Begriffe2-25: Exaleifein oder exaleifo – Austilgen

Fleisch oder Geist

William Barclay

 

Exaleifein kommt nur fünfmal im NT vor. Mindestens eine dieser Anwendungen ist sehr interessant und wichtig. Im klassischen Griechisch hatte das Wort anfangs eine Bedeutung von über etwas wischen. Es wurde zum Beispiel gebraucht für das übertünchen einer Hauswand. Krieger bestrichen ihre Körper mit Kriegsfarbe. Heredot (7.39) erzählt uns, dass die Äthiopier ihre Körper vor einer Schlacht zur einen Hälfte mit Kreide und zur anderen Hälfte mit Zinnober bestrichen. Es wird auch benutzt für salben mit Öl. Dann gewann es die Bedeutung von auswischen oder zerstören. Es wird gebraucht für: die Erinnerung an eine Erfahrung aus dem Gedächtnis löschen, eine Wahl widerrufen, oder ein Gesetz aufheben, Kosten oder eine Schuld streichen, eine Familie ausrotten.

Auch in den Papyri hat exaleifein diese Bedeutung beibehalten. Wir lesen da, dass ein Mann an seinen Freund schrieb: „Ich konnte deinen Brief nicht lesen, die Schrift war ganz ausgewischt.“ Zu dieser Zeit hatte es immer die Bedeutung von auswischen, auslöschen, so wie man die Schrift auf einer Tafel mit einem Schwamm auswischt.

Im NT wird es zweimal in wörtlichem Sinne gebraucht. In Offenbarung 7,17 und 21,4 lesen wir, dass Gott alle Tränen von ihren Augen abwischen wird. In Offenbarung 3,5 bezeichnet es das Tilgen eines Namens aus einer Liste und in Apostelgeschichte 3,19 das Austilgen von Sünde. Die interessanteste Stelle finden wir in Kolosser 2,14. Hier spricht Paulus von der Tilgung eines Schuldbriefs, der durch die Satzungen gegen uns stand. Das Wort, das der Apostel hier für Schuldbrief - cheirografos benutzt, heisst wörtlich: die eigenhändig geschriebene Urkunde. Es gewann dann noch die Bedeutung von eigenhändiger Unterschrift und schriftlicher Vereinbarung, bis es schliesslich allgemein für eine schriftliche Vereinbarung gebraucht wurde, die eine Schuld anerkannte, also ein Schuldschein, eine Schuldverschreibung. In den Papyri bittet jemand seinen Freund: „Falls es dir möglich ist, gehe bitte zu Dioscurus und fordere von ihm seinen Schuldschein.“ Ein cheirografos war also ein Dokument, das eine zu zahlende Schuld anerkannte. Genau das ist es, was Christus durch seinen Opfertod für uns ausgetilgt hat. Diese wörtliche Bedeutung von exaleifein, nämlich auslöschen, abwischen wollen wir im Sinn behalten.

Zur Zeit des Neuen Testaments schrieb man auf Papyrus. Die Tinte war eine Mischung aus Russ, Klebstoff und Wasser, sie enthielt also keine Säure, die das Schreibmaterial angreifen konnte. Sie war farbecht und sehr dauerhaft. Aber wenn man kurze Zeit nach der Beschriftung mit einem nassen Schwamm über das Schriftstück wischte, konnte man die Schriftzeichen so völlig wegwischen wie von einer Schiefertafel.

Das Interessante ist nun, dass es ein Wort für die Aufhebung einer Schuld gab, das viel öfter gebraucht wurde als unser Wort exaleifein, nämlich chiazein. Chiazein bedeutet, den griechischen Buchstaben chi, der dieselbe Form wie unser grosses X hat, quer über das ganze Dokument zu schreiben. So können wir lesen, dass nach einer Gerichtsverhandlung in Ägypten der Statthalter befahl, den Schuldschein zu annullieren - chiazesthai, das heisst also durchzustreichen. Nun sagt Paulus nicht, dass Christus unseren Schuldbrief durchgestrichen - chiazein hat, sondern er bezeugt, dass er ihn aus gelöscht - exaleifein hat. Wenn wir etwas mit einem X quer über ein ganzes Schriftstück durchstreichen, dann ist die Schrift noch klar und deutlich für jedermann lesbar, aber wenn wir es auswischen, dann ist es weg, ein für allemal. So hat Gott um Christi willen unsere Schuld nicht nur durchgestrichen, sondern völlig ausgelöscht. Viele Menschen vergeben etwas, aber vergessen nicht wirklich den Schmerz, der ihnen zugefügt wurde. Aber Gott vergibt nicht nur, er tilgt auch die Erinnerung an unsere Schuld aus. Gottes Vergebung ist so vollkommen, dass es keine Erinnerung an unsere Schuld gibt.