Auslegung-06: Einzelne Wörter im Abschnitt verstehen

Auslegung der Bibel

 

In dieser Lektion geht es darum, vom grösseren Zusammenhang her kommend, die Einzelheiten unter die Lupe zu nehmen. In Lektion 3 haben wir den grösseren Zusammenhang betrachtet. In Lektion 4 lernten wir die Gliederung eines Bibelbuches zu entdecken. In Lektion 5 analysierten wir Sätze oder Verse eines ganzen Abschnitts und nun wollen wir uns mit den kleinsten Bausteinen einer Textstelle befassen. Das heisst, es geht um einzelne Begriffe oder Wörter einer Bibelstelle.

Die Bedeutung und das Verständnis einzelner Wörter sind ausschlaggebend. Die einzelnen Wörter bilden die Grundbausteine eines Satzes, Absatzes und einer Gliederung, aus denen sich ein Buch in der Bibel zusammensetzt. Wenn wir die Wörter nicht verstehen, dann können wir auch den Satz nicht verstehen. Wenn wir aber die Sätze in der Bibel nicht verstehen, dann fehlt uns das richtige Verständnis zu den Heiligen Schriften. Zwei Fragen sind dazu besonders wichtig: (1) Wie können wir herausfinden, welche Wörter zum Text gehören? (2) Wie sollten wir vorgehen, um die Wörter eines Textes zu studieren?

Festlegen, welche Wörter zum Text gehören

Unsere Bibeln sind ja Übersetzungen! Es sind nicht die ursprünglichen Worte der Autoren, die wir lesen. Bevor wir die Begriffe einzeln untersuchen, wird daher festgestellt, welche Wörter wirklich zum Text gehören.

Wörter in „kursiv“ geschrieben
Wie schon erwähnt, fügt der Übersetzer manchmal ein Wort hinzu, um einen Satz verständlicher zu machen; es kommt im Originaltext nicht vorkommt. Um dies dem Leser anzuzeigen werden verschiedene Methoden benutzt. In einigen Übersetzungen werden solche Wörter in kursiv geschrieben, in andern werden sie in Klammern oder Anführungszeichen gesetzt und eventuell erklärt usw. Ohne diese Hinzufügungen kann manchmal ein Satz in eine falsche Richtung hindeuten. Wir müssen aber vermeiden, solchen Wörtern zu viel Gewicht beizumessen. Bei freien Übersetzungen können gerade diese Hinzufügungen in eine falsche Richtung führen.

Textkritische Fragen
Manchmal ist nicht klar, wie ein Bibelvers im Deutschen gelesen werden soll, da in den Manuskripten der hebräischen Bibel und des griechischen Neuen Testamentes textliche Varianten vorkommen. Zum Beispiel wird in der Elberfelder Übersetzung bei Markus 16,9-20 am Anfang und am Ende mit einem Stern auf eine Fussnote hingewiesen. In dieser Fussnote steht: „Die Verse 9-20 fehlen in einigen der ältesten Handschriften.“ Dieser Hinweis der Elberfelder Übersetzer bedeutet, dass das Manuskript, auf dem das griechische Neue Testament basiert, die Frage aufwirft, ob Markus 16,9-20 Teil des ursprünglichen Abschnitts war oder nicht. Die Auseinandersetzung darüber, wie die ursprünglichen hebräischen und griechischen Texte gelautet haben, wird Textkritik genannt (siehe Tabelle am Ende dieser Lektion).

Wenn wir bei einer Bibelstelle solche Fussnoten finden - wie sollten wir damit umgehen? Die meisten Bibelleser haben weder die Zeit noch das Fachwissen, um solche alternativen Lesarten einer bestimmten Bibelstelle zu beurteilen. Wie sollte damit umgegangen werden? (1) Bei jeder Auslegung sollten wir uns Fragen bezüglich des ursprünglichen Textes stellen. Entsprechende Fussnoten einer Bibelstelle weisen darauf hin und sollten deshalb beachtet werden. Ein Vergleich mit anderen Übersetzungen kann manchmal weiterhelfen. Mindestens kann so unser Bewusstsein auf mögliche Unterschiede geschärft werden. (2) Verschiedene Übersetzungen sowie Kommentare können viel dazu beitragen, um die best-mögliche Entscheidung für den ursprünglichen Text zu treffen. (3) Es gilt vorsichtig zu sein, dass unsere Auslegung oder unsere Argumentation nicht auf einem einzigen Wort oder einer Aussage aufbaut, die so nicht zwingend im ursprünglichen Manuskript gestanden hat.

Begriffe einer Bibelstelle studieren
Es ist wichtig, dass wir die verwendeten Wörter in der Übersetzung verstehen. Wenn uns ein Wort nicht vertraut ist, dann sollten wir in einem Wörterbuch nachschlagen. Zudem sollten wir die Übersetzung, die wir verwenden, mit anderen Versionen vergleichen. Das wird uns helfen, das deutsche Wort besser zu verstehen.

Das Hauptanliegen einer Wortstudie ist die Bedeutung des Wortes in der Originalsprache
Unser Hauptanliegen bei der Auslegung dürfen nicht die einzelnen Wörter in der deutschen Übersetzung sein. Vielmehr wollen wir wissen, was die Wörter in der Originalsprache bedeuten. Die Frage, die uns dabei interessiert ist: Enthält jeder Begriff in der deutschen Übersetzung auch die richtige Bedeutung zum ursprünglichen griechischen oder hebräischen Text?

Auftauchende Probleme, die auftauchen, wenn wir nur vom Deutschen ausgehen. In der Zürcher- und Lutherbibel wird in Johannes 16,33 folgendes gesagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Will dieser Text sagen, dass wir immer in Angst leben müssen? Der griechische Begriff Thlipsis (θλίψις) bedeutet nämlich auch Bedrängnis, Trübsal, Probleme. So erhalten wir durch eine genauere Wortdefinition ein erweitertes Verständnis in Bezug auf das, was Jesus mit seinen trostreichen Worten wirklich aussagen wollte. Auch andere deutsche Übersetzungen können viel zum besseren Verständnis beitragen, indem sie Angst mit „Drangsal“, „hart zusetzen“ oder „hart bedrängt“ übersetzen. Wenn wir nach dem ursprünglichen Sinn des griechischen Begriffes suchen, können wir uns von einem deutschen Wort weniger fehlleiten lassen.

Die allgemeine Zuverlässigkeit einer Übersetzung. Wer eine anerkannte Übersetzung besitzt, darf davon ausgehen, dass es sich im Wesentlichen um eine genaue Übersetzung handelt. Wenn das nicht so wäre, könnten nur Experten, die die ursprünglichen Sprachen kennen, die Bibel verstehen. Tatsache ist, dass die allgemein verwendeten Übersetzungen das Werk von guten, seriösen Bibelgelehrten ist. Sie alle haben ihr Bestes gegeben, um die ursprüngliche Bedeutung der Bibelsprache in ein passendes Deutsch zu übersetzen. Sie haben die Arbeit für uns getan und wir brauchen - generell gesagt - diese Arbeit nicht im Einzelnen zu wiederholen.

Wörter, die besondere Aufmerksamkeit benötigen. Dennoch werden wir einige Wörter im grösseren Zusammenhang neu studieren und zwar aus folgenden Gründen:

1.  Manchmal helfen uns verschiedene deutsche Versionen auch nicht weiter und hinterlassen Zweifel, was das ursprüngliche Wort im Originaltext bedeutete.

2.  Manchmal erfordern Lehrfragen, dass wir einen genaueren Blick auf bestimmte Wörter werfen.

3.  Manchmal hat ein Wort eine besondere theologische Bedeutung, welches das deutsche Wort in der Übersetzung nicht vollständig wiedergibt. Zu dieser Kategorie zählen Begriffe wie „Heiligung“, „Erlösung“, „Versöhnung“, „Busse“ oder „Sühne“.

4.  Manchmal ist der Begriff zwar richtig übersetzt, genügt aber der Bedeutung doch nicht. Wörter haben beides: Denotation und Konnotation. Denotation ist der Begriffsumfang eines Wortes und ist im Wörterbuch definiert. Konnotation ist die Bedeutungsnuance oder der Beigeschmack, den ein Begriff in der Alltagssprache erfährt. Der Begriff „konservativ“ hat eine klare Definition. Viele Menschen bringen aber den Begriff mit mehrheitlich negativen Eigenschaften, wie verstaubt, verklemmt oder starr in Verbindung. Genauso können - sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen - Wörter eine Konnotation haben, die über ihre lexikalische Definition hinausgeht und mehr bedeuten, als sie wortwörtlich aussagen.

Wie sollen wir vorgehen, wenn aus einem der genannten Gründe ein bestimmtes Wort genauer studiert werden soll?

Die erste Regel einer Wortstudie ist „der Sprachgebrauch bestimmt die Bedeutung“
Die wichtigste Regel hinsichtlich eines Wortstudiums lautet: Der Sprachgebrauch bestimmt die Bedeutung. Die Bedeutung eines hebräischen oder griechischen Wortes kann auch durch eine Interlinear- Bibel, einem analytischen Lexikon oder einer Konkordanz erkundet werden. (Siehe z. B. der hebräische Begriff für „Kämmerer“ in Genesis 39,1: Eunuche.) Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass die Art und Weise, wie ein Wort im Zusammenhang gebraucht wird, nicht dieselbe Bedeutung haben muss, wie es in einem Lexikon definiert wird. Deshalb ist es unsere Aufgabe, ein hebräisches oder griechisches Wort immer im Zusammenhang zu untersuchen, wie es in der Bibel gebraucht wird.

Manchmal hilft der Bibeltext selbst, ein bestimmtes Wort zu definieren. Zum Beispiel, was das Wort „Diener“ in Genesis 24,2 bedeutet, wird in den folgenden Versen von selbst erklärt.

Wörter können auch parallel erklärt werden. In Lukas 6,27-28 stehen „die Feinde“, für die wir beten sollen, parallel zu denen, die „euch hassen“, „euch verfluchen“ sowie denen, „die euch misshandeln“.

Darüber hinaus kann die Bedeutung eines Wortes im selben Satz oder in einem Beisatz ersichtlich werden. In Römer 4,11 wird das „Zeichen der Beschneidung“ noch im selben Satz „als Siegel der Gerechtigkeit“ erklärt, das Abraham aus Glauben empfing. Wenn also ein Wort im Bibeltext erklärt wird, dann erhält es primär diese Bedeutung.

Normalerweise werden aber die Belege für eine Wortdefinition aus einer Reihe von Quellen entnommen. Eine analytische Konkordanz oder ein Computerprogramm wird ein griechisches oder hebräisches Wort in seinen Anwendungen der verschiedenen Texte definieren. So können wir ein besseres Verständnis erlangen für die Bedeutung eines Wortes in dem Abschnitt, den wir untersuchen.

Um die Bedeutung eines Wortes im Neuen Testament herauszufinden, sollte folgendermassen vorgegangen werden:

1.  Wie wird das entsprechende Wort vom Autor des Bibelbuches an anderen Stellen angewandt?

2.  Wie wird das Wort vom selben Autor in anderen Bibelbüchern angewandt? Paulus zum Beispiel gebraucht bestimmte Begriffe in Schriften anders als Jakobus in seinem Brief.

3.  Wie wird das Wort in anderen Büchern des Neuen Testaments angewandt? Eine Stelle aus einem Evangelium kann zum Beispiel mit anderen Evangelien verglichen werden.

4.  Wie wird das Wort in den übrigen Büchern des Neuen Testaments angewandt?

5.  Wie wird das Wort in der Septuaginta verstanden? Die Verfasser des Neuen Testaments, sowie alle Christen im ersten Jahrhundert, waren stark beeinflusst durch die Septuaginta. Darum ist es manchmal notwendig, die Bedeutung eines Wortes in der Septuaginta nachzuschlagen und zu verstehen.

6.  Wie wird das Wort in den zeitgenössischen griechischen Schriften (Koine-Griechisch) verstanden?

7.  Gibt es andere Belege, die sich auf die Bedeutung des Wortes im Neuen Testament beziehen?

Wenn wir ein Wort in seiner Anwendung auf diese Weise untersuchen, werden wir befähigt, die richtigen Schlüsse für die Bedeutung des Wortes in unserem Abschnitt zu ziehen. Wir können natürlich Hilfe nicht nur aus Lexika, sondern auch aus Kommentaren und Zeitschriften bekommen. Dennoch empfehlen wir zuerst, selbst aktiv zu werden und die eigene Forschungsarbeit zu betreiben, bevor wir uns anderen Quellen zuwenden.

Sieben weitere Grundsätze für das Wortstudium
Von welchen weiteren Richtlinien und Prinzipien sollten wir uns führen lassen, um ein bestimmtes Wort in einem Bibelvers zu verstehen?

1.  Die offensichtliche Bedeutung eines Wortes – das wortwörtliche Verständnis – sollte angestrebt werden, statt nach „verborgenen Bedeutungen“ zu suchen. Dr. Steve Williams schrieb dazu:

„Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass je mehr wir uns mikroskopisch auf ein Wort konzentrieren, desto tiefer wir die „wirkliche“ Bedeutung des Wortes erkennen. Viel besser kann die Bedeutung eines Wortes im unmittelbaren Zusammenhang herausgefunden werden, sowie durch detaillierte Untersuchungen in entfernter liegenden Abschnitten. Sein Sinn liegt nicht im Wort allein, sondern wie es zum ganzen Zusammenhang des Satzes steht. Wenn wir uns zu stark und zu lang auf ein einzelnes Wort konzentrieren, laufen wir Gefahr, nicht nur die Bedeutung des Wortes, sondern die des Verses, des Abschnittes und des ganzen Kapitels falsch zu verstehen.“

2.  Weder die etymologische Bedeutung eines Wortes noch die Analyse einzelner Teile davon sind nötig, um es richtig zu verstehen. Viele deutsche Wörter haben eine aufschlussreiche Geschichte. Es ist aber nicht notwendig, die Geschichte jedes Wortes zu ergründen, um es richtig anwenden zu können. Manche deutsche Wörter können aufgeteilt werden. Doch die einzelnen Teile können manchmal wenig bis gar nichts zum richtigen Verständnis des ganzen Wortes beitragen. Das Wort „verstehen“ zum Beispiel besteht aus zwei kleineren Worten: „ver“ und „stehen“. Niemand würde versuchen, in einem deutschen Text, in dem das Wort „verstehen“ vorkommt, dieses Wort in zwei Teile aufzuteilen und einzeln zu analysieren. Solche Bemühungen sind unnötig und keine Hilfe für das bessere Verständnis eines Bibelverses. Was immer die Geschichte des Wortes „verstehen“ sein mag, seine gegenwärtige Bedeutung hat wenig oder gar nichts zu tun mit den beiden Begriffen „ver“ und „stehen“.

In ähnlicher Weise verhält sich das mit einem hebräischen oder griechischen Wort oder mit einzelnen Teilen davon. Es hat wenig oder gar nichts zu tun mit der Bedeutung in einem bestimmten Satz oder Abschnitt. Zum Beispiel wird oft der griechische Begriff für Gemeinde definiert und auseinandergenommen: ekklesia (ἐκκλησία) als „die Herausgerufene“. Das Wort ekklesia ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe ek (ἐκ) „aus, heraus“ und dem Stamm klesia, der passiven Form des Zeitworts kaleo (καλέω) „ich rufe“. Im Neuen Testament wird kaleo im Sinn von“ rufen, einladen“ gebraucht (Mt 2,7; 20,8; 22,3). Obschon diese Bedeutung stimmt, darf bezweifelt werden, ob die Gemeinde als „die Herausgerufene“ definiert werden soll. Im ersten Jahrhundert verstand man jedenfalls unter dem Begriff Ekklesia einfach nur die Versammlung der Gläubigen. Wir bezeichnen ja auch nicht ein „Gleichnis“, parabole (παραβολή) als „danebengeworfen“, obschon das die Bedeutung der beiden Teile des Wortes ist: para (παρα) „danebenlegen“ von parallel und ballo (βάλλω) „werfen“.

3.  Für das Neue Testament ist die Bedeutung des Wortes im Koine-Griechisch am wichtigsten. Koine-Griechisch war die Sprache der einfachen Leute im ersten Jahrhundert. Wie sich die deutsche Sprache im Laufe der Zeit veränderte, so verhält es sich auch mit der griechischen Sprache. Deshalb kann die Bedeutung eines Wortes im klassischen oder modernen Griechisch erhellend sein, wirft aber wenig oder kein Licht auf die Bedeutung im Neuen Testament. Zum Beispiel hatte das Wort psallo (ψάλλω) „singen, lobsingen“ im früheren Griechisch der Septuaginta wahrscheinlich die Bedeutung von ein „Musikinstrument spielen“. In der Zeit des Neuen Testaments jedoch verlor es diese Bedeutung und bezog sich nur noch auf das Singen.

4.  In der Bibel können Wörter einen besonderen „Gemeinschaftssinn“ haben. Das heisst, ein Wort kann eine spezielle Bedeutung erhalten, wenn es von der Gesellschaft, einem Klub, einer ethnischen Gruppe oder einer Kirche in ganz besonderer Weise verstanden wird. Für Aussenstehende mag diese Bedeutung jedoch fremd sein. So erhält im Neuen Testament das Wort „Ältester“ manchmal eine spezielle Bedeutung, wie auch der Begriff „Apostel“ oder „Diakon“. Christen gaben auch dem Begriff Agape (ἀγάπη für Liebe) einen höheren Sinn, der vorher so nicht gebraucht wurde. Daher ist es wichtig, den Sprachgebrauch von solchen Wörtern im Neuen Testament zu beachten, bevor wir uns den Schriften des Koine-Griechisch oder des klassischen Griechisch zuwenden.

5.  Da ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann, muss es jeweils im Zusammenhang einer Bibelstelle neu ausgelegt und bestimmt werden. Einige Wörter können mehrere Bedeutungen haben. Zum Beispiel kann der Begriff „Bank“ eine Sitzgelegenheit oder ein Institut meinen, das Geld verwaltet. Im Griechischen bedeutet der Begriff Kosmos (κόσμος) Welt oder Schmuck. Je nach Zusammenhang haben diese Wörter die eine oder andere Bedeutung. So gilt es zu entscheiden, welche Bedeutung für die gelesene Schriftstelle die richtige ist.

6.  Im Allgemeinen hat ein Wort in einem Textzusammenhang nur eine Bedeutung. Eine doppelte Bedeutung ist eher selten in der Bibel. Wenn wir beim Studium herausfinden, dass ein Wort mehrere Bedeutungen hat, müssen wir uns für die Wortwahl entscheiden, die sich am besten eignet und in den Zusammenhang passt.

7.  Deutsche Wörter die aus dem Griechischen stammen, haben im biblischen Zusammenhang nicht notwendigerweise die gleiche Bedeutung. Zum Beispiel das Wort idios (ἴδιος) „eigen, eigentümlich“, von dem der deutsche Begriff „Idiot“ abgeleitet wird: Die deutsche Bedeutung dieses Wortes hilft uns nicht, das Griechische im Neuen Testament zu verstehen. Wenn Paulus also im Titus 1,12 das Wort idios braucht für „ihr eigener Prophet“, dann wollte er damit nicht sagen, dass die Kreter „Idioten“ seien. Man könnte darauf hinweisen, dass jemand, der egoistisch nur an seinen eigenen Angelegenheiten interessiert ist, im weitesten Sinne des Wortes ein Idiot ist. Aber das definiert nicht wirklich den Begriff idios.

Ein Wort zur Vorsicht ist geboten: Wortstudien können überbewertet werden. Die Bedeutung eines Abschnittes geht nicht einzig aus der Bedeutung der einzelnen Wörter hervor, sondern aus der Beziehung, zu der sie untereinander stehen. Unser Ziel als Ausleger ist es darum nicht, nur Wörter zu definieren, sondern den Abschnitt als Ganzes zur verstehen. Daher dürfen nicht Wortstudien die Erklärung eines Textes beherrschen. Wir sollen sie in dem Umfang verwenden, wie sie für die Ermittlung der Bedeutung des Abschnittes nützlich sind.

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