Gemeinden-14: Korinth

Gemeinden im Neuen Testament

Korintherbriefe
Thema: Die Gemeinde mit schwerwiegenden Problemen.

 

 

 I.   Geschichtlicher Hintergrund der Stadt

Korinth liegt auf dem ca. 10 Kilometer breiten Isthmus, der das griechische Festland und die Halbinsel des Peloponnes verbindet. Der gesamte Land- und meist auch Schiffsverkehr führte zwangsläufig über Korinth, da die Stadt über zwei Häfen verfügte. Um den Peloponnes nicht umschiffen zu müssen, wurden kleinere Schiffe auf Rollen gelegt und über die ca. 10 Kilometer lange Landstrecke befördert. Grössere Schiffe wurden manchmal umgeladen und ersparten den Seeleuten die gefährliche Umschiffung des Kapps von über 300 Kilometer. Nero wollte dort einen Kanal bauen lassen, doch dieser Plan wurde erst im Jahre 1893 Realität.

Im zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt versuchten verschiedene griechische Städte (bekannt als Achaiisches Bündnis) die Unabhängigkeit von Rom zu erzwingen. Korinth spielte dabei eine Hauptrolle und wurde vom wütenden Feldherr Mummius, der die römischen Truppen anführte, 146 v. Chr. eingenommen und völlig zerstört. Für ungefähr hundert Jahre lag die Stadt in Trümmern. Erst im Jahre 46 v. Chr. baute Julius Cäsar sie wieder auf machte sie zur Hauptstadt der Provinz Achaja.

Im ersten Jahrhundert war Korinth eine blühende Handelsstadt mit einer halben Million Einwohner. Auf den Märkten gab es Luxusartikel und Güter alles Art zu kaufen, z. B.:

- arabischer Balsam,

- phönizische Datteln,

- lybisches Elfenbein,

- babylonische Teppiche,

- zilizisches Ziegenhaar,

- lykaonische Wolle,

- korinthische Lampen aus Terra Kota,

- phrygische Sklaven.

Die Stadt war nicht nur reich, sondern auch böse und verdorben. Auf dem dahinter liegenden Hügel war Akrokorinth, auf dem ein Tempel für die Göttin der Liebe (Aphrodite oder römisch, Venus) aufgebaut wurde. Vor der Zerstörung (146 v. Chr.) gab es dort tausend Priesterinnen. Sie waren „heilige“ Prostituierte, die an Festtagen in die Stadt herunter strömten und ihre Dienste anboten. Ein Reiseleiter erklärte, dass an ihren Schuhsohlen geschrieben stand, „folge mir“. So liefen sie vor den Männern her und signalisierten diskret ihre Identität. Hunderte von Jahren vorher beschrieb Salomo eine solche Situation in seinen Sprüchen, indem er sagte (Spr. 7,21-23): „Er folgt ihr ohne Verzug, wie ein Rind zur Schlachtbank läuft und wie ein Hirsch in die Schlinge geht ...“ Auf römischen Bühnen wurden die Korinther oft betrunken dargestellt. In der griechischen Sprache galt der Ausspruch „Leben wie ein Korinther“ für Trunkenheit, Sittenlosigkeit und Liederlichkeit.

 

 II.   Geschichtlicher Hintergrund der Gemeinde

Die Gemeinde wurde von Paulus auf seiner zweiten Missionsreise gegründet (Apg 18,8-11). Nach 18 Monaten segelte Paulus zurück nach Jerusalem (Apg 18,22a). Bald darauf zog er nach Antiochia in Syrien, wo er nur kurz blieb (Apg 18,22b).

Von Antiochia in Syrien begann Paulus seine dritte Missionsreise (Apg 18,23). Nachdem er einige Gemeinden besuchte, die er gegründet hatte kam er nach Ephesus, wo er zwei Jahre verbrachte (Apg 19,1.8.10). Während dieser Zeit kam es zu regem Kontakt zwischen ihm und der Gemeinde in Korinth (1Kor 5,9; 2Kor 12,14; 13,1).

Die Gemeinde in Korinth war sehr jung, mehrheitlich griechisch und kämpfte um ihre Existenz. Sie war mitten in einer gottlosen Welt, umgeben von griechischen Tempeln, Göttern und moralischem Zerfall. Der erste Brief, den Paulus nach Korinth schickte, ging leider verloren. Gegen Ende seines Aufenthalts in Ephesus erhielt Paulus einen Antwortbrief von der Gemeinde in Korinth (1Kor 16,17). Daraufhin schrieb Paulus den ersten Korintherbrief und gab ihn Timotheus zur Überlieferung mit (Apg 19,21-22; 1Kor 16,5-6.10). Doch Paulus war sehr beunruhigt über die Schwierigkeiten in der Gemeinde. Deshalb segelte er von Ephesus mit dem Schiff direkt nach Korinth, um die Gemeinde zu besuchen. Dieser Aufenthalt war kurz und schmerzhaft (2Kor 2,1-3).

Zurück in Ephesus verfasste Paulus mit Besorgnis einen dritten Brief an die Korinther (2Kor 2,3-11; 7,8-12) und entsandte ihn mit Titus (12,18). Kurze Zeit später wurde seine Arbeit in Ephesus durch den Aufstand des Demetrius gestört, so dass sein Leben in Gefahr stand (1,8-11; Apg 19,23-31). Als sich der Lärm gelegt hatte, verabschiedete er sich von den Brüdern in Ephesus und reiste nach Troas, wo er sich mit Titus verabredete. Doch als Paulus seinen Mitarbeiter nicht finden konnte, reiste er besorgt weiter nach Makedonien (2,12-13) und sammelte Geld für Jerusalem (8,1-5; 9,2.4). Endlich fand Paulus den Titus und freute sich sehr (7,5-7; Apg 20,1-2). Titus teilte ihm viel Erfreuliches aus Korinth mit (7,13), z. B. dass die Glieder sich von dem Mann im 1. Korinther 5 zurückzogen (7,6ff.). Aus lauter Dankbarkeit schrieb Paulus in Makedonien den zweiten Korintherbrief (= vierter Brief; 2Kor 2,12-13).

 

III. Die Probleme der Gemeinde

Spaltungen (1Kor 1,11-17).
Vermutlich teilte sich die Gemeinde in verschiedene Hausgemeinden und verschiedene Gruppenleiter auf. Einige waren stolz von Paulus getauft worden zu sein und schauten auf andere hinab, die dieses Vorrecht nicht hatten (1Kor 12,15-26). Allerdings war er kein grosser Rhetoriker (1Kor 2,1-5). Er könnte von einigen als weniger wichtig betrachtet worden sein, weil er Christus in seinem irdischen Leben nicht persönlich kannte (2Kor 5,16; 10,7).

Andere waren stolze Anhänger des Petrus (jüdischer Name Kefas), der nach dem ersten Besuch des Paulus nach Korinth kam (1Kor 9,5). Wieder andere bewunderten Apollos, vielleicht weil er ein besonders guter Wortverkündiger war (Apg 18,24). Er bemühte sich sehr um die Gemeinden in Achaja (Apg 18,27). Er hatte jüdische Wurzeln und kam aus Alexandria in Ägypten.

Schliesslich gab es noch eine Gruppe, die sich allein zu Christus bekannte. Es könnte sich eventuell um Juden handeln, die ihren Glauben auf Jesus als Retter und Messias Israels aufbauten. Sie könnten daraus eine eigene Gruppierung gemacht haben, indem sie nicht Christus angehörten, sondern sich vorstellten, Christus gehöre ihnen.

In 1. Korinther 3,21 wird keine vierte Gruppe angeführt, die sich zu Christus bekannte. Es könnte gut sein, dass Paulus aus eigener Besorgtheit diese zusätzliche Gruppe als weitere Behauptung anführte. Auch im ersten Klemensbrief (47,3) werden nur die Namen Paulus, Kefas und Apollos angeführt.

Moralischer Zerfall.
Die meisten Glieder der Korinthergemeinde waren heidnischer Herkunft, d. h. es bestand die Gefahr, dass sie wieder in ihren alten gottlosen Wandel zurückfielen (1Kor 6,9-11; 12,2; 2Kor 12,20-21). Zum Beispiel:

- durch Rechtsstreitigkeiten, wie sie in der Welt stattfanden (1Kor 6,1-8).

- dadurch, dass sie das Abendmahl nicht von gewöhnlichen Mahlzeiten unterschieden (1Kor 11,17-22).

- wenn es um den Götzendienst ging (1Kor 8,1-13; 10,14-33).

- wenn es um die Sexualität ging, für die man sich in der gottlosen Welt nichts aus einem Besuch bei einer Prostituierten machte (1Kor 6,12-20; 15,33).

Zum Teil waren sie sogar stolz auf ihren gottlosen Wandel (1Kor 5,1-13). Paulus warnte sie mehr als einmal eine falsche Gewissheit zu pflegen (1Kor 10,12; 2Kor 6,14 - 7,1).

Verwirrung in Bezug auf die Gaben des Heiligen Geistes in der Gemeinde (1Kor 1,7). Viele waren unsicher, welche Gaben angestrebt werden sollten und wertvoll waren (1Kor 14,12; 12,31). Offensichtlich wurden einige Gaben des Heiligen Geistes besonders hoch geachtet: In Menschen- Engelszungen zu reden (1Kor 13,1). Frauendienste mit prophetischen Reden (1Kor 12,29-30; 14,4-19.22-25. 33b-38). Paulus gibt zu verstehen, dass Gott nicht die Unordnung liebt (1Kor 14,33-40).

Falsches Verständnis in Bezug auf verschiedene Lehrfragen.
Keine Hoffnung auf eine weitere Auferstehung (1Kor 15,12), da sie schon zu einer vergangenen Erfahrung zählte (1Kor 4,8). Sie dachten, sie wären bereits auferstanden und existierten in einem Zustand wie die Engel im Himmel. Ihre Ehen wurden zum Teil als eine geistliche Einheit betrachtet, in der eine sexuelle Beziehung verachtet war (1Kor 7,1-7.36-40). In einer griechisch-römischen Stadt wie Korinth ist es verständlich, dass verschiedene falsche Einflüsse aus andern Religionen grosse Macht besassen (1Kor 12,2). Die Kraft des Geistes war z. B. ein Schlüsselbegriff in der damaligen Zeit (1Kor 14,12). Man glaubte an eine göttliche Macht, die unwiderstehlich war und jemand, der sich ihr öffnete, hinwegtrug in einem Trance ähnlichen Zustand. Deshalb mahnt Paulus im Brief nach dem Geist zu trachten, der die Gemeinde aufbaut, weil ihn alle verstehen können (1Kor 14,1).

Klemens von Rom schrieb einen Brief an die Gemeinde in Korinth, nach der domitianischen Verfolgung, also gegen Ende der Regierung Domitians oder unter Nervas (96-98).

Einteilung und kurzer Beschrieb des Klemensbriefs:

Kapitel 1-3: Einleitung

Kapitel 4-36: Erster Hauptteil (allgemeine Warnungen vor Streit, Eifersucht, und vorbildliche Beispiele aus jüdischer und christlicher Zeit, mahnt zur Busse, Gastfreundschaft, Frömmigkeit, Demut, Enthaltsamkeit usw.).

Kapitel 37-61: Zweiter Hauptteil (Aufforderung zum Gehorsam wie ein Soldat, zum Frieden und zur Liebe, dann folgt ein Gebet).

Kapitel 62-65: Zusammenfassung und Schluss. Aus diesem uninspirierten Schreiben wird ersichtlich, dass die Korinthergemeinde noch immer geplagt wurde von Zwietracht und Kämpfen.