Auslegung-04: Die Gliederung eines Bibelbuches studieren

Auslegung der Bibel

 

Eines der grössten Hindernisse für das Verständnis der Bibel ist die Aufteilung des Textes in Verse, besonders dann, wenn jeder Vers als separater Absatz gedruckt ist. Zwar sind Verse für das Erkennen, Auffinden und Erinnern von Schriftstellen hilfreich, aber sie können den Ausleger auch behindern ebenso wie sie ihm helfen können. Die Verse unterbrechen den Gedankengang einer Schriftstelle und stören den Zusammenhang. Es sind künstliche Unterteilungen innerhalb eines Textes, die von Menschen vorgenommen wurden.

Anstatt die Bibel Vers für Vers zu studieren, sollten wir versuchen, eine Schriftstelle so zu verstehen, wie sie der Autor geschrieben und gemeint hat. Deshalb will diese Lektion ermutigen, die Gliederung oder Struktur eines Textabschnitts selbst zu erforschen.

Es geht nicht allein darum, den Leitgedanken, die Botschaft oder den Zweck des Buches zu verstehen. Es geht um 1) die gesamte Gliederung des Buches und um 2) die einzelnen Teile der Gliederung im Buch. Wie baute der Autor seine Botschaft auf, um sein Ziel zu erreichen?

Warum lohnt sich der Versuch, nach Gliederungen zu suchen, wenn man die Heiligen Schriften verstehen will? Das Schreiben erfordert eine gewisse Organisation. Wenn der Schreiber beabsichtigt zu informieren, zu überzeugen oder anzuspornen, dann darf er nicht von einem Gedanken zum nächsten springen, je nach Stimmungslage. Vielmehr bemüht er sich, in irgendeiner logischen oder gefühlsmässigen Weise sein Ziel zu erreichen. Dazu gibt der Autor dem Leser gewisse Hinweise, wie er seine Botschaft organisiert hat. Er benützt Übergangswörter wie „zusätzlich“, „andererseits“ oder „deshalb“. Er verwendet auch andere Stilmittel wie die Wiederholung von Wörtern, Sätzen oder ganzen Abschnitten, um auf wichtige Gedanken aufmerksam zu machen. Der scharfsinnige Leser entdeckt durch diese verbalen Hinweise eine klare Struktur oder Gliederung des geschriebenen Werkes.

Was für andere geschriebene Werke gilt, das gilt auch für die Bibel. Wenn wir die Gliederung innerhalb eines Buches der Bibel erkennen – Strukturen, die der Autor dazu bewusst einsetzte, um seine Botschaft rüberzubringen – dann sind wir auf gutem Weg zum Verständnis des jeweiligen Buches und Abschnittes.

Wie können wir aber die Gliederung eines Buches der Bibel erkennen? Dazu gibt es Bücher, die in ihren Einführungen verschiedene Hinweise anbieten. Der beste Weg, die Gliederung eines Buches und eines Textabschnitts der Bibel zu entdecken, ist jedoch das selbstständige Lesen; auch nach Hinweisen vom Autor suchen, weckt das Verständnis, warum er sein Material so angeordnet hat. Mit etwas Mühe sind wir sehr wohl in der Lage, die in einem Buch der Bibel vorhandenen Strukturen selber auszumachen, ohne unbedingt auf weitere Quellen zugreifen zu müssen.

Nachfolgend werden einige Beispiele aufgeführt, wie wir die Gliederung eines Bibelbuches ausfindig machen können. Dabei betrachten wir zwei „Ebenen“ von Gliederungen: die gesamte Gliederung des betreffenden Buches und die einzelnen Teile innerhalb des Buches.

Die Gliederung eines gesamten Bibelbuches

Die erste „Ebene“ ist die Gliederung eines gesamten Buches der Bibel.

„Strukturlose“ Bücher
Einige Bibelbücher scheinen keinen erkennbaren Aufbau zu haben. Im Alten Testament stellt das Buch der Psalmen eine Ansammlung individueller Psalmen dar. Die Reihenfolge, in der die Psalmen zusammengestellt sind, bestimmt jedoch nicht ihre individuelle Bedeutung. Das gleiche gilt für das Buch der Sprüche, einer Sammlung von Weisheitsreden. Bei diesen Büchern ist es nicht so wichtig, wo eine bestimmte Stelle vorkommt. Obschon es auch da einige Sprüche gibt, die zusammen betrachtet eine bestimmte Einheit aufweisen und einen erkennbaren Aufbau bilden.

Im Neuen Testament ist der Aufbau des Jakobusbriefes schwierig zu erfassen. Im Grossen und Ganzen hat Jakobus zwar einen klaren Leitgedanken. Wie dieser Leitgedanke aufgegliedert werden soll, ist nicht leicht zu erkennen. Ebenso ist die Gliederung des 1. Johannesbriefes nicht ohne weiteres ersichtlich. Der Brief kommt immer wieder auf dieselben Gedanken oder Themen zurück, scheint aber keine logische Struktur aufzuweisen.

„Strukturierte“ Bücher
Andererseits kann die Gliederung von einigen Büchern ohne grossen Aufwand entdeckt werden. Dazu einige Beispiele:

1. Epheser. Der Epheserbrief ist ein Buch mit einer offensichtlichen Struktur. In der ersten Hälfte des Buches (Kap. 1-3) geht es um die Lehre, nämlich; was hat Gott getan zur Rettung der Epheser. Die zweite Hälfte (Kap. 4-6) beschreibt praktische Dinge: wie Christen leben sollten. Der Gedanke kann etwa so ausgedrückt werden: In der ersten Hälfte geht es um „Indikative“ – d. h. Hinweise über das, was Gott vollbracht hat. In der zweiten Hälfte geht es um „Imperative“ – d. h. Anweisungen was Christen tun sollen, weil Gott etwas getan hat. Der Vers, der die zwei Hälften zusammenfügt, steht in Epheser 4,1: „Ich ermahne euch nun [daher], ich, der Gefangene im Herrn: Wandelt würdig der Berufung (der Leitgedanke der letzten drei Kapitel), mit der ihr berufen worden seid.“ Jemand, der eine Textstelle in Epheser auslegt, sollte diesen Aufbau im Auge behalten.

2. Offenbarung. Einige mögen glauben, dass alle in der Offenbarung beschriebenen Ereignisse bereits passiert sind, als das Buch geschrieben wurde, aber in Offenbarung 1,19 steht: „Schreibe nun, was Du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird.“ In Offenbarung 4,1 wurde Johannes gesagt, dass ihm gezeigt werde „was nach diesem geschehen soll“. Beide Textstellen scheinen auszusagen, dass die Offenbarung nach einem chronologischen Schema organisiert ist, welches sowohl die Gegenwart beinhaltet (d. h. wie die Dinge damals waren) als auch die Zukunft (d. h. wie die Dinge sein werden, beginnend mit der Zeit, als das Buch geschrieben wurde). Dieser Aufbau muss beachtet werden beim Studium der Offenbarung.

3. Hebräer. Ein weiteres Beispiel finden wir im Hebräerbrief. Dieser hat kleinere Gliederungen. Der Schreiber erwähnt ein geschichtliches Ereignis, aus der eine Lehre gezogen werden kann und ermahnt anschliessend seine Zuhörer, vom Glauben nicht abzufallen, sondern stärker auf den Herrn zu vertrauen. Der Hebräerbrief enthält aber auch eine grössere Gliederung. Hebräer 10,18 bildet den Höhepunkt, indem der Schreiber mit dem Alten Testament beweist, dass es nur unter dem Neuen Bund eine Sündenvergebung gibt. Er stellt folgendes fest (Hebr 10,19-25):

„Da wir nun, Brüder, durch das Blut Jesu Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum, den er uns bereitet hat als einen neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang - das ist durch sein Fleisch - und einen grossen Priester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und damit gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unwandelbar festhalten - denn treu ist er, der die Verheissung gegeben hat - und lasst uns aufeinander achthaben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen seht!“

Die Argumente des Schreibers werden lehrmässig aufgebaut und gipfeln in der Tatsache, dass Christus besser ist, weil wir durch ihn Vergebung der Sünden empfangen und uns Gott nähern dürfen. Diese Wahrheit führt zu praktischen Ermahnungen.

4. Römer. Der Römerbrief ist umsichtig aufgebaut. Die ersten elf Kapitel behandeln wichtige Lehrfragen. Dann schreibt Paulus in Römer 12,1: „Ich ermahne euch nun [deshalb], Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, was euer vernünftiger Gottesdienst ist.“ Worte wie „deshalb“, „deswegen“, „darum“, „daher“ usw. signalisieren, dass Paulus einen neuen Abschnitt im Brief einleitet. Es bezieht sich auf all das, was er bis hierher zu diesem Thema geschrieben hat und bereitet den Leser für die praktischen Anweisungen und Ermahnungen vor, die in Römer 12 beginnen.

5. Philemon. Der Philemon-Brief ist rhetorisch aufgebaut. Das heisst, Paulus will, dass Philemon etwas tut. Dabei spornt er ihn mit Argumenten an, die immer überzeugender wirken, um Philemon zu gewinnen.

6. Evangelien. Die Evangelien sind chronologisch angeordnet. Obschon jedes Buch seine eigene Gliederung enthält, stimmen die Evangelien generell mit dem zeitlichen Ablauf des Lebens Jesu überein. Das heisst, sie berichten wie Jesus lebte, lehrte, Wunder vollbrachte, gekreuzigt wurde und von den Toten auferstand.

7. Apostelgeschichte. In der Apostelgeschichte können wir einen geographischen Aufbau erkennen, basierend auf den Worten Jesu in der Apostelgeschichte 1,8: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem (Kap. 1 - 7) als auch in ganz Judäa und Samaria (Kap. 8 - 12) und bis an das Ende der Erde“ (Kap. 13 - 28).

8. Genesis (1 Mose). Während wir dieses Buch auf verschiedene Weise darstellen können, müssen wir aber erkennen, dass der inspirierte Schreiber das Buch für uns bereits gut aufgebaut hat. Er tat dies, indem er ein hebräisches Wort verwendete (toledot, d. h. Nachkommen, Generationen, Entstehungsgeschichte). Wenn wir einen Textabschnitt in Genesis auslegen, sollten wir die vom Schreiber bereits vorgesehene Gliederung berücksichtigen.

9. Hiob. Das Buch Hiob hat eine augenfällige Gliederung: Die ersten zwei Kapitel und das letzte Kapitel sind in Prosa geschrieben. Dazwischen sind 39 Kapitel in Poesie verfasst. Wenn wir diesen Aufbau beachten, können wir das Buch in drei Teile unterteilen: Einführung, Erörterung, Schlusswort. Um den Sinn des Buches Hiob zu verstehen, sollten wir die 39 Kapitel, die zum Hauptteil zählen, nicht ausser Acht lassen.

10. Jona. Um was geht es im Buch Jona? Die Antwort finden wir im letzten Kapitel des Buches. Dort gibt Jona den Grund an, weshalb er sich am Anfang weigerte, Gottes Anweisungen zu befolgen. Im Kapitel 4,1-3 lesen wir, wie Jona auf die Bekehrung der Stadtbewohner von Ninive reagierte:

„Und es missfiel Jona sehr, und er wurde zornig. Und er betete zum Herrn und sagte: Ach, Herr! War das nicht meine Rede, als ich noch in meinem Land war? Deshalb floh ich schnell nach Tarsis! Denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und gross an Güte, und einer, der sich das Unheil gereuen lässt. Und nun, Herr, nimm doch meine Seele von mir! Denn es ist besser, dass ich sterbe, als dass ich lebe! Und der Herr sprach: Ist es recht, dass du zornig bist?“

Gemäss Jonas eigenen Worten, wollte er nicht nach Ninive gehen. Er fürchtete, dass nach seinem Aufruf sich die Menschen zu Gott bekehren würden und die Stadt somit vom Untergang verschont bliebe. Jona wollte die Zerstörung der Stadt! Die Absicht des Buches ist aufzuzeigen, dass Jona - und somit ganz Israel - lernen sollten, die Dinge mehr von der Perspektive Gottes zu betrachten. Sie sollten von Gottes Einstellung lernen und die Menschen von Ninive mehr lieben. Sie sollten mehr den Wunsch verspüren, die Verlorenen zu retten und sich über ihre Bekehrung zu freuen, statt mit Genugtuung zuzusehen, wie sie vernichtet werden. Wie können wir diese Botschaft erkennen? Indem wir den Aufbau des Buches studieren, seine Gliederung betrachten und den Höhepunkt herausschälen! So erkennen wir, was der von Gott inspirierte Schreiber hervorheben wollte. Was am Ende geschieht, will der Schreiber besonders betonen.

Diese zehn Beispiele sind nicht vollständig, sondern veranschaulichen den richtigen Weg zur Auslegung der Bibel. Sie sollen uns ermutigen herauszufinden, wie ein Bibelbuch aufgebaut und gegliedert ist. Vorher haben wir uns vergewissert, worum es im Buch eigentlich geht.

Die einzelnen Teile der Gliederung innerhalb des Bibelbuches

Die zweite „Ebene“ besteht in den einzelnen Teilen der Gliederung innerhalb eines Buches der Bibel (im Gegensatz zur gesamten Gliederung eines betreffenden Buches).

Wie wir die Gliederung innerhalb des Buches herausfinden
Um die Gliederung innerhalb des Buches zu entdecken, können wir nach „Stichworten“ oder wörtlichen „Hinweisen“ Ausschau halten, die der Autor hinterlassen hat. Welche Art von „Stichwörtern“ könnten gefunden werden? Im Folgenden finden wir drei Methoden, welche der Autor benutzt haben könnte, um einen bestimmten Abschnitt aufzubauen.

1. Die Wiederholung von Schlüsselwörtern oder Schlüsselsätzen
Im Prediger (oder Kohelet) finden wir ein Beispiel, wie Schlüsselwörter oder Schlüsselsätze verwendet werden. Das Rätsel, wie ein so pessimistisches Buch als Heilige Schrift betrachtet werden kann, wird weitgehend gelöst, wenn wir immer und immer wieder (über dreissig Mal) die wiederholende Aussage „unter der Sonne“ feststellen. Der Text spricht von Erfahrungen „unter der Sonne“ – in diesem Leben, abseits von Gott, wo alles nichtig ist. Ein weiteres Beispiel finden wir in 1 und 2 Könige, in denen der Schreiber eine wiederholte Formulierung benutzt. Dabei macht er von jedem König im geteilten Reich eine kurze Zusammenfassung und beurteilt seine Herrschaftszeit, ob sie gut oder böse war. Ein drittes Beispiel finden wir im Buch der Richter, Kapitel 17 - 21. Der Schreiber erwähnt drei Mal den Ausdruck „In jenen Tagen gab es keinen König in Israel“ (Ri 18,1; 19,1; 21,25). Offensichtlich wollte er das, was er in diesen Kapiteln beschrieb, mit diesem Gedanken verbinden.

2. Die Verwendung einer Redewendung, bezeichnet als „inklusiv“
Richard N. Soulen definiert den Begriff „inklusiv“ als eine Redewendung, die in der Schrift vorkommt. Sie eröffnet einen Satz oder Gedanken wiederholt oder beschreibt ihn und erwähnt ihn am Ende noch einmal. Ein solches Beispiel liefert Amos 1,3-5, wo das Gericht über Damaskus angekündigt wird. Es beginnt mit einem (Vers 1), „So spricht der Herr“, und endet mit derselben Aussage (Vers 5), „spricht der Herr.“ In Ezekiel 18,25-29 finden wir ein anderes Beispiel, in dem beide Verse mit den Worten enden (V. 25 und 29): „Sind nicht vielmehr eure Wege nicht recht?“ Auch das Evangelium nach Markus benützt diese Redewendung, jedoch auf eine etwas andere Weise. Es beginnt mit der Einleitung (Mk 1,1): „Anfang des Evangeliums Jesu Christi.“ Am Ende des Buches bezeugt ein römischer Hauptmann bei der Kreuzigung Jesu (Mk 15,39): „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ Auf diese Weise weist Markus darauf hin, was er in seinem Bericht betont.

3. Die Verwendung einer Redewendung mit dem Namen „Chiasmus“ oder „Chiasma“
Sie hat ihren Namen vom griechischen Buchstaben x (chi), das ein Kreuz darstellt und sortiert ihre Gedanken kreuzweise in eine ABBA-Einteilung. Markus 2,27 wurde von Soulen als Beispiel angeführt. „Der Sabbat [a] ist um des Menschen willen geschaffen worden [b] und nicht der Mensch [b] um des Sabbats willen“ [a].

Welche Schritte sind notwendig, um die Gliederung
innerhalb eines Buches ausfindig zu machen?

1. Zuerst gilt es, eine grobe Einteilung eines Abschnitts oder eines ganzen Kapitels vorzunehmen, in der sich die Bibelstelle befindet.
Eine genaue Gliederung ist vielleicht nicht notwendig oder möglich. Selbst wenn wir eine Stelle nicht gliedern können, so ist es normalerweise dennoch möglich, nachzuvollziehen, wie der Autor vorgegangen ist, um von einem Standpunkt zum nächsten zu gelangen. In Psalm 19 zum Beispiel beschreibt der Psalmist zuerst die Werke Gottes (Verse 1-6), dann preist er die Worte Gottes (Verse 7-11) und dann schliesst er ab mit den Gedanken, wie der Mensch auf solche Überlegungen reagiert (Verse 12-14).

Manchmal ist es leichter möglich, eine Stelle zu gliedern. Dazu dient das Beispiel im 1 Korinther 15, am Ende dieser Lektion. Wenn wir dieses Kapitel in der Bibel lesen, dann können wir leicht erkennen, dass es um die Auferstehung geht. Was wird über die Auferstehung gesagt? Das Kapitel geht auf die irrige Auffassung ein, dass es keine Auferstehung der Toten gebe (15,12).

Hier ist eine Zusammenfassung der Beobachtungen, die sich ergeben können, wenn das Kapitel in groben Zügen gegliedert wird. Paulus geht folgendermassen auf die falsche Lehre ein, es gebe keine Auferstehung der Toten: Erstens legt er den Korinthern dar, was ihnen ursprünglich gelehrt wurde und was sie bereits glauben. Er sagt, dass wenn es tatsächlich keine Auferstehung gebe, dann sei auch Christus nicht auferstanden, das Christentum nutzlos und die Christen verloren. Zweitens behauptet er, dass Christus auferstanden ist und seine Auferstehung uns versichert, dass es eine Auferstehung der Toten gibt. Drittens schliesst er aus seinen und ihren Erfahrungen, dass es eine Auferstehung geben muss. Weshalb leben sie denn als Christen, wenn sie keine Auferstehung erwarten? Viertens, geht er auf die Argumente ein, es gebe angeblich keine Auferstehung; es sei unvorstellbar, dass die Toten einen neuen Körper bekommen. So verrät er, welche Art Leib die Auferstandenen haben werden. Schliesslich beendet er das Kapitel, indem er eine praktische Schlussfolgerung zieht und aufruft (1 Kor 15,58): „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich, allezeit überströmend in dem Werk des Herrn, da ihr wisst, dass eure Mühe im Herrn nicht vergeblich ist.“

Ob wir seiner Analyse in 1 Korinther 15 zustimmen oder nicht, wir können lernen, diese Vorgehensweise bei jeder Bibelstelle anzuwenden, die uns bewegt.

2. Wenn wir auf vorhandene Ordnungsprinzipien achten, die der Schreiber angewandt hat, dann können wir leichter eine Gliederung vornehmen.
Als Beispiel dient das Buch Amos. Dort wird acht Mal dieselbe Ausdrucksform benutzt (Am 1,3): „Wegen drei Verbrechen von Damaskus (oder an anderer Stelle vier) und wegen vier werde ich es [das Gericht] nicht rückgängig machen ...“ Was meint Amos damit? Was ist mit drei und vier Verbrechen gemeint? Amos drückt hier so etwas aus wie: „Drei ist bereits genug, aber vier ist mehr als genug!“ In diesem Fall ist mit vier Übertretungen die Grenze überschritten, so dass die Strafe Gottes gewiss ist.

Warum sagt Amos fast dasselbe acht Mal? Der Prophet wurde in der Zeit des geteilten Israels ins Nordreich gesandt. Beachte, dass die ersten sieben Ankündigungen gegen die Nationen um Israel herum gerichtet sind. Bevor die siebte Ankündigung erfolgt, wird das Wort auch gegen Juda gerichtet, dem Südreich, der „Schwester“ Israels. Wie war wohl die Wirkung auf jene Volksgruppe, die zuerst diese Botschaft hörte oder las? Wir können uns gut vorstellen, dass die Menschen des nördlichen Königreichs den prophetischen Worten mit einem „Amen!“ zustimmten, als sie vom bevorstehenden Unheil gegenüber den Nationen hörten. Doch die Stelle steuert auf einen Höhepunkt zu. Anschliessend wendet sich der Prophet nämlich an das Nordreich und sagt (Am 2,6): „Wegen drei Verbrechen von Israel und wegen vier werde ich es nicht rückgängig machen, weil sie den Gerechten für Geld und den Armen für ein Paar Schuhe verkaufen.“ Plötzlich wurden die Israeliten gezwungen zu erkennen, dass sie nicht besser waren als die anderen Nationen. Ihnen gefiel es zu hören, dass die anderen Nationen verdammt wurden. Doch aus ihrer Freude wurde ein Schock, der sie betroffen machte; vielleicht würden sie so einsichtig.

Wir lernen daraus für die Auslegung: Solche stilistischen Redewendungen sollte jeder bei seinem Bibelstudium beachten.

3. Um die Gliederung herauszufinden, ist es auch notwendig, nach der Handlung in einer Erzählung oder Geschichte zu suchen.
Die „Handlung“ ist keine neue Entdeckung. Seit Menschen Geschichten erzählen, verwenden sie immer dieselben Methoden. Dazu gehört die Ausarbeitung einer Handlung. Selbstverständlich ist die Handlung selbst nicht unser Hauptanliegen. Vielmehr sind wir daran interessiert herauszufinden, was der Schreiber bezweckt.

Worum geht es zum Beispiel im Buch Ester? Es geht hier um ein fesselndes, ja sogar unterhaltsames Ereignis in einer leicht nachvollziehbaren Entwicklung oder Handlung. Im Wesentlichen geht es um einen bösen Mann, Haman, der sich vorgenommen hatte, die Juden zu vernichten; doch von einem jüdischen Mädchen namens Ester, wurde er daran gehindert. Was lehrt uns das Buch? Es lehrt, dass die Feinde der Juden keinen Erfolg hatten, denn die Juden waren Gottes auserwähltes Volk! Um das Buch Ester –, oder eine Stelle daraus – richtig zu verstehen und einschätzen zu können, müssen wir die Handlung erkennen.

Schlussfolgerung

Es gibt viele schriftliche Quellen, in denen wir eine Hilfe finden können für bestimmte Stellen beim Bibelstudium. Wir dürfen uns auch frei fühlen sie zu nutzen. Wichtig ist jedoch, dass wir selbst versuchen, eine Gliederung in einem Bibeltext zu erforschen und zu erkennen. Während wir die grösseren Gliederungen untersuchen, sollten wir die folgenden grundsätzlichen Fragen nicht vergessen. Erstens, was will uns der Schreiber im gesamten Buch sagen? Zweitens, wie macht er sich verständlich? Damit ist gemeint, wie er seine Gedanken aufbaut und wie er uns seine Botschaft übermittelt. Nachdem wir diesen Fragen im Überblick gründlich nachgegangen sind, können wir uns mit einer detaillierteren Gliederung in einem bestimmten Abschnitt beschäftigen. Um irgendeinen Bibeltext erfolgreich auslegen zu können, müssen wir uns diesen Fragen stellen und sie beantworten.

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