmal preis zu geben. Denn, wenn wir unsere Gefühle unter Verschluss halten, ist der Partner oder die Anderen darauf angewiesen zu erraten, was in uns vorgeht. Das führt dann häufig zu Missverständnissen, weil Signale falsch gedeutet werden.

An dieser Stelle möchte ich ein Beispiel hoher Kunst der Kommunikation anführen: Ich sage zu dir: „Weisst du, ich werde das Gefühl nicht los, dass du bei jedem Thema prinzipiell immer die Gegenposition einnimmst. Ich habe das Gefühl, du hast etwas gegen mich und sagst es mir auf diese Weise. Das ständige Widersprechen ist deine Art, mir zu verstehen zu geben, dass du mich ablehnst.“ Wie würdest du darauf reagieren? Würdest du in Verteidigungsstellung gehen und je nach Charakter reagieren, indem du dich entweder weinend zurückziehst und beleidigt bist? Oder würdest du auf die Barrikade gehen und mit einem Wutanfall mir Anklagen an den Kopf wirfen? Beide Verhaltensweisen sind weltlich und stammen aus dem fleischlichen Denken. Sie haben nichts mit einem geistlich denkenden Christ zu tun. Wie reagiert aber ein geistlich denkender Christ auf solche Äusserungen? Ein einfühlsamer Mensch, der sich der Schwachen annimmt würde sagen: „Oh, es tut mir Leid, das war nicht meine Absicht. Ich hatte keine Ahnung, dass du so empfindest.“ Auf diese Weise geben wir dem andern die Möglichkeit, freimütig über seine Gefühle zu reden, und schaffen eine Atmosphäre der Nähe und Vertrautheit. Das nächste Mal ist dann der Andere an der Reihe sich auszusprechen, indem er sagen darf, was in ihm vorgeht.

Wenn wir gute Gespräche und Beziehungen pflegen wollen, müssen wir begreifen, dass wir als Individuen in einer unterschiedlichen Gefühlswelt leben, selbst wenn wir uns noch so nahe stehen und momentan dasselbe erleben. Wir müssen uns gegenseitig die Freiheit lassen, unterschiedlich zu empfinden, dann findet schliesslich jeder den Mut, über tiefste innere Regungen zu sprechen. Verhalten wir uns andern gegenüber ablehnend oder gar feindselig, wenn es zu Gefühlsäusserungen kommt, schaffen wir Distanz, statt Nähe und fallen auf die Gesprächsstufe 3 oder gar 2 zurück. In einem offenen Gesprächsklima, geprägt von Toleranz und gegenseitiger Annahme, wird es uns gelingen, sogar die letzte Stufe zu erklimmen.

 

 Fünfte Stufe: Aufrichtige Kommunikation von Liebe und Zuneigung

Damit erreichen wir die oberste Stufe der Kommunikation. Auf dieser höchsten Plattform können wir uns einrichten. Hier fühlen wir uns angenommen und geborgen. Wir können die Wahrheit (wie wir sie verstehen) in Liebe sagen, und dadurch werden wir uns so nahe kommen wie nie zuvor. Wir können ehrlich sein, ohne zu verurteilen, offen, ohne zu überfordern (= Sender). Wir erlauben uns gegenseitig die Freiheit, anderer Meinung zu sein und unterschiedlich zu empfinden. Anstatt einander zu verurteilen, wollen wir den anderen verstehen (= Empfänger). Wir suchen nach Gemeinsamkeiten trotz vieler Unterschiede.

Wäre es nicht wunderbar, wenn wir auch als Gemeinde auf diese Stufe der Kommunikation steigen könnten, um damit das Gesetz Christi zu erfüllen, das uns lehrt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Römer 13,9)? Wir können ja vorerst damit beginnen, dass wir jedem die Möglichkeit geben, seine Gefühle zu äussern, solange sie keine direkte Anklage darstellen. Es heisst ja auch: „Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu.“ Es gibt sicher immer noch sehr vieles, was uns bewegt, aber nichts mit dem Andern zu tun hat!

In der Bibel lesen wir sehr viel über diese Form von göttlicher Liebe (Römer 12,9-21; NGÜ):

„Die Liebe soll echt sein, nicht geheuchelt. Verabscheut das Böse, haltet euch unbeirrbar an das Gute. Lasst im Umgang miteinander Herzlichkeit und geschwisterliche Liebe zum Ausdruck kommen. Übertrefft euch gegenseitig darin, einander Achtung zu erweisen. Lasst in eurem Eifer nicht nach, sondern lasst das Feuer des Heiligen Geistes in euch immer stärker werden. Dient dem Herrn. Freut euch über die Hoffnung, die ihr habt. Wenn Nöte kommen, haltet durch. Lasst euch durch nichts vom Gebet abbringen. Helft Gläubigen, die sich in einer Notlage befinden; lasst sie mit ihrer Not nicht allein. Macht es euch zur Aufgabe, gastfreundlich zu sein. Segnet die, die euch verfolgen; segnet sie, verflucht sie nicht. Freut euch mit denen, die sich freuen; weint mit denen, die weinen. Lasst euch im Umgang miteinander davon bestimmen, dass ihr ein gemeinsames Ziel habt. Seid nicht überheblich, sondern sucht die Gemeinschaft mit denen, die unscheinbar und unbedeutend sind. Haltet euch nicht selbst für klug. Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Bemüht euch um ein vorbildliches Verhalten gegenüber jedermann. Wenn es möglich ist und soweit es an euch liegt, lebt mit allen Menschen in Frieden. Rächt euch nicht selbst, liebe Freunde, sondern überlasst die Rache dem Zorn ´Gottes`. Denn es heisst in der Schrift: »´Das Unrecht` zu rächen ist meine Sache, sagt der Herr; ich werde Vergeltung üben.« Mehr noch: »Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Ein solches Verhalten wird ihn zutiefst beschämen.« Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege Böses mit Gutem.“

In diesen Versen werden wir nicht mit einem Wort darin angeleitet, den andern in seiner Gefühlswelt zu vergewaltigen oder zu unterdrücken. Im Gegenteil! Selbst, wenn wir von andern vergewaltigt und unterdrückt werden, sollen wir Gott die Rache überlassen. Vielleicht denken jetzt einige, das alles sei in der Ehe gar nicht möglich. Das stimmt, nicht viele Paare erreichen diese hohe Stufe der Kommunikation. Wenn wir uns aber mit den fünf Kommunikationsstufen auseinandergesetzt haben, dann wissen wir wenigstens, wo wir uns befinden und wo wir hinwollen.

Mit Gottes Hilfe, werden wir es in einzelnen Situationen schaffen, und so Stufe um Stufe erklimmen, wenn wir dran bleiben und uns darin bemühen. Die Voraussetzung für Offenheit ist immer die Gewissheit: Der Partner will das Beste für mich. Erneuern wir also mit unserem Partner nicht den Ehevertrag, sondern den Ehebund, indem wir uns zu Folgendem verpflichten: „Ab heute will ich Dich lieben, ohne Vorbedingungen und ohne Gegenleistungen. Ich will einfach nur das Beste für Dich!“ Wenn das beide Seiten einander bekräftigen können, dann ist der Grundstein für eine gesunde und glückliche Ehe gelegt.

Wer sich gut aufgehoben fühlt, findet dann auch den Mut, Gedanken und Gefühle ungeschützt zu äussern, selbst wenn diese kontrovers sind. Nur so kann das Eins Sein erfahren werden, was das eigentliche Wesen der Ehe ausmacht.

Das eine oder andere Paar fragt sich vielleicht: „Ist es denn überhaupt erstrebenswert, dass man über alle noch so geheimen Gedanken und Gefühle offen redet?“ Die Antwort ist ein klares Nein! Vor einigen Jahren propagierte die Psychologie die absolute Offenheit unter Paaren. Man forderte die Paare auf, jeden noch so geheimen Gedanken auszusprechen und alle Gefühle einander offen zu legen. Die Aufgabe der Privatsphäre sollte die absolute Intimität herstellen. Aber diese Bewegung hat nicht lange überlebt. Viele Ehen sind durch diese Initiative in die Brüche gegangen. Tatsache ist, dass wir alle in unseren Gedanken über die Stränge schlagen. Haben wir nicht alle schon mal gedacht: „Ich packe einfach die Koffer und reise ganz weit weg, wo mich niemand kennt!“? Manche Gedanken sind so ausgeflippt oder negativ, dass sie nicht die Ehre verdienen, auch noch ausgesprochen zu werden. Mancher frisch verheiratete Ehemann bekannte damals seiner Geliebten, wie anziehend er seine Arbeitskollegin findet, oder wie sehr er diese oder jene Freundin der Frau bewundert, und zerstörte damit das Vertrauen und die Intimität seiner Ehe. Er konnte ihr anschliessend noch so beteuern, wie sehr er sie liebte und dass dies alles nur flüchtige Gedanken gewesen seien, die Ehe ging in vielen Fällen in die Brüche. Zu grosse Offenheit ist dumm und schaden mehr als sie nützen.

Es gibt einen Intimitätsbereich, der allein Gott vorbehalten sein soll! Nur Gott allein ist fähig, unsere dunkelsten Gedanken und all unsere verrückten Gefühle zu verstehen und uns trotzdem noch zu lieben. In 2. Korinther 10,5 redet Paulus davon, dass es richtig ist, „alles Denken dem Gehorsam Christi zuzuführen“, das uns gefangen nehmen will. Es kann zerstörerisch sein, über alles mit Menschen zu reden und jeden Gedanken auszuwalzen. Gefährlich ist aber auch, geheime Wünsche und Sehnsüchte zu horten, sie in einem stillen Eckchen zu hegen und zu pflegen. Da ist es besser, dem biblischen Rat zu folgen und solche Gedanken und Gefühle vor Gott zu bringen und uns von ihnen zu trennen, wenn sie nicht gut sind. Danken wir Gott, dass er für uns da ist und wir uns von unseren Gefühlen und Gedanken nicht länger tyrannisieren lassen müssen, weil wir sie bei Gott entsorgen können und frei sind für ein Leben in Frieden mit unserem Partner und mit anderen.

 

 Schlussfolgerung

Die fünf Stufen der Kommunikation sind der Weg zu mehr Nähe und Zweisamkeit. Nun gilt es für uns, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Selbstverständlich kann es immer wieder Rückschritte geben. Aber je fleissiger wir uns darin üben, miteinander ins Gespräch zu kommen, desto intensiver wird der Vorgeschmack auf das, was wir erreichen können, und das macht Lust auf mehr. Jede Stufe ist wichtig, aber die grösste Nähe erleben wir auf der obersten Stufe, wo über Gefühle geredet werden kann, ohne dass man sich abgelehnt oder gar gehasst fühlt.

Darum, lasst uns in der Liebe und Zuneigung zu unserem Ehepartner wachsen, damit wir auch immer fähiger werden, unsere Geschwister in der Gemeinde und alle Menschen in der Welt mit der Liebe Gottes zu lieben!