Lieben-07: Bedingungslose Vergebung

Lernen zu lieben

 

 Einleitung

In der letzten Lektion lernten wir einen biblischen Weg, Menschen in ihrem Selbstwertgefühl aufzubauen, indem wir einander annehmen.

Heute geht es darum, anderen mit Liebe zu begegnen, indem wir ihnen bedingungslose Vergebung anbieten. Es ist mir bewusst, dass die bedingungslose Vergebung eine grosse Herausforderung und eine hohe Stufe in der Liebe ist. Ich gebe zu, dass auch ich mit dieser hohen Stufe der Liebe schon zu kämpfen hatte. Wenn die Situation eine bestimmte Spannung erreicht hat, dann ist es leicht, aus Verzweiflung zu sagen: „Ich bin doch nicht Gott!”

Doch unsere Liebesfähigkeit muss immer weiterwachsen, indem sie neue Herausforderungen annimmt. Es ist wie beim Hochsprung, wo die Latte immer ein bisschen höher gelegt werden muss, um den Sportler neu herauszufordern, damit er Fortschritte machen kann. Allgemein wissen wir alle, was Liebe ist oder wäre, oder? Unser Ziel ist es aber mehr zu lernen, wie diese Liebe täglich angewandt wird! Deshalb wollen wir unsere Gedanken in der Liebe weiter ausbauen.

 

 I.   Rache

Wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen, dann denken wir schnell an Rache. Wie können wir es jemandem heimzahlen? Sind wir uns dabei bewusst, wie schwierig es ist, gerechte Vergeltung auszuüben?

Ein Universitätsprofessor versuchte seinen Studenten beizubringen, wie man eine „Problemanalyse“ durchführt. Jeder Student sollte seine Gedanken niederschreiben. Dabei schrieb eine junge Studentin von ihrem Freund, von dem sie sich ungerecht behandelt fühlte. Als der Professor ihre schriftlichen Ausführungen las, rief er die Studentin zu sich und fragte, was sie nun tun wolle, um von ihren Gefühlen befreit zu werden: Sie sagte, sie ziehe in Betracht, ihrem Freund die Reifen seines Sportwagens aufzuschlitzen! „Gut,“ sagte der Professor, „lass uns darüber nachdenken!“ „Wie viele Reifen müssten es denn sein? Sollen es alle vier Reifen sein, oder würden Drei genügen?” Der Professor schlug vor: Wie wäre es, drei Reifen aufzuschlitzen und beim vierten bloss die Luft herauszulassen? „Wären Sie dann quitt?“ fragte er. „Was wäre aber, wenn Ihr Freund herausfindet, was Sie getan haben und Ihren Racheakt für ungerechtfertigt hält?“ fragte er weiter. Müsste dann auch sie mit einem Vergeltungsschlag rechnen? Wie schwerwiegend könnten am Ende die Konsequenzen sein? Mit solchen und ähnlichen Fragen wollte der Professor der jungen Studentin zeigen, wie schwierig es ist, gerechte Vergeltung auszuüben. Dieses etwas übertriebene Beispiel soll auch uns zeigen, wie schwierig es ist, mit Ungerechtigkeiten quitt zu werden. Menschen tun manchmal die verrücktesten Dinge, um sich zu rächen. Verbessert das etwa die Situation oder die Beziehung? – Keineswegs!

Wir leben in einer Welt, in der die Vergebung einen unbedeutenden Stellenwert bekommen hat! Menschen vergessen und verzeihen einander nicht. Im Gegenteil! Es ist, als würde die Gesellschaft alles abspeichern, was Negatives vorgefallen ist, als würde sie keine Fehler zulassen.

 

 II.   Der Gott, der zweiten Chance

Gott sei Dank, dass unser Schöpfer ganz anders ist und uns seine Gnade erweist. Der gnädige Gott ist uns bekannt als „Gott, der zweiten Chance”. In der Bibel lesen wir, dass wer seine Sünden vor Gott bekennt und bereut, der erfährt keine Verurteilung, sondern seine Gnade (1Joh 1,8 – 2,2). Gott hat sogar Freude daran, gnädig zu sein und uns unsere Schulden zu vergeben (Mi 7,18). Unfassbar!

In Psalm 103,11b lesen wir: „So hoch der Himmel über der Erde, so mächtig ist seine Gnade über denen, die ihn fürchten.” Durch den Mund des Propheten Jeremia spricht der Herr (Jer 31,34b): „… ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken.”

Gelobt sei der Herr, der zweiten Chance!

 III. Unseren Kindern vergeben

Viele haben es schwer zu vergeben, weil sie es in ihrer Kindheit selbst nicht gelernt haben. Wer in der Welt um Vergebung bittet, gilt als schwach. Wer möchte schon zugeben, dass er schwach ist? Vielmehr lernen die meisten schon sehr früh in ihrer Kindheit, dass sie stark sein und ein gutes Selbstvertrauen entwickeln sollen, schnell sich zu rechtfertigen und geschickt sich aus der Affäre zu ziehen. Schlagfertigkeit ist ein Zeichen von gutem Selbstvertrauen. Doch diese Haltung ist nicht in jeder Lebenssituation eine Hilfe. Je älter wir werden, desto mehr müssen wir lernen, uns auch zu entschuldigen, ansonsten geraten wir von einem Problem ins andere. Auch als Eltern oder Grosseltern sollten wir die Grösse haben, uns bei einem Kind zu entschuldigen und zu sagen: „Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht.” „Bitte vergebe mir.” Für Kinder sind das wichtige Lebenslektionen, bei denen wir dabei kein bisschen an Achtung und Respekt verlieren.. Das lehrt sie, ebenso zu ihren Fehlern zu stehen. So werden sie mit der menschlichen Unvollkommenheit konfrontiert und lernen, sich selbst als auch anderen zu vergeben.

Das müsste sich eigentlich in unserer modernen Zeit längst geändert haben. Hat es aber leider nicht. Viel zu oft lernen die Kinder eine falsche Autorität von ihren Eltern. Kein Wunder, wenn sie es später oft so schwer haben in ihren Beziehungen, wo Trennung leichter fällt als Vergebung und Neubeginn.

Es geht nicht bloss darum, Kinder um Vergebung zu bitten, sondern auch darum, ihnen grosszügig zu begegnen, wenn sie etwas falsch machen. So lernen sie durch uns, Gottes Gnade kennen. Wir sollten von Kindern nicht zu viel erwarten, vielmehr ihnen viel vergeben. Die Lebensphasen der Kinder sind kurz und intensiv. Sie verlangen einiges von ihnen ab und zwingen sie auf verschiedenen Ebenen zu lernen und zu wachsen. Ganz wichtig aber ist, dass sie schon früh lernen, um Vergebung zu bitten und anderen zu vergeben. Das steigert die Fähigkeit, Spannungen besser zu ertragen und nicht immer so schnell eingeschnappt zu sein, wie das bei vielen Menschen heute der Fall ist.Denn wer langanhaltende Beziehungen pflegen möchte, der muss ein kurzes Erinnerungsvermögen haben.

Je mehr wir uns diese fundamentalen Prinzipien zu Herzen nehmen, desto weniger werden wir uns im Alter einsam fühlen.

 

 IV. Unserem Ehepartner vergeben

Dasselbe Prinzip gilt auch in der Ehe. In einer Ehe ist es besonders wichtig, dass wir uns bereitwillig entschuldigen und immer wieder die Zähler auf null stellen. Nur so kann eine Ehe langlebig sein, wenn beide bereit sind, einander immer wieder neu zu vergeben. Selbstverständlich gehört auch dazu, dass auf eine ernstgemeinte Bitte um Vergebung, auch eine Änderung folgt. Alles andere wäre geheuchelt.

Je besser dieses Prinzip der bedingungslosen Vergebung befolgt wird, desto eher hat eine Ehe die Chance zu überleben. Gottes Wort lehrt uns, einsichtig zu sein und einander zu vergeben. Vergeben heisst auch, auf die Seite legen und nicht mehr hervorholen. Einander etwas nachzutragen und später wieder vorzuhalten, zerstört jede Beziehung.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt der Vergebung.

Weshalb haben Menschen oft Mühe einander zu vergeben?
Weil sie oft von einer falschen Meinung eingenommen sind, dass sie damit jemandem Recht geben. Aber Vergebung hat nichts mit Rechthaben oder Unrechthaben gemeinsam! Viele sind der irrigen Meinung, sich zu weigern zu vergeben würde den anderen schmerzen. Doch das Gegenteil ist der Fall! Wir sind es selbst, die die den Preis dafür zahlen, wenn wir nicht vergeben. Denn der Krebs der Bitterkeit wird in uns wachsen. Besonders dann, wenn keine Lösung des Problems in Aussicht steht und die andere Person nicht einsieht, wofür sie sich entschuldigen soll, dann ist es wichtig, loszulassen und zu vergeben. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir den Streitfall dem Herrn übergeben sollen.

Es ist, wie wenn wir einen Stein aus unserem Rucksack entfernen und ihn Jesus übergeben (1Petr 5,7): „All eure Sorgen werft auf ihn, denn er kümmert sich um euch.” Gott lässt uns sagen (Röm 12,19): „Übt nicht selber Rache, meine Geliebten, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum! Denn es steht geschrieben: Mein ist die Rache, ich werde Vergeltung üben, spricht der Herr.”

Weshalb sollen wir uns nicht selbst Vergeltung schaffen?
Weil Gott will, dass wir auf das Gute fokussiert sind und nicht auf das Böse. Römer 12,21: „Lass dich vom Bösen nicht besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute.” Der Herr wird sich unserer Sache annehmen und uns Vergeltung verschaffen auf seine Art.

 

 V.  Unseren Eltern vergeben

Eine weitere Gruppe von Menschen, denen wir vergeben lernen sollten, ist unsere Eltern. Vielleicht treffe ich damit genau Ihren heiklen Punkt. Auch ich hatte lange Zeit ein grosses Problem mit meinem Vater, von dem ich mich ungerecht behandelt fühlte. Er machte mir oft das Leben unnötig schwer und er glaubte zu wenig an mich und meine guten Fähigkeiten. Als Kind hatte ich Alpträume, in denen die Stimme meines Vaters immer näher kam und immer heftiger wurde, während ich versuchte wegzurennen, aber es nicht schaffte. Dann wachte ich völlig verängstigt und schweissgebadet in der Nacht auf.  Später, als sich mein Vater im hohen Alter entschuldigte, für das, was er mir angetan hatte, nützte es mir nichts mehr. Ich hatte ihm bereits vergeben und wuchs im Glauben längst über diesen Schmerz hinaus.

Ich bin überzeugt, dass sich viele missbrauchten Erwachsenen an die grösseren und kleineren Verletzungen aus ihrer Kindheit erinnern. Diese Schmerzen müssen unbedingt aufgearbeitet werden, wenn nötig sogar mit einem Psychiater! Denn solche schmerzhaften Erinnerungen können unser Leben in der Zukunft negativ beeinträchtigen. Verbitterte und verletzte Menschen werden es schwer haben zu lieben und anderen zu vergeben. Besonders in der eigenen Kindererziehung kann das auch negative Folgen haben, für die heranwachsende neue Generation. Es ist notwendig, dass jeder lernt, mit der negativen Vergangenheit seiner eigenen Kindheit abzuschliessen. In vielen Fällen genügt es, wenn wir im Gebet mit dem himmlischen Vater unsere Nöte, Ängste und Verletzungen besprechen und sie lernen abzulegen (Mt 6,12-14).

Weil Gott uns durch Jesus Christus vergeben hat, können auch wir fähig werden, anderen zu vergeben und ihnen Gedanken der Liebe zusenden. Dabei ist es wichtig, dass wir zuerst unsere Verletzungen ausdrücken oder niederschreiben und sie offen zugeben. Vielleicht haben auch wir in der Vergangenheit Fehler gemacht, die wir dem Herrn bekennen wollen. Wichtig ist, dass wir die vergangenen Verletzungen ernst nehmen und daran arbeiten, alles Negative und Belastende im Glauben über Bord zu werfen.

Es gibt einen einfachen Test, wie wir feststellen können, ob wir jemandem tatsächlich vergeben haben. Dieser Test beinhaltet eine einfache Frage, mit einer kurzen Antwort. Habe ich der entsprechenden Person, die mich verletzt hat, Segen gewünscht und ihr Gedanken der Liebe zugesandt? Wenn ich das noch nicht getan habe, dann ist es Zeit, dass ich mich hinsetze und für diese Person intensiv bete, ihr Segen wünsche und Gedanken der Liebe sende. Erst dann fühlen wir uns oft richtig erlöst und geheilt. Wir können Verletzungen sammeln wie Briefmarken, oder wir können sie jeweils im Gespräch mit Gott über Bord werfen. Das Leben enthält viele Verletzungen und Schmerzen. Doch der Herr ist da und bereit, uns jederzeit anzuhören und uns zu befreien von allem, was uns am Glücklichsein hindert. Je schneller wir mit Gott ins Gespräch kommen, desto schneller können wir die Verletzungen und Schmerzen ablegen.

Die bedingungslose Vergebung ist keine Option, sondern sie ist Gottes Gebot!

Kolosser 3,12-13:
„So bekleidet euch nun als von Gott auserwählte Heilige und Geliebte mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Geduld! Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben!”

Der Herr wird uns einen Ausweg zeigen, denn er will nicht, dass wir frustriert sind, noch verlangt er von uns das Unmögliche. Das Ziel des Teufels ist es, uns zu isolieren und uns vorzugaukeln, wir hätten ein ganz besonders grosses Problem und seien die Einzigen auf der Welt, die so etwas schlimmes ertragen müssten.

Es gibt aber einige Menschen, die auch Gott vergeben lernen müssen. Viele sind schockiert, wenn sie das hören, aber ist es nicht so, dass viele Menschen Gott die Schuld geben für die Probleme, die sie im Leben erfahren? Sie fragen sich: „Warum hat Gott das zugelassen?” Sie verstehen nicht, weshalb Gott ihnen diese oder jene Versuchung gibt? (Jakobus 1,13-17). Wenn wir also Gott für so viele negative Dinge im Leben verantwortlich machen, dann ist es wichtig, dass wir dem Herrn vergeben, um inneren Frieden in unseren Herzen zu finden. Der Herr wird uns verstehen in all unseren Nöten!

 

 VI. Vergeben ist nicht immer einfach

Jeder wird in seinem Leben früher oder später schwerer verletzt. Jemandem zu vergeben ist nicht immer einfach. Es verlangt meistens viel ab von der Person, die verletzt wurde. Jede Verletzung muss ernst genommen und möglichst schnell behandelt werden, sonst kann sie sich entzünden und an unserer Seele grösseren Schaden anrichten. Die Behandlung kostet zwar Zeit und Energie, aber immer noch besser, als zu meinen, sie würde von selbst heilen.

Wir tun gut daran, auf Jesus zu hören, der uns aufklärt, mit den Worten (Mt 6,14-15): „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird auch euer Vater eure Verfehlungen nicht vergeben.” Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott keinem Menschen Versuchungen zukommen lässt, die nicht zu ertragen wären, sondern mit der Versuchung auch den Ausweg schaffen wird, sie zu bestehen (1Kor 10,13). Denn Gott ist treu und gut zu all seinen Geschöpfen!

Kürzlich las ich von einem Mann, der seinem Hund einen Stein anwarf und damit eins seiner Beine brach. Der Hund hinkte winselnd zu seinem Herrchen, legte sich zu seinen Füssen und fing an, die Hand abzulecken, die den Stein nach ihm warf. Das ist Vergebung vom feinsten! Wenn wir diese Haltung in unserem Leben pflegen lernen, dann werden wir die Welt um uns herum revolutionieren mit der Liebe, die Gott zu uns hat.

 

 Schlussfolgerungen

Darum, lasst uns diese wichtige Lektion der Liebe verstehen! Sie wird uns helfen, die Hochsprunglatte höher zu setzen. Sie wird uns befreien, von unnötigen Steinen in unserem Rucksack. Sie wird uns fähiger machen, anderen mit Liebe zu begegnen. Sie wird unsere Welt revolutionieren!

Diese Gedanken helfen mir immer wieder, mit der Vergangenheit abzuschliessen und mit Gott und den Menschen in Frieden zu leben.

Möge der Heilige Geist Gottes auch Ihre Liebesmuskeln stärken und ihre Bemühungen zur bedingungslosen Vergebung segnen!