Entstehung-01: Über die Herstellung von Büchern im Altertum

Die Bibel – Entstehung und Überlieferung

Neil R. Lightfoot

 

Die Geschichte der Bibel ist eine Geschichte voller Hingabe, Mühsal und Glauben solcher Menschen, die oft unter grossen Opfern die Botschaft vom Heil Gottes von Generation zu Generation weitergegeben haben. Die Bibel ist nicht so einfach entstanden wie jedes andere Buch und blieb nicht zufällig durch die Jahrhunderte erhalten. Die Bibel ist ein Wunder in sich selbst. Wir, die wir in einer Zeit leben, in der Tausende von Büchern geschrieben und gedruckt werden, übersehen leicht die faszinierenden Dinge, die der Entstehung der Bibel zugrunde­liegen.

Wie und wann sind die Bücher der Bibel entstanden? In welchem Sinne unterscheiden sie sich von anderen Büchern? Wie wurden sie erhalten und uns überliefert? Das sind einige Fragen, die bei jedem auftauchen, der sich ernsthaft mit der Bibel beschäftigt. Die Antworten darauf lassen eine Geschichte entstehen, die Jahrtausende umspannt, in verschiedene Gegenden der Erde führt und uns einen Blick in das Herz ungezählter Menschen tun lässt, deren ganze Liebe dem Worte Gottes galt.

Über das Schreiben in früher Zeit und das verwendete Material

Der Anfang unserer Bibel hängt eng zusammen mit der Geschichte des Schreibens und des Materials, das für die Herstellung der Schriften verwendet wurde. Unsere Bibel ist ein sehr altes Buch, aber durchaus nicht das älteste. Die in den letzten 100 Jahren gemachten Ausgrabungen zeigen, dass die Schreibkunst in vielen Ländern gut ausgebildet war, lange bevor die Hebräer in Palästina ein Volk darstellten.

Die ersten bekannten Beispiele des Schreibens stammen aus dem alten Ägypten, wo Inschriften gefunden wurden, die bis fast 5000 v. Chr. zurückdatieren. Aus Babylonien sind Inschriften des Königs Sargon I. vorhanden, der etwa 3750 v. Chr. lebte. Die Schriften der Sumerer aus diesem Gebiet sind sogar noch älter. In Palästina selbst wurden Schriften der Stadtoberhäupter aus der Zeit um 1500 v. Chr. gefunden.

Aus diesen Tatsachen lassen sich wichtige Schlüsse auf den Ursprung der Bibel ziehen, denn früher behaupteten viele Bibelkritiker, dass das Schreiben zur Zeit Moses (etwa 1500 v. Chr.) unbekannt war und er deshalb nicht der Autor der ersten fünf Bücher der Bibel sein könne. Heute wissen wir, dass das Schreiben viele Jahrhunderte vor Mose allgemein bekannt war. Deshalb kann nicht länger behauptet werden, die ersten fünf Bücher der Bibel könnten unmöglich von Mose stammen.

Die Menschen im alten Palästina und den umliegenden Ländern kannten viele Arten des Schreibmaterials. Die Bibel selbst nennt einige:

STEIN
Es wurde festgestellt, dass das erste Schreibmaterial fast überall Stein war. In Ägypten und Babylonien sind die ältesten Inschriften auf Stein geschrieben, das trifft auch für Palästina zu (der Stein der Moabiter und die Inschriften von Siloah). Auch das Alte Testament nennt als frühestes Schreibmaterial Stein. Die zehn Gebote waren bekanntlich ursprünglich auf Stein geschrieben. „Und als der Herr ausgeredet hatte mit Mose auf dem Berge Sinai, gab er ihm zwei Tafeln des Zeugnisses, die waren steinern und beschrieben mit dem Finger Gottes“ (2. Mose 31,18; 34,1.28). Nachdem das Volk Israel den Jordan überquert hatte, sollten sie Steine aufrichten und das Gesetz darauf schreiben (5. Mose 27,2-3; Josua 8,30-32).

TON
In Assyrien und Babylonien war das vorherrschende Schreibmaterial Ton. Grosse Bibliotheken auf Tontafeln wurden in diesen Gebieten ausgegraben (vgl. J. P. Wiseman „Entstehung der Genesis“). Auf die Tafeln wurde natürlich geschrieben, solange sie noch weich waren. Nach der Beschriftung musste der Ton erst trocknen. Auf dieses Material aus Ton wird in Hesekiel 4,1 Bezug genommen, wo dem Propheten befohlen wird, einen Stadtplan von Jerusalem auf einem Ziegel zu entwerfen.

HOLZ
Hölzerne Tafeln wurden im Altertum häufig zum Schreiben benutzt. Die in Jesaja 30,8 und Habakuk 2,2 genannten Tafeln waren zweifellos aus Holz.

LEDER
Jahrhunderte hindurch spielten Leder oder Tierhäute eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Bibel. Leder ist im Alten Testament nicht ausdrücklich erwähnt, wurde aber zweifellos von den Hebräern als hauptsächliches Material für literarische Zwecke verwendet. Informationsquellen lassen deutlich erkennen, dass die alttestamentlichen Schriften auf Leder geschrieben wurden. Der jüdische Talmud z. B., eine Sammlung traditioneller Gesetze, fordert ausdrücklich die Vervielfältigung der Schriften auf Tierhäute. Diese Regel beruht zweifellos auf einer alten Tradition. Daraus kann man mit Sicherheit schliessen, dass die alttestamentlichen Schriften gewöhnlich auf präparierte Häute abgeschrieben wurden. Wenn in neutestamentlicher Zeit Paulus um die Pergamente bittet (2. Timotheus 4,13), so meint er wahrscheinlich Teile des Alten Testamentes.

PAPYRUS
Die wichtige Rolle des Leders für das Alte Testament übernimmt im Neuen Testament der Papyrus. Die Papyruspflanze wuchs früher im Überfluss im Niltal. Schon um 3500 v. Chr. wurde Papyrus daher als Schreibmaterial in Ägypten eingeführt. Seine Beliebtheit dehnte sich bald auf die umliegenden Länder bis nach Griechenland und Rom aus. Da sein Gebrauch so allgemein war, wurden sicher auch die neutestamentlichen Briefe im Original auf Papyrus geschrieben.

Die Produktion von Papyrusblättern zeugt von grosser Geschicklichkeit der Hersteller. Aus dem Mark der Papyrusstaude wurden dünne Streifen geschnitten und zu einem Blatt aneinander­gefügt. Eine zweite Lage wurde quer über die erste gelegt und durch Feuchtigkeit und Pressen mit ihr verbunden. Nach dem Trocknen und Polieren waren die Blätter dann gebrauchsfertig. Manchmal wurde nur ein Blatt für einen Brief oder eine Empfangsbestätigung benutzt; ein andermal heftete man mehrere Blätter zu einer Rolle zusammen. Papyrusrollen waren die „Bücher“ des Altertums bis zum ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus.

Fast jedermann hat von Papyrusrollen gehört. Aber wie sahen sie eigentlich aus, und wie wurden sie gebraucht? Die Rollen waren verschieden gross, die gebräuchlichsten etwa sechs Meter lang und dreiundzwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter hoch. Gewöhnlich wurde nur eine Seite beschrieben, manchmal gab es allerdings auch Schreiber, die beide Seiten einer Rolle benutzten (Offenbarung 5,1). Die Schrift wurde in Spalten von verschiedener Breite angeordnet, die durchschnittliche Breite war etwa acht bis zehn Zentimeter. Das innere Ende (manchmal auch beide Enden) wurde häufig an einer Holzrolle befestigt, um das Aufrollen zu erleichtern. Der Titel des Werkes wurde auf einem Papyrusstreifen an die Aussenseite geheftet. Oft wurde die Rolle mit einer Schutzhülle versehen und in einem Holzkasten aufbewahrt. (Oscar Paret „Die Überlieferung der Bibel“: Das 1947 in einer Höhle beim Toten Meer gefundene Buch Jesaja ist eine derartige Rolle. So sah auch das Buch Jesaja aus, das Jesus sich in der Synagoge in Nazareth reichen liess [Lukas 4,17] sowie das des Kämmerers aus dem Mohrenland [Apostelgeschichte 8,28]. Das Judentum hält für den Gebrauch in der Synagoge bis heute an der Rolle fest.)

Um das erste oder zweite Jahrhundert n. Chr. begannen die Papyrusrollen dem sogenannten Papyruskodex zu weichen. Ein Kodex ist das, was wir heute unter einem Buch verstehen. Diese Form hatte klare Vorzüge gegenüber der Rolle. Der Kodex war handlicher, und man konnte mehr hineinschreiben als in eine Rolle. Er war auch billiger, da man auch die weniger guten Blätter verwenden konnte. Aus diesen Gründen bevorzugten die ersten Christen die Kodexform gegenüber der Rolle beim Abschreiben der umlaufenden neutestamentlichen Schriften.

PERGAMENT
Durch die Bestrebungen König Eumenes II. von Pergamos in Kleinasien (197 -158 v. Chr.) erhielt das Pergament den Vorrang als Schreibmaterial. Eumenes bemühte sich, seine Bibliothek zu weltweiter Bedeutung auszubauen. Der König von Ägypten jedoch versuchte dieses Unternehmen zu verhindern, indem er die Versorgung mit Papyrus aus Ägypten unterband. Eumenes musste sich deshalb sein eigenes Schreibmaterial beschaffen, was ihm durch die verbesserte Behandlung von Tierhäuten gelang. Das Resultat ist als „Pergament“ (von „Pergamos“) bekannt.

Es wurde aus Häuten von Kälbern, Schafen oder auch Ziegen hergestellt. Der schwierige Prozess beginnt, nachdem die Tierhaut gespannt und getrocknet ist. Nachdem Haare und Fleisch entfernt sind, werden beide Seiten mit Steinen geschmeidig gerieben. Die Pergamentseiten werden geschnitten und in der Mitte gefaltet, um Bücher zu formen. Mit einem spitzen Werkzeug werden Linien auf den Seiten gezogen, wodurch in der einen Seite eine Rille und auf der anderen Seite ein Grat entsteht. Ein Pergamentkodex wurde anfangs mit drei oder vier Spalten auf einer Seite beschrieben, später nur noch mit zwei Spalten.

Pergamenthandschriften sehen sehr schön aus. Die zwei wertvollsten vorhandenen Handschriften des Neuen Testaments sind auf aussergewöhnlich gutes Pergament geschrieben. Um eine besondere Wirkung zu erzielen, wurde Pergament manchmal purpurn gefärbt und mit goldenen oder silbernen Buchstaben beschriftet. Die bedeutendste Eigenschaft des Pergaments aber ist seine Dauerhaftigkeit. Papyrus ist natürlicherweise längst nicht so dauerhaft. Aus diesem Grunde und wegen einer möglichen Knappheit an Papyrus verdrängte das Pergament den Papyrus. Deshalb wurde auch das Wort Gottes vom 4. Jahrhundert an, das ganze Mittelalter hindurch, nur auf Pergament geschrieben.

ANDERE ARTEN des Schreibmaterials.
Auch andere Schreibmaterialien wie Wachs, Blei, Leinen, Tonstücke usw. verwendete man im Altertum, aber die oben erwähnten waren die bedeutendsten für die Geschichte der Bibel. Das Schreibgerät hing natürlich von dem Schreib­material ab. Wenn es aus Ton oder Wachs bestand, wurde ein scharfes Instrument benutzt, das man stylos nannte und im Deutschen mit Griffel bezeichnet werden kann.

Zum Beschreiben des Papyrus schnitzte man ein Rohr zu einer Feder. Zweifellos ist in 3. Johannes 13 von einer solchen Feder die Rede. Man hatte verschiedene Tintenmischungen; die auf Pergament benutzte Tinte war dauerhaft.

Zusammenfassung

Die Geschichte des Schreibens führt uns in die entfernte Vergangenheit zurück. Die Schreib­kunst wurde schon Jahrhunderte vor Mose ausgeübt. Deshalb kann man nicht ohne weiteres Mose als den Schreiber einiger Teile der Bibel ablehnen. Im Altertum schrieben die Menschen auf viele Arten von Material, wobei sie von ihrer Gegend und der politischen Lage abhängig waren. Zur Zeit des Alten Testamentes bestand das wichtigste Schreibmaterial aus Leder oder Häuten. Als man anfing das Neue Testament zu schreiben, war Papyrus allgemein im Gebrauch. Kurze Zeit später wurde die Papyrusrolle durch den praktischen Papyruskodex abgelöst. Etwa um das 4. Jahrhundert trat Pergament an die Stelle des Papyrus; deshalb haben die Handschriften des Neuen Testamentes, die die Jahrhunderte überdauerten, die Form des Pergamentkodex. Die meisten neutestamentlichen Handschriften, die wir heute noch haben, sind auf schönes, dauerhaftes Pergament geschrieben.

 

Link:

- Die Bibel - Gottes Wort

 

Arbeitsblatt 1: Zum Einprägen

 

Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen anhand der Lektion und senden Sie das ausgefüllte Arbeitsblatt an die Kontaktadresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

 

1. Was wissen wir von der Schreibkunst aus der Zeit vor Mose? Wurde die Schreibkunst in dieser Zeit allgemein ausgeübt? Welche Bedeutung hat das für die Verfasserschaft der fünf Bücher Mose?


2. Zählen Sie einige der wichtigsten Materialien auf, die in früher Zeit zum Schreiben benutzt wurden. Welches davon war das wichtigste für die Schriften des Alten Testamentes?


3. Beschreiben Sie kurz das Aussehen einer Papyrusrolle! Welche Bedeutung hatte Papyrus für die Frühgeschichte des Neuen Testamentes?


4. Was bedeutet Kodex? War er besser als die Rolle? Wenn ja, was waren einige seiner Vorteile?


5. Was ist Pergament? Wie wurde es hergestellt?


6. Wie lange wurde Pergament zum Abschreiben des Neuen Testamentes benutzt? Nennen Sie einige Vorteile des Pergaments gegenüber dem Papyrus.


7. Fragen oder Anregungen?