Begriffe1-27: Pentheo – die göttliche Traurigkeit

Griechische Begriffe 1

27.  Pentheo  = Trauern

von William Barclay

 

Das Verb penthein bedeutet, um etwas Leid tragen. Es ist keineswegs ein aussergewöhnliches griechisches Wort und kommt im NT neunmal vor.

Jesus sagt, es sei unmöglich, dass die Freunde des Bräutigams trauerten, solange dieser in ihrer Mitte weile (Mt 9,15). Paulus tadelt die Christen in Korinth, dass sie nicht Leid trugen - penthein wegen der Sünde dessen, der Schande über die Gemeinde gebracht hatte (1 Kor 5,2), und er fürchtet, um die Sünder Leid tragen zu müssen, wenn er wieder nach Korinth kommt (2 Kor 12,21). In Jak 4,9 werden die Sünder aufgefordert, sich wieder zu Gott zu wenden, Leid zu tragen und zu weinen über ihre Sünde. In der Offenbarung wird das Wort dreimal benutzt für die Klage über den Fall Babylons (Offb 18,11.15.19). Aber die wichtigste Anwendung findet das Wort in den Seligpreisungen. Lukas sagt: „Weh euch, die ihr hier lacht, denn ihr werdet weinen und heulen“ (6,25). Und Matthäus schreibt: „Selig sind, die Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“ (5,4).

Die Bedeutung dieses Wortes enthält zwei wichtige Gedanken.
1. Penthein ist der stärkste Ausdruck für Leid tragen in der griechischen Sprache. Es drückte zu allen Zeiten das Trauern um die Toten aus. So wird es in Homers Ilias (19.225) und bei Herodot (4.95) gebraucht. Sophokles sagt von Oedipus, dass er von quälender Erinnerung geschüttelt wurde (König Oedipus 1320). In der Septuaginta bezeichnet das Wort das Leid, das Jakob um Joseph trug, als er glaubte, sein Sohn sei tot (1. Mose 37,34). Dasselbe Wort wird für die Trauer Davids um das tragische Ende seines Sohnes Absalom gebraucht (2 Sam 19,1). Auch in den Papyri hat es die Bedeutung des Trauerns um Tote oder wegen anderweitiger unüberwindbarer Trennung. In einem Papyrus lesen wir: „Die trauernden Frauen sollen dunkle Gewänder tragen.“ In einem anderen Papyrus schreibt ein Mann an seine Frau, von der er getrennt ist: „Du sollst wissen, seitdem Du mich verlassen hast, bin ich in Trauer, des nachts weine ich, und tagsüber trage ich Leid.“ Es gibt in der griechischen Sprache keinen stärkeren Ausdruck für trauern als das Wort penthein.

2. An Hand der zitierten Beispiele konnten wir erkennen, wie oft trauern - penthein in Verbindung mit weinen - kleiein steht. Eine andere bedeutungsvolle Tatsache wurde uns deutlich: penthein bezeichnet eine Trauer, die man nicht verbergen kann, eine Qual, die nicht nur das Herz schwer macht, sondern so gross ist, dass man die Tränen nicht zurückhalten kann. Penthein beschreibt eine Traurigkeit, die man nicht verheimlichen kann.

Dieses Wort gebraucht das NT für eines Menschen Traurigkeit über seine Sünde (Mt 5,4; 1 Kor 5,2; 2 Kor 12,21; Jak 4,9). Die Traurigkeit des Christen über seine Sünde kann kein sanftes, sentimentales Bedauern verkehrter Dinge sein; wenn sie echt ist, kommt sie dem tiefen Schmerz gleich, den wir beim Abscheiden unserer Lieben empfinden. Eine solche Traurigkeit können wir nicht verbergen, sie wird in Tränen und Bekenntnissen eines bussfertigen Herzens zum Ausdruck kommen. Es ist eine Trauer, die das erkennt, was Charlyle „die endlose Ver-dammungswürdigkeit der Sünde“ nannte. Diese Erkenntnis überkommt uns, wenn wir am Kreuze sehen, was die Sünde vermag.

Eine der grossen Bekehrungsgeschichten unserer Tage ist die des japanischen Mörders Tokichi Ishii, der durch das Lesen des Neuen Testaments im Gefängnis bekehrt wurde. Er war ein Mann, der in brutalster Grausamkeit bestialische, unmenschliche Verbrechen begangen hatte. Zwei Kanadierinnen hatten im Gefängnis versucht mit ihm zu reden, aber er hatte sich keiner menschlichen Regung fähig gezeigt. Sie gaben ihm eine Bibel, und er begann darin zu lesen. Das Gebet Jesu: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, durchbohrte sein Herz, „als ob ein langer Nagel hineingetrieben würde“, wie er selbst sagte. Die Traurigkeit über seine Sünde zerbrach sein hartes Herz.

Das Wort penthein lehrt uns, dass wir den Weg eines Christen nicht einmal begonnen haben, ehe wir nicht die Sünde so ernst nehmen, dass wir darüber betrübt werden wie um den Verlust eines lieben Menschen. Das Christsein beginnt mit der göttlichen Traurigkeit eines zerbrochenen Herzens.