Begriffe2-06: Echthra – Feindschaft

Fleisch oder Geist

William Barclay

 

Echthros ist das gebräuchliche griechische Wort für Feind und echthra für Feindschaft. Im NT selbst kommt es ausser in Galater 5 noch an zwei anderen Stellen vor. In Römer 8,7 schreibt Paulus, dass „fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott.“ In Epheser 2,14 und 16 wird echthra für den trennenden Zaun der Feindschaft gebraucht, der Juden und Heiden voneinander trennte, bis sie in Jesus Christus zu einem Leib zusammengefügt wurden.

In der antiken Welt gab es drei Arten von Feindschaft, die sich auch heute noch ständig wiederholen:
1. Es gab die Feindschaft der Klassen untereinander. Platon schreibt, dass in jeder Stadt ein Bürgerkrieg war zwischen den Besitzenden und den Besitzlosen. In jedem Gemeinwesen kann es eine Auseinandersetzung zwischen den Klassen geben, die leicht von übel wollenden Menschen für ihre eigenen boshaften Zwecke geschürt werden kann.

2. Es bestand Feindschaft zwischen den Griechen und den Barbaren. Platon sagte, dies sei ein Krieg ohne Ende. Isokrates forderte, dass Homer immer zum Lehrplan eines griechischen Jugendlichen gehören müsse, denn Homer zeige den ewigen Bruch zwischen Griechen und Barbaren. Die Griechen glaubten, dass die Natur von Anfang an zwei ganz verschiedene Menschenarten geplant habe - Griechen und Barbaren - und dass diese zwei Typen sich grundlegend unterschieden. Es ist bemerkenswert, wie anmassend diese Unterscheidung war. Ein Barbar war ein Mensch, der „bar-bar“ sagte, das heisst einer, der nicht griechisch sprach. Wie, so fragt der antike Geschichtsschreiber Ktesias, werden Menschen, die nur bellen können, jemals die Welt regieren können? Dieses Kriterium der griechischen Sprache verwies hoch zivilisierte Nationen, wie die Ägypter, die Phönizier, die Perser und die reichen Lydier in die Reihen der Barbaren. Aristoteles dachte, es sei das Klima der Welt, das diesen Unterschied aufrecht erhalte. Die Bewohner der kalten Länder des Nordens waren sehr mutig und voller Energie, hatten aber wenig Verstand und Bildung; die Menschen in den warmen südlichen Ländern, dem heutigen Kleinasien, dagegen waren sehr intelligent, besassen Bildung und Kultur, aber wenig Mut und Energie. Allein die Griechen lebten in einem Klima, das von der Natur dazu bestimmt war, einen vollkommenen Charakter hervorzubringen (Aristoteles, Politik 7.7.2).

Für die Griechen waren diese „Barbaren“ von Natur aus Sklaven, die der höher stehende Grieche mit Recht zum Sklaventum erniedrigen und kaufen und verkaufen durfte. Diese Haltung dem Nichtgriechen gegenüber kommt deutlich zum Ausdruck in der Bezeichnung, die Plutarch auf den Historiker Herodot anwandte. Herodot besass eine unersättliche, alles umfassende Neugier. Grosse Taten waren für ihn einfach grosse Taten, ob sie von einem Griechen vollbracht worden waren oder nicht. Er war frei von Rassenvorurteilen. Deshalb belegte ihn Plutarch mit dem Wort philobarbaros - Freund der Barbaren, so als ob das einer Verurteilung gleich komme.

Bezeichnenderweise wird in zwei Stellen des Neuen Testaments, in denen das Wort echthra vorkommt (Eph 2,14.16), Bezug genommen auf das Verhältnis, das in der antiken Welt zwischen Juden und Heiden bestand, diese Mauer der Feindschaft. Der Hass war auf beiden Seiten. Die Römer sprachen von der jüdischen Religion als von einem barbarischen Aberglauben (Cicero, Pro Flacco 28). Apion behauptete, dass die Juden bei dem Gott des Himmels, der Erde und des Meeres geschworen hätten, einem Menschen einer anderen Nation niemals Wohlwollen zu zeigen, vor allem keinem Griechen (Josephus, Gegen Apion 1.34; 2.10). Die Juden betrachteten die Heiden als unrein. Die ganz hasserfüllten Juden achteten die Heiden nicht besser als unreine Tiere, von Gott gehasst und für das höllische Feuer bestimmt. Die jüdische Exklusivität ist ein wesentlicher Bestandteil des Judentums, und der Antisemitismus ist keine neuzeitliche Erscheinung.

Der eiserne Vorhang der Rassenvorurteile und Verbitterung ist nichts Neues. Die Einstellung des Menschen, die Rassenschranken und Rassenunruhen hervorbringt, ist so alt wie die Zivilisation, und sie wird von Anfang an in der christlichen Ethik und im christlichen Glauben verdammt.

3. Es gibt die Feindschaft zwischen zwei Menschen. Hier ist es am einfachsten, echthra mit dem gegensätzlichen Begriff zu erklären. Agape ist das genaue Gegenteil von echthra. Agape - Liebe, die vornehmste christliche Tugend, ist die Haltung eines Menschen, der niemals bittere Gedanken gegen einen anderen hegen wird und der immer nur das Beste für seine Mitmenschen will, unabhängig davon, was andere darüber denken mögen. Echthra dagegen ist die Gesinnung, die trennende Mauern errichtet und das Schwert zieht. Agape kennzeichnet das Bemühen um gegenseitiges Vertrauen und Freundschaft. Das eine ist ein Werk des Fleisches, das andere eine Frucht des Geistes.