Begriffe1-09: Eritheia – falscher Ehrgeiz

Griechische Begriffe 1

9.  Eritheia = Zankerei

von William Barclay

 

Eritheia ist ein Wort, dessen Bedeutung degenerierte, und die Geschichte dieser Entartung ist in sich ein erschreckendes, aber dennoch getreues Abbild der menschlichen Natur. Im NT wird es siebenmal gebraucht und jedes Mal bezeichnet es einen Fehler, der die Arbeit der Gemeinde ruiniert. In Römer 2,8 wird es zur Beschreibung derer benutzt, die widerspenstig (Zürcher) sind (Luther: zänkisch, Pattloch: die sich widersetzen). In 2 Kor 12,20 erscheint es inmitten einer Liste von Fehlern, die die Gemeinde in Korinth zerstören (Luther: Zank, Zürcher: Ränke, Pattloch: Zankereien). In Gal 5,20 kennzeichnet es eins der Werke des Fleisches (Luther: Zank, Zürcher: Ränke, Pattloch: Hetzereien). In Phil 1,17 (Luther: Streitsucht, Zürcher: Ränkesucht. Pattloch: Eigennutz) und 2: 3 (Luther: Zank, Zürcher: Ränkesucht. Pattloch: Eigensucht) beschreibt es den falschen Beweggrund zum Predigen und die falsche Lebenshaltung. In Jak 3,14 und 3,16 ist es ein charakteristisches Kennzeichen der Weisheit, die nicht von oben kommt (Luther: beides mal Zank, Zürcher: beides mal Zanksucht, Pattloch: Streit und Streitsucht).

Nun kommt das Interessante an diesem Wort. Nach den eben erwähnten Stellen zu urteilen, führen wir es natürlicherweise und fast unvermeidlich auf das Wort eris zurück, welches das Wort für Streit oder Kampf, auch Wettstreit ist. Das ist aber ganz und gar nicht seine Ableitung. Erithos bezeichnete ursprünglich einen Tagelöhner; das Wort war besonders verbunden mit „Spinnern“ und „Webern“ und wurde allgemein von erion = Wolle abgeleitet. Eritheia war also ursprünglich ein achtbares Wort mit der Bedeutung von arbeiten für Lohn. Dann begann es zu entarten. Es gewann die Bedeutung einer Arbeit, die man nur und ausschliesslich um des Lohnes willen tut; eine Arbeit, die man nicht um des Dienstes willen tut und die nur eine Frage kennt: Was bekomme ich dafür? Im weiteren Verlauf erreichte es die Bedeutung von Stimmenfang und durch Ränkespiel ein öffentliches Amt erlangen. Es diente zur Beschreibung eines Mannes, der ein öffentliches Amt suchte, jedoch nicht, um dem Staat seinen Dienst anzubieten, sondern einfach, um seiner eigenen Ehre und des persönlichen Vorteils willen. Dann erlangte das Wort zwei andere Bedeutungen. Erstens wurde es für Parteigezänk benutzt, für das Erlisten eines Postens, für das Intrigenspiel um Stellung und Macht, das so oft kennzeichnend ist für die Politik in Staat und Kirche. Zweitens erreichte es die endliche Bedeutung von selbstsüchtigem Ehrgeiz, dem Ehrgeiz, der keinen Begriff vom Dienst hat, dessen einziges Ziel Profit und Macht ist.

Es ist ausserordentlich interessant zu erfahren, wie das NT dieses Wort benutzt. Am häufigsten finden wir es in den Paulusbriefen, und niemand kannte wohl die innere Beschaffenheit der ersten Gemeinden besser als Paulus. Es war eine Sünde, die eine Gemeinde so leicht zerstören konnte. Es war ein Verschulden, das die Gemeinde Gottes in Korinth an den Rand des Zerfalls brachte, denn es führte zur Aufsplitterung in Sekten und Parteien, die mehr auf ihre eigene Herrschaft bedacht waren, als auf die Herrschaft Christi. In Philippi war es der Beweggrund bestimmter Prediger geworden; sie waren von ihrer eigenen Herrlichkeit eingenommen statt von der Herrlichkeit Christi. Denney sagte vor langer Zeit sehr scharf, dass kein Prediger gleichzeitig seine eigene Klugheit und die Grösse Christi aufzeigen kann. Es ist charakteristisch für einen Menschen, der alles einer irdischen, menschlichen Norm unterordnet und der an alles den Massstab persönlichen Ansehens und Erfolges legt.

Die Tatsache, dass dieses Wort, das ursprünglich die ehrliche Arbeit bezeichnete, die ihren Lohn wert war, eine solche Veränderung erfuhr, wirft ein bezeichnendes Licht auf die menschliche Natur. Es ist eine Warnung an unsere Generation, denn das meiste Unheil unserer Tage entspringt nicht wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern der Einstellung, die immer fragt: Was kann ich aus meinem Leben herausholen? und nicht: Womit kann ich mein Leben erfüllen?