Auslegung-25: Anwendung von Texten ... (Teil 5)

Auslegung der Bibel [5]

 

Einstieg: Wie können wir erkennen, wie sich Gott seine Gemeinde in der heutigen Zeit vorstellt? Kann jede Generation für sich erfolgreich herausfinden, wie Gott im Geist und in der Wahrheit angebetet werden will? Vermittelt uns das Neue Testament besondere Anleitungen, denen jede Generation folgen soll?

Menschen, die sich dem Wiederherstellungsprinzip verschrieben haben, werden vor einige Herausfor-derungen gestellt. Es ist ihnen wichtig, die Schriften in Bezug auf unsere heutigen Gewohnheiten richtig anzuwenden. Dabei geht es darum, sich nur von der Bibel leiten zu lassen. Unser Ziel ist es, die Gemeinde des Neuen Testaments, wie sie ursprünglich gedacht war, wiederherzustellen. Deshalb ist es notwendig, dass wir zusätzliche Fragen stellen, um andere Aspekte in Bezug auf das Gemeindeleben beantworten zu können.

Zum Beispiel: Im Neuen Testament lesen wir von zwei Fällen, in denen das Herrnmahl genommen wurde. In beiden Fällen geschah dies in der Nacht. Soll die heutige Gemeinde deshalb das Herrnmahl in der Nacht feiern? Vielleicht hat diese Frage bis heute noch nie eine Gemeinde beunruhigt, wie das bei anderen Fragen der Fall war. Doch eine solche Frage zeigt, wie heikel es manchmal sein kann, der Bibel zu folgen, wenn es um nebensächliche Angelegenheiten geht.

Alles was wir wollen ist, die zerstreuten Bausteine der Gemeinde, die ursprünglich zu Pfingsten gelegt wurden, wieder zusammenzufügen. Dazu gibt es Dinge, die bei der Wiederherstellung nicht entscheidend sind, weil sie zur Gemeinde des ersten Jahrhunderts gehören. Es gibt nebensächliche Details, die nicht für die Gemeinden der zukünftigen Jahrhunderte gelten, sondern der menschlichen Beurteilung überlassen sind.

Diese Lektion soll uns bei den Überlegungen, was für die Gemeinde des Neuen Testaments bindend ist, anleiten. Sie schlägt auch Strategien vor, was zu tun ist, wenn sich Christen über solche Fragen nicht einigen können.

Was ist bindend für die heutigen Gemeinden?

Welche Anleitungen gibt es für die heutigen Gemeinden?

Drei Wege
Es gibt drei Grundprinzipien, die im Neuen Testament gelehrt und praktiziert wurden. Sie sind für jede Gemeinde gültig: der Befehl, das Beispiel und die notwendige Schlussfolgerung. Mit diesen drei Prinzipien wollen wir uns näher auseinandersetzen.

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Der direkte Befehl: Manchmal wurden der Gemeinde des ersten Jahrhunderts direkte Befehle gegeben. Solche Befehle sind auch für die heutigen Gemeinden bindend, ausser es gibt gute Gründe, andere Schlüsse daraus zu ziehen.

Es gibt auch Befehle im NT, die offensichtlich nicht für alle Gemeinden zu allen Zeiten gelten. Paulus leitete Timotheus an (1 Tim 5,23): „Trinke nicht länger [nur] Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein um deines Magens und deines häufigen Unwohlseins willen.“ Diese Aussage ist ein Befehl, der sicherlich nur dem Timotheus galt. Paulus sagte auch (Röm 16,16a): „Grüsst einander mit dem heiligen Kuss.“ Auch diese Aussage ist ein Befehl. Die meisten von uns stimmen zu, dass dies für uns heute nicht genau gleich gilt.

Das anerkannte Vorbild: Manchmal belehrt uns das Neue Testament durch Vorbilder. Wenn die ersten Christen etwas vom Heiligen Geist geleitet taten, dann darf angenommen werden, dass dies als gottgewolltes „anerkanntes Vorbild“ gilt. Das heisst, es darf als Gebot betrachtet werden. Ein göttliches Gebot kann also in vorbildlichen Beispielen erkannt werden.

Aber nicht alles, was die Apostel und die ersten Christen taten, ist bindend für uns. Wir stellen beispielsweise fest, dass das Herrnmahl bei zwei Ereignissen in der Nacht gefeiert wurde. Gilt dieses Handeln der Apostel für uns als bindend, so dass wir das Herrnmahl auch in der Nacht feiern sollten? „Sicher nicht“, würden wir antworten.

Die notwendige Schlussfolgerung: Das Neue Testament lehrt auch durch notwendige Schlussfolgerungen. Manchmal gibt es kein direktes Gebot oder ein anerkanntes Vorbild. Trotzdem weist uns der biblische Text darauf hin, dass die neutestamentliche Gemeinde verpflichtet war, das auszuüben, was diese Stelle besagt. Noch einmal: Wenn das Prinzip der notwendigen Schlussfolgerung richtig eingesetzt wird, führt dies dazu, dass ein Gebot im Hintergrund entdeckt werden kann.

Es ist nicht immer leicht zu ermitteln, wann eine Schlussfolgerung „notwendig“ ist. In verschiedenen religiösen Kreisen wird behauptet, dass auch Kinder mitgetauft wurden, als sich Lydia taufen liess und später der Gefängniswärter in Philippi samt den Seinigen (Apg 16,15.33). Sie folgern, dass es in jedem „Haus“ Kinder gab. Diese falsche Schlussfolgerung führte dazu, dass auch Kinder zur Taufe zugelassen wurden. Doch das ist keine notwendige Schlussfolgerung, da es damals auch Häuser ohne Kleinkinder gab.

Diese dreifache Methode der Hermeneutik (Auslegung) „Befehl – Vorbild – notwendige Schlussfolgerung“ ist nicht immer einfach anzuwenden, trotzdem wurde sie uns von Gott gegeben. Während wir uns also bemühen, die Schriften für die Gemeinden heute richtig anzuwenden, sollten wir verstehen, dass nicht alle Befehle massgebend sind, nicht alle Vorbilder bindend und nicht alle Schlussfolgerungen notwendig.

Ein Merkmal
Auch wenn „der direkte Befehl“, „das anerkannte Vorbild“ und „die notwendige Schlussfolgerung“ nicht immer einfach angewandt werden können, so sind sie dennoch ein hilfreiches Mittel, um eine praktische Anleitung des Neuen Testaments zu erkennen. Dabei gilt folgendes Merkmal: Ging es den ersten Christen um eine Glaubensangelegenheit, dann gilt sie auch für uns heute; ging es nicht um eine Glaubensangelegenheit, dann gilt sie auch für uns heute nicht.

Wir können fragen: „Wird durch diese Bibelstelle oder Handlung eine Forderung zum Ausdruck gebracht (beschrieben, vorgeschlagen), die für die Gemeinde für alle Zeiten gilt?“ Wenn sie für die Christen im ersten Jahrhundert galt, dann gilt sie auch für uns. Wurde sie aber damals nicht verlangt, so gilt sie auch heute nicht für uns. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es einige besondere Gebote gab, die „zeitlich“ beschränkt waren, da kulturell bedingt. In dem Fall gelten solche besonderen Gebote für uns heute nicht, obschon das Prinzip, das dahintersteckt für uns immer noch unverzichtbar sein mag. Darum kann gesagt werden, zeitlose Forderungen als Teile des neuen Bundes, die damals galten, gelten auch heute noch für uns.

Da „der direkte Befehl“, „das ankerkannte Vorbild“ und „die notwendige Schlussfolgerung“ nicht immer einfach anzuwenden sind, helfen die zusätzlichen Richtlinien unseren Bemühungen.

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Sechs Richtlinien
Wenn wir nach der richtigen Bibelanwendung fragen, dann begeben wir uns mit einer Bibelauslegung in eine schwierige Situation. Die folgenden sechs Richtlinien (welche teilweise übereinander greifen) können unsere Schritte bei der Anwendung lenken.

1. Klarheit. Wie deutlich gibt uns das Neue Testament über dieses Thema Auskunft? Können wir sicher sein, was die Stelle bedeutet oder wie sie die ersten Leser verstanden haben?

In Bezug auf die Klarheit können wir folgende Fragen stellen: (A) Wie viel biblisches Material ist über dieses Thema vorhanden? (B) Ist unsere Auslegung dieser Bibelstelle die einzige? Wir sollten uns fragen: „Bin ich der einzige, der jemals die Wahrheit über diese Bibelstelle herausgefunden hat (oder sind wir die einzige Gruppe)?“ (C) Gründet sich meine Auslegung auf einer Annahme oder menschengemachter Einteilung oder Klasse?

2. Einheitlichkeit. Gibt es Hinweise dafür, dass dies in allen Gemeinden des ersten Jahrhunderts einheitlich so praktiziert wurde? Zum Beispiel: Gegen die Ansicht, dass „männliche Leitung“ eine kulturelle Sache der frühen Gemeinde war, die im 21. Jahrhundert abgelehnt werden muss, kann darauf hingewiesen werden, dass (A) diese Angelegenheit eine wichtige Bedeutung für unseren Glauben hat ( 1 Kor 14,34; 1 Tim 2,13-14) und dass (B) diese nicht nur im Alten Testament einheitlich so betrachtet wurde, sondern auch in allen neutestamentlichen Gemeinden (1 Kor 14,33-34).

3. Notwendigkeit. Gibt es Hinweise, dass die Stelle oder Handlung etwas beinhaltet, was für die Gemeinde notwendig war, was von den Christen im ersten Jahrhundert verlangt wurde? Ist es ein „muss“, das sogar wörtlich so ausgedrückt wird? (Siehe Apg 5,29.) Wie verbreitet war diese Praxis? Wenn etwas nur im Zusammenhang mit einer Gemeinde erwähnt wird, gilt das dann für alle Gläubigen in allen Gemeinden? Handelt es sich hier zweifelsohne um eine notwendige Angelegenheit? Geht es um ein zweckdienliches Hilfsmittel, wie zum Beispiel einem Gemeindegebäude? Dürfen dabei Regeln aufgestellt werden? Hat diese infrage gestellte Praxis eine symbolische oder theologische Bedeutung? Hat das Ganze nicht bloss eine oberflächliche, sondern eine tiefere Bedeutung?

4. Allgemeingültigkeit. Gibt es Hinweise, dass die betrachtete Angelegenheit eine allgemein gültige Forderung für alle Zeiten beinhaltet, oder sagt der Zusammenhang im Gegensatz dazu, dass diese Stelle mehr eine kulturelle Bedeutung hat? Zum Beispiel die Bedingung, dass eine Frau eine Kopfbedeckung trug (1 Kor 11) weist auf eine kulturelle Bedeutung hin. Paulus argumentierte, dass wenn eine Frau keine Kopfbedeckung trug damit ausdrückte, dass sie sich ihrem Ehemann widersetzte.

Ein Beweis dafür, dass die Stelle eine kulturelle Bedeutung hat, finden wir in 1 Korinther 11,6b. Dort erklärt Paulus: „... wenn es aber für eine Frau schändlich ist, dass [ihr das Haar] abgeschnitten oder geschoren wird, so soll sie sich verhüllen“ (pers. Betonung.) In der damaligen christlichen Gemeinde waren sich alle einig, dass es schändlich ist für eine Frau, ihr Haar abzuschneiden oder zu scheren. Dies wird jedoch nicht in allen Kulturen so betrachtet. Da sich Paulus’ Argumente auf die kulturellen Umstände im ersten Jahrhundert in Korinth bezogen, kann diese Regel für Frauen, in bestimmten Situationen eine Kopfbedeckung zu tragen, nicht allgemein angewandt werden. Trotzdem ist das Prinzip, das dahinter¬steckt allgemein gültig, nämlich, dass eine christliche Frau sich von ihrem Mann führen lässt.

Es ist zu ermitteln, ob eine Praxis für das Gemeindeleben bis zur Wiederkunft Christi bestimmt war oder nicht; dazu gehört die Überlegung (es ist nicht die einzige), ob die Gemeinde nach dem ersten Jahrhundert dies weiter so handhabte. Die Kirchengeschichte kann uns dazu weiterhelfen.

5. Glaubenslehre. Ist die Praxis eng mit einigen wichtigen Glaubenslehren verknüpft? Wenn ja, dann wird sie von allen Gemeinden des Herrn für alle Zeiten gefordert. Geht es bei der Praxis nicht um wichtige Glaubenslehren, dann wird sie auch heute nicht verlangt. Fragen zum Herrnmahl, der Taufe und der Anbetung sind wichtig. Denn das Halten des Herrnmahls wird verlangt, die Taufe ist erforderlich und die Anbetung Gottes war schon immer ausschlaggebend für eine Gemeinde. Dies würde das Thema, ob Instrumentalmusik im Gottesdienst zugelassen ist, einschliessen, da der Herr sich dafür interessiert, wie sein Volk ihn anbetet. Auf der anderen Seite wäre es schwierig, die Frage wahrheitsgemäss zu beantworten, ob Mahlzeiten im Gemeindegebäude, wo sich die Gemeinde versammelt, zu rechtfertigen sind.

6. Prinzipien. Schlägt die Bibelstelle oder Praxis Prinzipien vor, oder ist sie von Prinzipien beeinflusst, welche bindend sind für alle Zeiten? Zum Beispiel, das Gebot (2 Kor 13,12): „Grüsst einander mit heiligem Kuss“, scheint eine kulturelle Angelegenheit zu sein. Deshalb sind wir nicht verpflichtet, dieser speziellen Praxis zu folgen, indem wir einander mit einem Kuss begrüssen. Trotzdem könnte hinter diesem Gebot ein zeitloses Prinzip stecken, das immer Anwendung findet und von jeder örtlichen Gemeinde gemäss ihrer kulturellen Sitte gepflegt werden sollte.

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Zwei Beispiele
Die folgenden Beispiele helfen uns, mit diesen Richtlinien umzugehen.

1. „Ein Kelch“. Einige in unseren Gemeinden sind der Meinung, dass wir nur einen Kelch für das Herrnmahl einsetzen sollten. Das Neue Testament spricht nur von einem Kelch, den Jesus herumgereicht hat, als er das Erinnerungsmahl einführte. (In Matthäus 26,27 wird tatsächlich nur „ein Kelch“ erwähnt.) Es geht jedoch nicht um den Kelch, sondern um den Inhalt. Es gibt keine Belege dafür, dass die ersten Gemeinden nur einen Kelch für das Herrnmahl benutzten. Auch wenn das Herrnmahl äusserst wichtig ist, gibt es keine theologische Begründung, dass nur ein Kelch verwendet werden darf. Deshalb kann mit ruhigem Gewissen gesagt werden, dass es von der jeweiligen Ortsgemeinde abhängt zu entschieden, ob das Herrnmahl mit mehreren oder nur mit einem Kelch serviert wird. Eine Gemeinde kann einen oder tausend kleine Kelche verwenden und trotzdem „den Kelch“ nehmen, den Jesus angeordnet hat.

2. „Wöchentliches Gemeinschaftsmahl“. Die Aufgabe einer Gemeinde ist es, das Herrnmahl am Tag des Herrn oder am ersten Tag der Woche (d. h. am Sonntag) zu feiern. Weshalb? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten.

Erstens gibt es Beweise, dass die Gemeinde des ersten Jahrhunderts am ersten Tag der Woche zusammen kam, um das Herrnmahl einzunehmen. Einer der Beweise finden wir in der Apostelgeschichte 20,7a: „Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredete sich Paulus mit ihnen ...“ Dieser Stelle entnehmen wir, dass die Gemeinde gewöhnlich am ersten Tag der Woche zusammenkam und das Herrnmahl feierte. Doch die Notwendigkeit der wöchentlichen Feier des Herrnmahls hängt nicht allein von diesem Vers ab. Wenn wir wissen wollen, wie oft das Herrnmahl gefeiert werden soll, dann können wir folgende Tatsachen berücksichtigen: (A) Jesus hat es uns geboten (Lk 22,19; 1 Kor 11,24-26). (B) Die ersten Gemeinden hielten es regelmässig (1 Kor 11; Apg 2,42; 20,7). (C) Die ersten Gemeinden trafen sich jeweils am ersten Tag der Woche (Apg 20,7; 1 Kor 16,1-2). (D) Das Herrnmahl wurde jeweils am ersten Tag der Woche genommen, als die Gemeinde zusammenkam. (E) Der erste Tag der Woche, wörtlich „der erste Tag nach dem Sabbat“, wurde bekannt als „Tag des Herrn“ (Offb 1,10). (F) Hinweise zur Anbetung in der nachapostolischen Zeit berichten uns, dass die frühe Gemeinde das Herrnmahl (bekannt als Abendmahl) am ersten Tag der Woche zu sich nahm. Die Stelle in Apg 20,7 ist nur eine von vielen Belegen, die uns darauf hinweisen, dass die Gemeinde des ersten Jahrhunderts das Herrnmahl an jedem Tag des Herrn einnahm.

Zweitens ist es offensichtlich, dass das wöchentliche Gemeinschaftsmahl zu Gottes Bauplan für die Gemeinde zu allen Zeiten gilt. (A) Die Einhaltung der „Abendmahlsfeier“ war notwendig. (B) Es gibt Beweise für die Allgemeingültigkeit dieser Praxis. In Troas, Galatien und Korinth traf sich die Gemeinde am ersten Tag der Woche, um das Mahl des Herrn zu halten. (C) Der erste Tag der Woche war besonders wichtig, weil es „der Tag des Herrn“ war. Der Herr verlieh diesem Tag seine besondere Bedeutung, da er am ersten Tag der Woche von den Toten auferstand. (D) Die Beweise liegen klar auf der Hand, dass die neutestamentliche Gemeinde jede Woche zu diesem Gemeinschaftsmahl zusammenkam.

Es gibt Gebote Gottes, die für die Gemeinde bindend sind, solange es sie gibt. Wenn wir aufmerksam und andächtig die Schriften studieren und dabei den Zusammenhang betrachten, können wir herausfinden, welche Gebote und Beispiele es zu befolgen gilt.

Meinungsverschiedenheiten lösen
über das, was bindend ist für die Gemeinde heute

Zugegeben, selbst wenn wir uns an diese Richtlinien der Auslegung halten, ist es schwierig festzulegen, ob eine neutestamentliche Praxis bindend ist oder nicht. Folglich können wir sicher sein, dass Christen sich an einem bestimmten Punkt uneinig sind über die Anwendung von Schriften, die nicht fundamental sind für unseren Glauben. Was gilt es in solchen Fällen zu tun?

1. Wir sollten uns durch Meinungsverschiedenheiten nicht entmutigen lassen. Wenn Menschen fest überzeugt sind von einer Sache, dann geben sie in den meisten Fällen nicht nach. Doch Unterschiede gab es schon im ersten Jahrhundert und solange es die Gemeinde auf Erden gibt, werden sie ein Problem sein.

2. Wir können und sollten lernen, mit Meinungsverschiedenheiten zu leben. Manchmal können unterschiedliche Ansichten auch zu Spaltungen führen, was nicht sein sollte. Gläubige können lernen, mit unterschiedlichen Ansichten zu leben und zusammen zu arbeiten, wenn es um weniger fundamentale Fragen geht.

3. Wichtig ist, dass wir trotz Unterschiedlichkeiten eine gute Haltung pflegen. (A) Wir werden aufgerufen, einander liebreich zu begegnen. Vielleicht hilft es, wenn wir uns an die folgende Aussage erinnern: „In Glaubensangelegenheiten Einheit, in Meinungsverschiedenheiten Freiheit, bei allen Gelegenheiten Liebe.“ Erinnern wir uns doch an die Stelle in Epheser 4,15a, in der es heisst: „Lasst uns aber die Wahrheit bekennen in Liebe ...“ (B) Wir werden ermahnt, demütig zu sein in Bezug auf die Wahrheit, wie wir sie verstehen, denn wir sind Lernende und lassen uns durch das Wort Gottes immer weiter bilden. (C) Wir brauchen uns nicht hauptsächlich mit kontroversen Themen und Meinungsunterschieden auseinander-zusetzen (siehe 2 Tim 2,24-26). (D) Wir wissen doch, dass eine abgebrochene Beziehung zu einem Glied in der Gemeinde andere beeinflussen und zu ewigen Konsequenzen führen kann.

4. Ebenfalls sollten wir unsere Unterschiede nüchtern betrachten. Die Tatsache, dass andere Gläubige etwas glauben, was wir nicht glauben, bedeutet nicht unbedingt, dass sie verloren sind oder für ewig verloren gehen. Eine Gemeinde steht nicht in der Sünde, weil sie nur einen Becher für das Herrnmahl benötigt, oder weil sie keine Bibelstunde zur zusätzlichen Anbetung am Sonntagmorgen anbietet, oder weil sie keine Waisenhäuser mit dem Geld aus der Gemeindekasse unterstützt, oder weil sie Mahlzeiten im Gemeindegebäude verbietet. (Sie würde sich dann versündigen, wenn sie das Erinnerungsmahl nicht regelmässig einnimmt, die Bibel nicht lehrt, für Waisen nicht sorgt oder andere wichtige Handlungen vernachlässigt, die uns die Bibel lehrt.) Es ist selbst dann nicht sündhaft zu glauben, dass die, welche solche Dinge verüben, falsch handeln; genauso wenig wie es sündhaft war für einige zu meinen, dass das Essen von Fleisch in neutestamentlicher Zeit falsch war.

5. Es gilt biblischen Prinzipien zu folgen, wenn wir mit unterschiedlichen Auffassungen zu tun haben. Richtlinien dazu liefert uns Römer 14. Wenn es in Gemeindeangelegenheiten um unterschiedliche Meinungen geht, ist gegenseitige Akzeptanz gefordert. In der Gemeinde in Rom gab es die „Schwachen im Glauben“. Für sie war der erwähnte Fall keine Angelegenheit von menschlicher Meinung, sondern eine Glaubensangelegenheit. Deshalb lehrt Paulus, dass „die Schwachen“ die Starken annehmen sollen, ohne sie zu verurteilen. Ebenso sollen aber auch „die Starken“ die Schwachen akzeptieren, ohne sie zu verachten. Zusätzlich weist Paulus im Römerbrief darauf hin, dass es manchmal besser ist, auf seine Freiheit zu verzichten, um den Bruder oder die Schwester keinen Anstoss zu bereiten. Schliesslich rät Paulus, dass wir niemals etwas tun sollten, womit wir unser Gewissen verletzen.

6. Darüber hinaus gilt all das zu tun, was wir persönlich für richtig halten. Vielleicht können wir nicht die Probleme der Gemeinden in dieser Welt lösen, aber wir können das tun, was Gott von uns verlangt und zwar mit bestem Wissen und Gewissen. Es ist wichtig, dass wir das, was wir mit Sicherheit erkennen können, auch predigen und lehren und davon überzeugt sind, dass jeder Zuhörer, der sich daran hält, in den Himmel kommt. Auch wenn wir nicht alle Bibelstellen vollständig verstehen können, gilt es den offensichtlichen Tatsachen des rettenden Evangeliums zu glauben, den Befehlen zu gehorchen und den Verheissungen zu vertrauen.

Schlussfolgerung

Gott gibt seiner Gemeinde eine Vorlage (ein Bild oder ein Muster). Wie erkennen wir dieses Muster? Wenn wir einmal die Beweise ermittelt haben, die uns zur Schlussfolgerung führt, dass diese Anwendung in der frühen Gemeinde eine Glaubensangelegenheit war, dann gilt dasselbe auch für die heutige Gemeinde. Da das Neue Testament Gottes Gebote für die Gemeinde damals enthielt, offenbart es auch Gottes Gebote für die heutige Gemeinde.